Görlitz: Meilenstein für Synagoge
Görlitz, 29. August 2017. Von Thomas Beier und Tina Giesenkämper. Die Neue Synagoge auf der Görlitzer Otto-Müller-Straße – auch Kulturforum genannt – hat seit Kurzem etwas Besonderes, das so angelegt ist, dass es der Besucher kaum bewusst wahrnimmt: Einen Terazzo-Fußboden, der es aber in sich hat.
Denkmalpflegerisch und technisch perfekte Lösung
Vorgestellt wurde der fertiggestellte neue Fußboden am 16. August 2017. Dazu waren Bürgermeister Dr. Michael Wieler, der Leiter der Unteren Denkmalbehörde Wieland Menzel, weitere Vertreter der Stadt wie die Synagogenkennerin Ute Prechel, Techniker, Handwerker, Ingenieure und Architekten gekommen. Sie alle waren in die Planung und Realisierung des Fußboden-Projekts involviert. Rund zwei Jahre, inklusive Planungszeit, hat das gedauert und um die 100.000 Euro gekostet. Nötig waren die Arbeiten, weil der aus den 1990er stammende Zementestrich-Fußboden unfachmännisch hergestellt worden und nicht sanierbar war. Entstanden ist dafür nun eine denkmalpflegerisch und technisch perfekte Lösung.
Der verantwortliche Architekt und Bauplaner Andreas Schmidt, dem die Synagogensanierung seit vielen Jahren Herzenssache ist, erklärte, wie hochkomplex und schwierig die Umsetzung war – allein die Frage: Welcher Belag erfüllt alle Anforderungen? Historisches Vorbild, moderne Ansprüche, Haltbarkeit und vor allem die technischen Herausforderungen der großen fugenlosen Fläche, die auch eine Fußbodenheizung mit 14 Kreisen und Kabelkanäle für die mediale Nutzung des Raumes aufnehmen sollte, mussten unter einen Hut gebracht werden. Wer als Besucher genau hinsieht, entdeckt davon nur die Elektranten genannten Anschlussstellen.
Man entschied sich – nach langen Konsultationen – für Terrazzo, einen Belag aus Bindemittel und Gesteinskörnungen, der im Kuppelsaal bis nahe der Wände fugenlos ausgeführt wurde. Statt über der Installationsschicht eine zweilagige Ausführung aus Trag- und Deckschicht einzubauen, fiel die Entscheidung letztlich für einen hochbelastbaren Boden aus einem Guss. Der vereint Tragfunktion und Optik und hält 400 Kilogramm Punktlast aus, was Industriequalität, dem höchsten Standard überhaupt, entspricht. Mit dem eingebauten Boden wird – regelmäßige Imprägnierung vorausgesetzt – eine sehr lange Haltbarkeit über mehrere Generationen hinweg erreicht, was auch für eine nachhaltige Investition spricht.
Um die Tragfähigkeit und die aus Temperaturschwankungen resultierenden Spannungen beherrschen zu können, wurden Bindemittel- und Estrich-Spezialisten hinzugezogen und Experimentalflächen angelegt. Laut Bindemittelhersteller ist die hier verwendete Symbiose von Bindemittel und Gestein eine Weltneuheit und sorgt für einen schwindarmen und weitestgehend spannungsfreien Boden.
Das in Big Packs angelieferte vorgemischte Fußbodenmaterial durchlief vor dem Einbau parallel zwei an der Synagoge aufgestellte Mischer und dann noch einen weiteren, bevor der eigentliche Einbau “in einem Ritt” erfolgte. Die aufwendige Misch-Technologie war nötig, um eine extrem gleichmäßige Durchmischung zu gewährleisten. Im Bemühen, dem Baudenkmal gerecht zu werden, hatte Lutz Weisheit von der ausführenden Firma Marmorveredlung Foerg & Weisheit GmbH sogar ermittelt, woher im Jahr 1910 der Kies für den ursprünglichen Boden des Synagoge gekommen war: Aus einem Steinbruch nahe der Kunnersdorfer Senke bei Görlitz, an der Straße in Richtung Kulturinsel Einsiedel.
Bürgermeister Dr. Wieler gratulierte dem Team und allen Anwesenden zum Gelingen des Vorhabens. Nach seinen Worten konnten für die von zwei Großspendern ermöglichte Errichtung der Synagoge die damals besten Architekten – William Lossow und Max Hans Kühne hatten sich mit ihrem Entwurf durchgesetzt – gewonnen werden, dem wolle man bei der Sanierung gerecht werden. Die jetzige Lösung ohne funktionale Fugen diene der Architektur des Raumes.
Die Restaurierung der 1911 geweihten Synagoge, die 1963 von der Jüdischen Gemeinde an die Stadt Görlitz verkauft wurde, ist abhängig vom Fluss von Spenden und Fördermitteln. Damit aber bleibt Zeit für ein besonders bedachtsames Vorgehen, das übrigens im engen Austausch mit der Jüdischen Gemeinde in Dresden erfolgt. Gerade, wenn es um Übersetzungen aus den Hebräischen oder auch nur die Wiedergabe der Schriftzeichen geht, sind die Görlitzer heilfroh, im Dresdner Rabbiner Alexander Nachama einen hilfreichen Ansprechpartner zu haben.
Görlitz besitzt seit der Shoa (הַשּׁוֹאָה) keine jüdische Gemeinde mehr, dennoch soll hinter dem Kuppelsaal des Kulturforums, in dem der Thoraschrein erhalten ist, die sogenannten Wochentagssynagoge als Andachtsraum zugänglich bleiben. Schon jetzt, noch vor seiner endgültigen Fertigtellung, wird das Kulturforum Synagoge Görlitz für Veranstaltungen genutzt.
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- Quelle: Thomas Beier, Tina Giesenkämper | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 29.08.2017 - 12:07Uhr | Zuletzt geändert am 17.03.2021 - 17:10Uhr
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