NS-Raubkunst restituiert: Oskar Molls „Aechmea fasciata“ bleibt in Görlitz

Bild zu NS-Raubkunst restituiert: Oskar Molls „Aechmea fasciata“ bleibt in Görlitz

Görlitz, 25. Februar 2025. Ein bedeutendes Werk der Breslauer Moderne bleibt der Öffentlichkeit erhalten: Das Schlesische Museum zu Görlitz hat das Gemälde „Aechmea fasciata mit Büchern und Jahrhunderthalle [o. T.]“ (1926) von Oskar Moll nach der Restitution an die Erben des jüdischen Kunstsammlers Otto Wachenheim mit Unterstützung von Bund, Land Sachsen und der Kulturstiftung der Länder wieder angekauft. Die Rückgabe erfolgte im Rahmen der Washingtoner Prinzipien von 1998 zur Aufarbeitung von NS-Raubkunst.

Museumsdirektorin Agnieszka Gąsior, Markus Franke, Bevollmächtigter des Freistaates Sachsen beim Bund, Imke Gielen, Rechtsanwältin der Erbengemeinschaft, und Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, mit Oskar Molls Gemälde.

Foto: © SMG

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Restitution nach umfangreicher Provenienzforschung

Bild zu Restitution nach umfangreicher Provenienzforschung

Oskar Moll, „Aechmea fasciata mit Büchern und Jahrhunderthalle [o. T.]“, 1926, Öl auf Leinen, Schlesisches Museum zu Görlitz, Inv.-Nr. SMG 2001/1900.

Foto: © SMG

Das Stillleben, das seit 2000 im Schlesischen Museum zu Görlitz ausgestellt wird, gehörte mit hoher Wahrscheinlichkeit Otto Wachenheim (1885–1969). Der aus Mannheim stammende jüdische Sammler floh 1939 in die USA und musste sein Vermögen, darunter seine Kunstsammlung, zurücklassen. Sein Amsterdamer Wohnhaus wurde von der deutschen Besatzungsbehörde genutzt, Kunst und Mobiliar gingen verloren. 2009 wurde eine Suchmeldung für ein „Buchstillleben“ in der „Lost Art“-Datenbank veröffentlicht – Jahre später stellte sich heraus, dass Molls Werk mit dieser Beschreibung übereinstimmt.


Mit den Erben von Otto Wachenheim wurde nun eine einvernehmliche Lösung gefunden. Die Restitution erfolgte als Anerkennung des erlittenen Unrechts, doch durch den anschließenden Ankauf bleibt das Gemälde Teil der Dauerausstellung.


Kulturpolitische Stimmen zur Bedeutung des Werks


Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte: „Das Gemälde ‚Aechmea fasciata‘ von Oskar Moll spiegelt auf besondere Weise die expressionistische Bewegung und damit eine bedeutende Epoche der deutschen Kunstgeschichte wider. Dass dieses Zeugnis unseres Kulturerbes dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt, verdanken wir dem großzügigen Entgegenkommen der Erbengemeinschaft. Deutschland steht in der Pflicht, den NS-Kulturgutraub konsequent weiter aufzuarbeiten und mit einvernehmlichen Lösungen einen Beitrag zur Linderung des erlittenen Unrechts zu leisten. Deshalb hat der Bund die Restitution und den Wiederankauf dieses Gemäldes gern unterstützt.“


Auch Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch würdigte den Schritt: „Otto Wachenheim hat das Stillleben unter massivem Verfolgungsdruck zurücklassen müssen. Mit der Restitution werden wir unserer historischen Verantwortung gerecht. Ich danke allen Beteiligten, mit deren Hilfe es gelungen ist, die Erbinnen und Erben zu entschädigen und zugleich dieses bedeutsame Gemälde für das Schlesische Museum zu erhalten.“


Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, hob hervor: „Die Kulturstiftung der Länder unterstützt seit mehr als einem Vierteljahrhundert Institutionen bei der Umsetzung von fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien von 1998. Ich freue mich sehr, dass mit der Erbengemeinschaft von Otto Wachenheim eine gute Lösung gefunden werden konnte und das Gemälde von Oskar Moll im Schlesischen Museum zu Görlitz weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Dies ist der ideale Ort, um das Werk im Kontext der deutsch-polnischen Geschichte zu vermitteln.“


Die Rechtsanwältin der Erbengemeinschaft, Dr. Imke Gielen, erklärte: „Im Namen der Familien Wachenheim und Herbst begrüßen wir die Restitution des Gemäldes. Diese bedeutet ihnen auch deshalb so viel, weil damit das Unrecht, das ihr Großonkel und Urgroßonkel in der NS-Zeit erleiden musste, nicht nur anerkannt, sondern zumindest auch ein Stück weit ‚wiedergutgemacht‘ wird. Sie bedanken sich bei dem Schlesischen Museum zu Görlitz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Aufklärung der Provenienz.“


Oskar Moll und die Breslauer Moderne


Oskar Moll (1875–1947) war eine zentrale Figur der Breslauer Moderne. Geboren in Brieg (heute Brzeg, Polen), studierte er in München und Berlin, später in Paris bei Henri Matisse, dessen Farbgestaltung ihn prägte. Ab 1918 lehrte er an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau, ab 1925 als Direktor. 1932 schloss das NS-Regime die Akademie, 1933 wurde Moll als „entarteter Künstler“ diffamiert.


Das Stillleben „Aechmea fasciata mit Büchern und Jahrhunderthalle“ zeigt die ikonische Breslauer Jahrhunderthalle im Hintergrund – ein seltenes Motiv in Molls Œuvre. Museumsdirektorin Dr. Agnieszka Gąsior erklärte: „Oskar Moll war ein herausragender Vertreter der ‚Breslauer Moderne‘, der durch seine Lehrtätigkeit an der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe die Entwicklung der schlesischen Kunst in der Zwischenkriegszeit prägte.“


Mit der gesicherten Ausstellung in Görlitz bleibt ein Stück der schlesischen Kunstgeschichte erhalten.

Über Otto Wachenheim
Otto Wachenheim stammte aus Mannheim und lebte von 1923 bis zu seiner Emigration 1939 in den Niederlanden. Seine Vermögenswerte, einschließlich seiner Kunstsammlung mit Werken des Impressionismus und der Moderne, blieben in seinem Haus in Amsterdam zurück, das nach 1940 zeitweilig von der deutschen Besatzungsbehörde genutzt wurde. Vermutlich 1944, als die Behörde auszog, kamen Mobiliar und Kunstgegenstände abhanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Otto Wachenheim aus dem US-amerikanischen Exil weitgehend erfolglos, die verlorenen Kunstwerke wiederzufinden. Seine Beschreibung eines „Buchstilllebens“ wurde 2009 als Suchmeldung in der „Lost Art“-Datenbank eingestellt.


Über Oskar Moll
Oskar Moll (1875–1947) war ein herausragender Vertreter der Breslauer Moderne. Geboren wurde er in Brieg (Brzeg), Schlesien. Er studierte in München und Berlin, unter anderem bei Lovis Corinth. In Paris war er Schüler von Henri Matisse, dessen Farbenpracht und Stil ihn stark beeinflussten. In Breslau (Wrocław) war Moll ab 1918 Professor und ab 1925 Direktor der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe. Nach deren Schließung 1932 ging er nach Düsseldorf, wo er ab 1933 von den Nationalsozialisten als „entarteter Künstler“ diffamiert wurde. 1947 starb er in Berlin.

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  • Quelle: red / PM Schlesisches Museum zu Görlitz
  • Erstellt am 25.02.2025 - 10:25Uhr | Zuletzt geändert am 25.02.2025 - 10:26Uhr
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