Nach der Schlacht

Nach der SchlachtGörlitz, 9. August 2015. Von Thomas Beier. Mit dem ersten sogenannten "STADTHALLEngarten Open Air" will der Förderverein Stadthalle Görlitz e.V. einen Beitrag zum Erhalt und zur Modernisierung der denkmalgeschützten Stadthalle Görlitz leisten. Die ist seit Ende 2004 geschlossen. Dafür werden betriebswirtschaftliche Gründe und bauliche Mängel angeführt. Eine Sanierung scheiterte bislang vor allem an der Frage, wie danach die Betriebskosten aufgebracht werden sollen. Hinterfragt werden muss allerdings auch, ob der Zuschnitt der Stadthalle - Großer Saal, Kleiner Saal und Gastronomie - für moderne Veranstaltungen überhaupt geeignet ist. Unabhängig davon strebt der Stadthallenverein die Wiedereröffnung an.
Abbildung oben: Eine Entdeckung ist die Band Ram Road aus Zittau, Vorband für Renft.

Foto: © Görlitzer Anzeiger / BeierMedia.de
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Drei Tage für die Görlitzer Stadthalle

Drei Tage für die Görlitzer Stadthalle
Renft auf der Bühne im Stadthallengarten, im Hintergrund die in wechselnden Farben angestrahlte Stadthalle Görlitz.
Foto: © Görlitzer Anzeiger / BeierMedia.de

Thema: Stadthalle Görlitz

Stadthalle Görlitz

Die Stadthalle Görlitz wurde 1910 als Veranstaltungsort des Schlesischen Musikfestes eröffnet. Hoher Sanierungsbedarf und die ungenügende Selbstfinanzierung führten im Jahr 2005 zur Einstellung des Betriebs und zu Verkaufsbestrebungen seitens der Stadt Görlitz. Die Ende Januar 2010 vom Stadtrat beschlossene Sanierung wurde, ohne dass Arbeiten am Gebäude begonnen hätten, im Oktober 2012 gestoppt, weil Fristen für Fördermittel zu kurz waren. Erst 2018 stellten Bund und Land Geld für eine über die Sicherung hinausgehende Sanierung bereit. Eine große Herausforderung stellen die Betriebskosten für die Stadthalle Görlitz dar.

Mit einem dreitägigen Programm will der Förderverein die Stadthalle wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Währen am vergangen Freitag ein Discjockey zu Werke war, gehörte der gestrige Sonnabend zwei Rockbands: Der jungen Vorband Ram Road aus Zittau und Renft, der früheren legendären Klaus-Renft-Combo.

Den Anspruch, die Stadthalle Görlitz wiederzueröffnen, unterstrich Thomas Leder, Vorsitzender des Fördervereins und CDU-Stadtrat, in einer kurzen Ansprache vor dem Konzert.

Nach einem hitzebedingten Technikteilausfall legte zunächst das junge musikalische Unterhaltungsestradenensemble Ram Road aus Zittau los - und erntete auf Anhieb viel Sympathie. Vor allem Toni, der neben der Gitarre auch seine Zunge und Stimmbänder bediente, sorgte mit seiner Chuzpe für eine lockere Stimmung. Die Musikauswahl war dem meist angegrauten Renft-Publikum angepasst, so CCR's "Bad Moon Rising" (gut bekannt als "Abschied von ..." oder "Born to be wild" von Steppenwolf. Den Kontakt zu Ram Road findet man über facebook.

Dann die alte Garde: Renft. Wobei - von den alten Renft-Gefährten leben nur noch Christian Kunert, Jochen Hohl und Thomas "Monster" Schoppe, der als Einziger von ihnen noch heute mit Renft auf der Bühne steht, neben ihm Marcus "Basskran" Schloussen, Delle Kriese am Schlagzeug und Gisbert "Pitti" Piatkowski an der Melodiegitarre. Wem die Namen bekannt vorkommen, der kann sicherlich auch etwas mit anderen legendären "DDR"-Bands wie beispielsweise den Klosterbrüdern, Reform, der Modern Soul Band oder Cäsars Rockband anfangen.

Was die Band gestern in Görlitz abgeliefert hat, darüber kann man lange diskutieren. Dass die Titel querbeet in eine Art Rock-Cover gesteckt wurden (das Abhotten der Jugend zu "Neruda" tat richtig weh), reizte das Potential der Musiker mit Sicherheit nicht aus. Bei einigen Titeln fiel die vom wegrationalisierten Keyboarder hinterlassene Lücke deutlich auf - schade um das Vorspiel zu "Wer die Rose ehrt".

Aber toll war das Konzert, vor allem nach der Pause, trotzdem. Hervorzuheben ist die Kraft, mit der Monster seinen Job macht. Nicht allen, die musikalisch oder zugleich schauspielerisch in der "DDR" groß geworden sind, ist der rechtzeitige Abschied von der Bühne geglückt. Die diesjährigen electra-Abschiedskonzerte im Dresdner Alten Schlachthof beispielsweise waren für Bernd Aust und seine Mannen der richtige, um nicht zu sagen, letzte stolze Moment, während andere mit schütterer Stimme weitermachen.

Geschwächelt hat Renft also nicht - und will's der Deibel - vielleicht erleben wir die legendäre Band ja noch einmal in der Stadthalle Görlitz.

Ein Schicksal teilt Renft allerdings mit anderen "DDR"-Bands: Sie werden definiert über ihre alten Lieder, da kommt nichts Neues mehr und es wird auch gar nicht erwartet. "Ostrock" ist kein Zukunftsmodell.

Hingehen!
Sonntag, 9. August 2015,
Stadthallengarten Görlitz:

    • 11 Uhr Frühschoppen
    • 15 Uhr Familienfest - buntes Programm mit regionalen Künstlern
    • Abends Schlagersänger Andreas Martin,
      Abendkasse ab 18 Uhr 18 Euro,
      VIP Tickets für Sitzplätze inkl. zwei Freigetränken 25 Euro.

    P.S.: Warum titelt der Beitrag "Nach der Schlacht"? "Nach der Schlacht" ist einer der Texte des kongenialen Kurt Demmler, vertont von Thomas Schoppe. Er endet mit den Worten "doch die Schlacht wird viel viel länger sein".

    Viel mehr wäre auch über Renft und die in den Westen ausgereisten oder abgeschobenen Bandmitglieder, über Verbot und Neugründungen zu berichten. Und über die Details am Rande, Leipziger Geschichten, beispielsweise, als Peter "Cäsar" Gläser seine Musikerausbildung - damals Voraussetzung für den Berufsausweis, den man in der "DDR" als professioneller Untehaltungsmusiker brauchte - mit einer Prüfung im Fach klassische Spanische Gitarre beendete - Note 1.

    Weiterführende Literatur zur "DDR Beatmusik":
    • Beat Rock Rhythm&Blues Soul
      von H. P. Hofmann
      VEB Lied der Zeit, Musikverlag, Berlin. 1. Auflage.
      Redaktionsschluss 1. Juli 1973.

    • Als ich fortging...
      Das große DDR-Rock-Buch

      von Christian Hentschel und Peter Matzke
      2008 (2007) Verlag Neues Leben, Berlin
      ISBN 978-3-355-01733-6

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 09.08.2015 - 02:10Uhr | Zuletzt geändert am 06.10.2020 - 18:31Uhr
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