Paulick und die Meinungsmacher
Görlitz. "Freiheit ist eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit. Denn was Gerechtigkeit - auch soziale Gerechtigkeit - bedeutet und was wir tun müssen, um ihr näherzukommen, lässt sich nicht paternalistisch anordnen, nur in intensiver demokratischer Diskussion und Debatte klären", so Bundespräsident Joachim Gauck, unisono vom gesamten demokratischen Spektum als ein Mann politisch tadellosen Rufs geschätzt, in seiner Antrittsrede. Eine wichtige Rolle in der demokratischen Diskussion spielen die Medien. Durch die veröffentlichten und kommentierten Informationen ermöglichen sie den Bürgern, sich ein Bild zu machen von politischen Bestrebungen und über die verantwortlichen Personen. An dieser Stelle fordert der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick, der sich zur Wiederwahl stellt, würde- und respektvollen Umgang. Die sehr weit gehende journalistische Freiheit als wichtige Eigenheit eines demokratischen Gemeinwesens findet dort Ihre Grenzen, wo sie durch einseitige Polarisierung den Bürgern "jegliches Recht auf auf selbstbestimmte Meinungsbildung" (Paulick) abspricht.
Kommentar
Thema: Oberbürgermeisterwahl Görlitz
Am 26. Mai 2019 wird in Görlitz im ersten Wahlgang über einen neuen Oberbürgermeister resp. eine neue Oberbürgermeisterin abgestimmt. Amtsinhaber Siegfried Deinege tritt nicht noch einmal an.
- Glückwunsch und Wunsch nach Veränderung [17.06.2019]
- Ursu dankt seinen Wählern [17.06.2019]
- Weißer Rauch über dem Görlitzer Rathaus [17.06.2019]
Ach, wäre doch ein jeder Kandidat in deutschen Landen politisch so unbescholten wie der Herr Bundespräsident Joachim Gauck! Kein mehrfach gewählter APO-Parteisekretär der SED ("APO" steht nicht für das im Westen bekannte Kürzel, sondern für "Abteilungsparteiorganisation"), kein Kampfgruppen-Kämpfer (auf wen hätte er die Kalaschnikow gerichtet?), keine "Medaille für ausgezeichnete Leistungen" für einen "verdienstvollen Kämpfer"... keine bedingungslose Anpassung an die SED-Herrschaft in der DDR.
Aber es geht nicht darum, im Bodensatz der Geschichte zu wühlen. Es geht um Fairness - sprich Gleichbehandlung - von Kandidaten in den Medien, vor allem in der lokalen Tagespresse.
Die Görlitzer Berichterstattung gibt mittlerweile erstklassigen Stoff für eine Doktorarbeit: Nicht nur in der Quantität der Aussagen, sondern in der subtil-feinzüngigen Qualität, mit der bei den Lesern Eindrücke erweckt werden, die Paulick in einem Beitrag auf seiner Webseite www.joachim-paulick.de > Rubrik "in eigener Sache" an die Stasi-Richtlinie zur "Zersetzung" erinnert. Schon sind Filmproduzenten aufmerksam geworden und wittern Stoff für einen Medien-Polit-Thriller, der sich mit den lokalpolitischen Folgen einer ausgedünnten und teils monopolisierten Presselandschaft beschäftigt.
Wie so oft ist nicht das vordergründige Verhalten der Akteure interessant, sondern die Motive, von denen sie sich leiten lassen. "Fragen Sie - vor allem sich selbst - nach möglichen Motiven und Hintergründen. Tun Sie genau das, was der Redakteur nicht von Ihnen erwartet", appelliert Paulick in seinem Beitrag an die mündigen Bürgerinnen und Bürger seiner Heimatstadt.
Um dem Eindruck vorzubeugen, der "Görlitzer Anzeiger" sei ein Sprachrohr für einen einzelnen Bewerber um den Oberbürgermeister-Posten, muss ergänzt werden: So einseitig, wie die Berichterstattung in einzelnen Medien möglicherweise ist, scheinen die Presseinformationen aus den Kandidatenlagern verteilt zu werden. Will sagen: Was der Görlitzer Anzeiger nicht erfährt, darüber kann er nicht berichten.
Wissen ist Macht, auch das Wissen über Kandidaten, die gewählt werden wollen,
meint Ihr Fritz R. Stänker
Mehr:
http://www.joachim-paulick.de > in eigener Sache
@Anonym: Selbstverständnis der Stadträte
Von Jens Jäschke am 03.04.2012 - 12:21Uhr
Es ist nicht wichtig, ob hier Marx & Engels oder eine Frau das Zepter in der Hand hält, um die Stadt zu führen und nach vorn zu bringen. Es könnte auch eine Gruppe von innovativ denkenden Studenten, die den Zahn der Zeit in Görlitz erkannt haben, diese Stadt neu entwickeln und aufbauen. Wäre auch ein guter Vorschlag für die Zukunft, unsere teils hochbegabten Studenten als Marketingberater bei Auslobung einer für Studenten rechtmäßigen Prämie einzusetzen, anstatt nichts taugende "Titelträger" ohne Erfolge für sehr teures Steuergeld einzukaufen.
Hier geht es vielmehr darum, dass der zu Wählende sich nicht auf ein überwiegendes Parteienpakt-Verständnis einlässt, sondern selbstständig und unvoreingenommen an die Probleme der Stadt herangeht und die eigentlich motiviert eingestellt sein sollenden Stadträte auf Grund ihrer "Ratskenntnisse" zur Hilfestellung bei bestimmten Problemen befragen muss, um dann "der Stadt Bestes" … etc. aus dieser oder dieser Situation zu erhalten.
Das Problem liegt wirklich und in erster Linie beim Stadtrat selbst. Wenn der Bürgermeister, egal welcher, aus verständlichen Gründen nicht jedem Stadtrat Recht geben kann bei bestimmten Beschlusssachen oder Vorschlägen usw., so ist er sofort der Buhmann und es wird verbal gegen IHN geschossen. An genau dieser Stelle sollte man sich als Stadtrat auch die Frage stellen; bin ich aus diesem Grund in den Stadtrat gegangen? Habe ich mich entschlossen die Stadt zu unterstützen oder gewisse anstehende Veränderungen auf Grund meiner Einstellung zu gewissen Dingen, zu blockieren? Unterstütze ich die Stadt als Stadtrat durch mein kaputtdiskutieren von Vorschlägen, die mir nicht passen oder genehm sind? Alles, nur weil ich des Bürgermeisters Meinung nicht akzeptieren kann? Wenn ein Stadtrat diese Meinung vertritt, sollte er lieber zu Hause bleiben und seine kostbare Zeit mit dem schnitzen von Holzmurmeln verbringen bis diese dann ganz rund sind.
Desweiteren wäre es für die Stadt auch gut, wenn ein schon erfahrener Kandidat in Sachen Kommunalpolitik als städtische Führungsspitze fungiert, weil ein nicht kundiger Kandidat wieder eine ganze Weile (erfahrungsgemäß mehrere Jahre) benötigt, um in die Materie hineinzuwachsen. Vielleicht erlebt er dann nur eine Wahlperiode und es muss dann schon wieder ein "Neuer" Kandidat mit der gleichen Prozedur beginnen. Alles vergeudete Zeit.
Das Zauberwort für all die noch anstehenden Probleme, Ratssitzungen und einen Neuanfang könnte "Verständnis & Einigkeit" heißen. Es lohnt in jedem Falle mal, darüber nachzudenken, egal welcher Oberbürgermeister demnächst das Sagen hat.
DDR-Aufarbeitung braucht noch viel Zeit
Von Frank Georg am 03.04.2012 - 09:46Uhr
Sehr geehrte(r) Frau (Herr) Anonym - ein sehr schöner Name,
es geht nicht um "in der Vergangenheit wühlen" - hier geht es schlicht um Ehrlichkeit oder Wählertäuschung.
Ich glaube die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, wer sich ihnen als OB-Kandidat vorstellt. Es reicht eben nicht, das man sagt "ich bin in die SED eingetreten, weil ich permanent von wichtigen Entscheidungen des Arbeitgebers ausgegrenzt worden bin" (Zitat "SZ"). Hier sollte Herr Deinege die volle Wahrheit sagen und seine Wähler nicht täuschen. Es ist ein Unterschied, ob ich SED-Mitglied war, auch, um vielleicht meine "Ruhe zu haben" oder studieren zu können - oder Parteisekretär, in dessen Funktion auch Entscheidungen über Mitarbeiter getroffen wurden. Und welche "Entscheidungen des Arbeitgebers" wurden denn in der Kampfgruppe getroffen, von denen er scheinbar auch ausgeschlossen war? In der Herr Deinege aber dekoriertes Mitglied war.
Wenn ich dann lese: "So hob der Genosse Deinege im Rechenschaftsbericht hervor: Wir sind keine Idealisten, um zu glauben, daß sich bei den aggressiven imperialistischen Kräften der Kurs schlagartig ändert, ... Nur ein starker Sozialismus und damit eine starke DDR sind die Eckpfeiler die notwendig sind, ..." (Zitat: "Waggonbauer"), dann sollten die Wählerinnen und Wähler schon wissen, wem sie ihre Stimme geben sollen.
Es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die unter der SED-Herrschaft leiden mussten. Sei es, weil wegen nicht linientreuen Verhaltens mal die Jahresendprämie etwas geringer ausfiehl oder Menschen sogar wegen der Kritik an der Partei / am Staat ins Gefängnis mussten.
Für mich aber auch sehr bedenklich ist die Tatsache, dass solch ein Kandidat von der Christlich-Demokratischen Union (CDU) getragen und unterstützt wird. Auch da hängt man sein Mäntelchen schön in den Wind. Noch klingen mir die Worte eines Landtagsabgeordneten der CDU im Ohr: "Ich würde niemals einem (ehemaligen) SED-Mitglied die Hand geben". Tja, und jetzt schlendert man gemeinsam mit einem APO-SED-Sekretär über den Weihnachtsmarkt! Auch beim hiesigen Bundestagsabgeordneten muss man sich fragen, was er denn will. Auf der einen Seite wettert er gegen die von den Linken vorgeschlagene Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, weil sie von der SED bzw. Stasi unterstützt wurde. Auf der anderen Seite unterstützt er dekorierte SED-Kader! Wie ernstzunehmen ist diese Partei eigentlich noch?
Äußerungen wie Ihre, Frau/Herr Anonym, zeigen, dass die Aufarbeitung der DDR-Geschichte noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
Überhaupt scheint der Anspruch auf die Wahrhaftigkeit der Aussagen des großen Bündnisses und seines Kandidaten Deinege auf sehr dünnem Fundament - wenn nicht auf Sand - gebaut. Warum sagt Herr Deinege z. B. nicht, wie er das Jugendzentrum im ehemaligen Waggonbauwerk finanzieren will. Es stehen Aufgaben wie Stadthalle, Synagoge, Kita's, Schulen etc. an. Woher kommen denn die Mittel. Das ist nur ein Beispiel, welche (leeren) Versprechungen hier gemacht werden. Nach der Wahl wird man sagen: Eine schöne Idee, aber nicht zu finanzieren. Es lassen sich Vergleiche mit dem Helenenbad herstellen. Was wurde da vor der letzten Kommunalwahl alles versprochen - jetzt hört man nichts mehr davon.
Und was wird nach der OB-Wahl mit dem großen Bündnis? Im Jahr 2014 sind Kommunalwahlen - also ist es spätesten 2013 mit dem Bündnis vorbei. Und der OB - egal wer - ist wieder auf sich allein gestellt.
Kandidat Herr Deinege
Von Rolf Domke am 03.04.2012 - 08:33Uhr
Liebe(r) Anonym,
zunächst sei festgestellt, dass die Informationen der diversen Anmerker zur politischen Vergangenheit des Herrn Deinege sehr wohl Sachinformationen sind, belegbar und beweisbar.
Es fällt doch auch der interessierten Wählerschaft auf, dass ein Herr Bandmann, der bekanntlicher Weise Ausschlag bekommt, wird er mit ehemaligen SED Kadern zu tun hat, nun plötzlich schmusend auf dem Schoß von Herrn Deinege sitzt.
Welch seltsame Wandlung?! Warum wird so viel über Herrn Deineges Familienleben geschrieben, doch wohl um abzulenken, warum ist in der veröffentlichten Vita des Herrn Deinege nichts über seine sehr aktive und erfolgreiche SED-Parteiarbeit und Karriere benannt, wenn auch nur als ehrliche Tatsachenfeststellung, warum wird er als erfolgreicher Manager so hochgelobt, wo doch diese Ansicht in der Geschäftsleitung von Bombardier offensichtlich nicht geteilt wird?
Und: Warum wird kritischen Fragen an Herrn Deinege mit einem Rausschmiß aus der Veranstaltung begegnet und nicht mit sachorientierten Antworten?
Hier sehe ich keine sachorientierte Wahlkampfauseinandersetzung. Hier sehe ich nur, dass das Wahlvolk mal wieder für dumm verkauft werden soll.
Zeit der DDR ist längst vorbei
Von Anonym am 02.04.2012 - 19:04Uhr
Ich finde es höchst bedenklich, wie sich auf dieser Internetseite in diversen Kommentaren zu den Artikeln geäußert wird.
So ist hier zum Beispiel die Rede von einer "sachlichen Argumentation". Nur vermisse ich diese gerade in dieser Diskussion. Es gibt doch in mehreren Artikeln Passagen oder Äußerungen die ich für mehr als unangebracht halte.
Warum wird oft nur in der Vergangenheit (in diesem Falle der DDR Zeit) gewühlt und versucht einem der Oberbürgermeisterkandidaten irgendwas anzuhängen? Sollte man in diesem Falle dann nicht vielleicht lieber die positiven Eigenschaften des anderen Kandidaten hervorheben oder gibt es da etwa keine? Oder sind diese nicht erwähnenswert? Ich glaube nicht, dass jemand Bürgermeister wird, nur weil man versucht, den Herausforderer noch vor der Wahl „totzuschreiben“. Nur zu ihrer Information: die Zeit der DDR ist längst vorbei und vielleicht sollte man sich einfach mal in die Gegenwart begeben.
Sicher wird, wie ein Vorredner schon vermutet hat, die „mediale Präsenz die Wahl entscheiden“. Nur haben beide Kandidaten die gleichen Voraussetzungen. Entscheidend wird also sein, was sie daraus machen.
Verrat an der friedlichen Revolution
Von Helmut am 02.04.2012 - 11:43Uhr
Wenn CDU und Bündnis90/Die Grünen ein ehemaliges SED-Mitglied, das nicht nur einfacher Mitläufer war, sondern als Parteisekretär politische Verantwortung übernommen hat, und sich auch noch als Kampfgruppenmitglied verdient gemacht hat, heute als Oberbürgermeisterkandidaten unterstützen, dann ist das Verrat an der friedlichen Revolution von 1989.
Soll es denn wirklich sein, dass ein Vertreter der SED, der Partei, die das historische Görlitz, hätte man sie nur noch einige Jahre an der Macht gelassen, in seiner Substanz vernichtet hätte, jetzt Görlitzer Stadtoberhaupt sein soll?
Den Wandel "vom Saulus zum Paulus" kaufe ich Herrn Deinege nicht ab. Hier geht es nur darum, einen unbequemen Oberbürgermeister loszuwerden, um das Machtgefüge seiner Gönner zu sichern und für ihn persönlich um ein eigentlich angesehenes Amt - dafür wird der Mantel in den Wind gehängt.
Danke - und ein Schiller-Zitat
Von Daniel K. am 31.03.2012 - 09:09Uhr
Werte Kommentareschreiber,
in Anbetracht der verzwickten Situation der Görlitzer Stadtpolitik empfinde ich es als sehr hilfreich, einem solchen öffentlichen Gedankenaustausch folgen zu können. Argument und Gegenargument versetzen den geneigten Leser zumindest ansatzweise in die Lage, sich ein differenziertes eigenes Bild der Situation zu machen. Auch die Länge der Kommentare empfinde ich nicht als störend. Das Thema ist nun mal komplex.
Danke auf diesem Wege für die Sachlichkeit der Argumentation und dem Görlitzer Anzeiger für die Plattform. Meine Sorge ist allerdings, dass sich nur wenige aus dem "Wahlvolk" diese Differenzierung "antun". Wahlentscheidend wird wahrscheinlich mal wieder die mediale Präsenz der Kandidaten sein. Und da reichen dann offensichtlich markige Sprüche wie "Mehr Zug drin" um dem von der Schwerindustrie gefühlt abhängigen Görlitzer (wenn wir den Waggonbau nicht hätten) in die gewünschte Richtung zu bekommen.
Da fällt mir Schillers Zitat ein: "Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn. Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Der Staat muß untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."
Lassen wir uns überraschen wie sehr dieses Zitat auf die Görlitzer zutrifft oder auch nicht.
Antworten an Dr. Gleißner
Von Görzelec am 30.03.2012 - 10:02Uhr
Sehr geehrter Herr Dr. Gleißner,
danke für die Antwort. Man bekommt beim Lesen der einzelnen Punkte Lust, sich weiter in die Stadtpolitik einzuklinken. Muss ich mal für mich drüber nachdenken.
Ihre telefonische Quelle in allen Ehren - aber das ist mir dann doch als verlässliche Aussage ein bisschen zu vage. Nichts für ungut.
Da Sie den gestrigen Artikel von Herrn Seibel ansprechen: fand ich nicht sonderlich "tendenziös". Las sich in meinen Augen eher wie eine Zustandsbeschreibung. Wie schon gesagt, zerrissenes Tischtuch.
Zu Ihren interessanten Antworten hinsichtlich meiner fünf konkreten Kritikpunkte nur sehr kurz zwei Einwürfe:
- Wächterhäuser: Das mit den Fachleuten ist leider so eine Sache. Denen fehlt über ihr Gebiet hinaus gerne mal der weitere Blick. So habe ich vom in Görlitz zuständigen Mitarbeiter zu dem ganzen Komplex noch sehr gut folgende Aussage im Ohr: "Das deutsche Planungsrecht sieht den Terminus Zwischennutzung nicht vor." Mit Verlaub - da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Städte wie Berlin, Leipzig, Halle/Saale und Chemnitz bestreiten über Zwischennutzungen einen erheblichen Teil ihres Kulturbetriebes, vor allem im für Touristen interessanten Off-Bereich. Ich selbst habe bereits eine mit Landesmitteln finanzierte Ausstellung in einer Zwischennutzung mitorganisiert - inclusive Begehung durch Bauamt und Feuerwehr. Mit etwas gutem Willen auf allen Seiten ist da viel möglich. Das Problem in Görlitz scheint mir zu sein, dass man sich bisher einfach nicht genug mit der Frage beschäftigt, wie man mit dem großen Leerstand jenseits des Wartens auf Investoren von außen umgeht. Das wäre doch mal ein schönes Zukunftsprojekt, oder?
- NPD-Plakate: Mir ging es weniger um die extrem dummen Wahlplakate besagter Partei. Die disqualifizieren sich schon bei kurzer Nutzung seines Verstandes eh von selbst. Verbote brauche ich da eher nicht. Man kann schließlich einem erwachsenen Menschen nicht untersagen, sich öffentlich der Lächerlichkeit preiszugeben. Meine Bauchschmerzen beziehen sich mehr auf das Hickhack um das Gegenplakat und die auch in diesem Zusammenhang mal wieder verteilten Maulkörbe.
Generell zu Ihrer Ausführung zu Herrn Paulick: dass er ein umgänglicher Mensch sein kann und das bei Stadtfesten etc. immer wieder zeigt, bestreite ich gar nicht. Habe ich selbst auch schon erlebt und finde ich sympathisch. Mein Problem ist eher der Eindruck, dass immer wieder die Situation eines "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich" eintritt. Die Stadt wirkt mitunter wie in zwei Hemisphären geteilt. Projekte von der "Gegenseite" werden grundsätzlich angegriffen und von vornherein unter Hochspannung gesetzt. Wer einmal in einer Frage als Gegner wahrgenommen wurde, scheint für immer auf der Seite "des Feindes" verortet zu bleiben. Usw. Mag ja sein, dass die Görlitzer in Fragen der Lokalpolititk ein besonders zänkischer Haufen sind. Aber wäre in so einem Punkt nicht neben dem "Entscheider" auch der "Moderierer" gefragt? Entscheiden kann Herr Paulick sehr gut. Mit dem Moderieren hapert es in meinen Augen ziemlich. Manchmal vermittelt er auf mich den Eindruck eines Gejagten, der permanent auf den nächsten Dolchstoss wartet. Natürlich gehören zur Entstehung so einer Situation immer zwei. Nur irgendwie habe ich die fatale Vermutung, dass da unterdessen eine Dünnhäutigkeit vorliegt, die niemandem mehr so recht weiterhilft. In der Politik gibt es aber neben Freunden immer auch Kontrahenten. Sonst bräuchte man die Politik ja nicht. Und sicher auch ein paar Feinde. Manchmal beschleicht mich der Eindruck, es gibt im Moment in Görlitz gar keine Kontrahenten mehr. Sondern nur noch Freund und Feind. Und auch wenn Sie mir da sicherlich widersprechen: Herr Paulick ist an diesem Zustand meiner Meinung nach alles andere als schuldlos.
Abschließend noch zur Frage "Blöße vor der Presse" und "Gnade von Journalisten" nur ganz kurz und sehr hart:
Wenn die Situation an diesem Punkt angelangt ist - dann hat die Presseabteilung des Rathauses über Jahre schlecht gearbeitet. Ist natürlich in Görlitz aus bekannten Gründen auch wieder ein Politikum, so etwas zu sagen. Aber wenn der OB einer Stadt überhaupt keinen Draht mehr zur lokalen Journaille findet: dann sollte er nicht darauf hoffen, dass sich diese Journaille irgendwie von selbst auflöst. Sondern dann sollte die Öffentlichkeitsarbeit des Rathauses mal ernsthaft auf den Prüfstand.
Viele Grüße,
Görzelec
Antwort an Görzelec
Von Dr. med. Peter Gleißner am 29.03.2012 - 15:02Uhr
Verehrter Görzelec,
Ihre Furcht ist unbegründet. Sie nennen zahlreiche Themengebiete, über die zu sprechen lohnend ist.
Zuvor aber: Meine Behauptung, auf die Sie nicht eingehen, Herr Deinege sei nicht der große Macher, sondern ein trauriger Versager - traurig für Görlitzer Bürger -, ist mir gerade in einem Telefonat von Insidern bestätigt worden: Inzwischen ist Bombardier so übel dran, dass Händler Material nur noch bei Barzahlung an das Werk liefern.
Waren Sie gestern auf dem „Frühlingsfest“? Haben Sie dort diese traurigen "Visionen" gehört, die Herr Deinege verwirklichen will? Entweder die Projekte laufen längst an (z.B. Berzdorfer See, Kitas, „gute“ Schulen, Stadion der Freundschaft) oder es geht ans Geldausgeben - woher das kommen soll, wurde nicht gesagt. Sie wissen sicher auch, dass diese versprochenen Stadtteil-Büros, wenn sie überhaupt entstehen, nur kurz existieren werden. Denn im Rathaus gibt es genug Ansprechpartner, die keine zusätzlichen Kosten verursachen.
Dadurch werden Herrn Deinege von seinen Förderern die ersten Nasenringe angelegt, an denen sie ihn später durch den Stadtrat ziehen werden. Es wundert mich sehr, dass ein weltbedeutender Macher so unvorbereitet und blauäugig in eine Wahlrede geht. Oder sich hineinschubsen lässt? Das bestätigt aber, dass er nach dem Ende seines Arbeitsvertrages bei Bombardier nicht weiß, wohin.
Dr. Weidle und Herr Ursu hätten die Pflicht gehabt, ihren Kandidaten darauf hinzuweisen, dass das beabsichtigte Jugendzentrum Kosten von über einigen Millionen Euro verursachen wird, Geld, das nicht vorhanden ist. Also, alles nur Wahlgeplänkel?
Solche Wahlversprechen sind für jeden Nachdenkenden Wahllügen. Das harte Wort gebrauche ich, weil ich bei Herrn Deinege genügend Verstand vermute, dass er weiß, dass seine Wahlversprechen nicht umsonst zu verwirklichen sind. Und diesen Widerspruch scheinen doch auch viele Görlitzer verspürt zu haben, denn der Applaus der Bürger war für eine Wahlveranstaltung erstaunlich mäßig.
Die Presse in Görlitz ist ein trauriger Sonderfall. Presse, da stimme ich Ihnen zu, soll kritisch kommentieren und, wenn der Verstand reicht, geistreich weiterhelfen. Beides gibt es in Görlitz eher selten. Hier berichtet allen voran die SZ parteiisch und unvollständig. So ist der Seibel-Artikel samt der mit abgedruckten Bilder über den OB ein tendenziöses Machwerk. Und in der Aufhellung der Person Deinege versagt Herr Beutler samt seinen Journalisten vollständig. Das ist reine Jubel-Berichterstattung ohne wirklichen Informationswert.
Zu Ihren Vorwürfen und die kommen ja nicht von Ihnen allein. Es ist merkwürdig, dass einer Person, die so gern auf Menschen zu geht, keine Vereinsversammlung auslässt und selbst seinen Geburtstag „in der Menge“ feuchtfröhlich feiert, nachgesagt wird, sie lebe in einer Wagenburg und scheue den Kontakt zu Kontrahenten.
Prüfen Sie meine Erklärung: Wer so oft unfair angegriffen wird, wer regelmäßig so einseitig-tendenziös in der Presse dargestellt wird, dem auf jeden Weg zahlreiche verborgene Fußangeln gelegt werden, der überlebt nur, wenn er auch nicht die geringste Blöße zeigt. Er kann auf keine Gnade bei Journalisten hoffen.
Bitte verzeihen auch Sie meine Langatmigkeit. Ihre weiteren Themen darf ich aber wenigstens kurz anreißen - mit Erlaubnis des Görlitzer Anzeigers.
1. Jugendpolitik
Verkürzt: Die Stadt unterstützt vier Jugendvereine außerhalb ihrer Pflicht, denn Jugendarbeit ist Aufgabe des Landrates. Ich mache das so kurz, weil ich Ihrer Meinung bin, dieses Thema muss weiter öffentlich behandelt werden.
2. Synagogenverein
Ich bin selbst Mitglied des Synagogenvereins. Ich habe versucht, zu verhindern, dass sich der Verein - durch falsche Versprechungen Dr. Weidles - ins Abseits beförderte. Nach den Wahlen wird es neue Versuche geben. Ist Ihnen bekannt, daß der OB zur jüdischen Gemeinde und ihrem Vorsitzenden in Dresden einen guten Kontakt hat?
3. Wächterhausinitiative
Hier ist nicht „guter Wille“ nötig, sondern juristische und sachliche Kompetenz. Wenn Gefahren für Menschen und Gebäude davon ausgehen, dann muss die Behörde handeln. Nur Fordern genügt nicht. Meines Erachtens ein Thema für Fachleute.
4. Wahlplakate
Hier fallen Sie auf die tendenziöse Berichterstattung der SZ herein. Hätte der OB Plakate abgehängt oder verändert, hätte die NPD erfolgreich eine Wahlwiederholung verlangen können. Das Hickhack um das grundsätzliche NPD-Parteiverbot zeigt doch deutlich, was „Formfehler“ bewirken können. Hätte Ihnen das gefallen?
5. Salzkristalle
Auch hier hat die SZ nicht vollständig berichtet, dass unsere Nachbarstadt dadurch dem Unternehmen ein Ende bereitet hat, dass eine vom Künstler geforderte Mitarbeit abgelehnt wurde. Das endgültige Aus kam vom Stadtrat.
Wir können uns sicherlich darauf einigen, dass viel mehr Transparenz in der Politik in Görlitz nötig ist. Aber das ist ein neues Thema.
Ihnen freundliche Grüße!
Ihr Gleißner
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- Quelle: Fritz Rudolph Stänker
- Erstellt am 28.03.2012 - 09:22Uhr | Zuletzt geändert am 30.03.2012 - 08:16Uhr
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