Weißer Rauch über dem Görlitzer Rathaus
Görlitz, 17. Juni 2019. Von Thomas Beier. Dass es geschehen würde, war sicher: Gestern entschied sich das Görlitzer Wahlvolk für einen neuen Oberbürgermeister. Im Rennen waren noch CDU-Mann Octavian Ursu und Sebastian Wippel von der AfD. Bei 56 Prozent Wahlbeteiligung entschied Ursu die Endrunde mit 55,2 Prozent für sich. Damit ist die Strategie der beiden weiteren Kandidatinnen im ersten Wahlgang, die nicht erneut antraten, Franziska Schubert von den Bündnisgrünen und Jana Lübeck von der Linkspartei, einen AfD-Oberbürgermeister zu verhindern, aufgegangen.
Abbildung: Octavian Ursu, der frisch gewählte Oberbürgermeister von Görlitz
Zu danken ist denen, die gegen ihre Grundüberzeugungen gestimmt haben
Thema: Oberbürgermeisterwahl Görlitz

Am 26. Mai 2019 wird in Görlitz im ersten Wahlgang über einen neuen Oberbürgermeister resp. eine neue Oberbürgermeisterin abgestimmt. Amtsinhaber Siegfried Deinege tritt nicht noch einmal an.
- Glückwunsch und Wunsch nach Veränderung [17.06.2019]
- Ursu dankt seinen Wählern [17.06.2019]
- Der Vergleich: Thesen der Görlitzer Oberbürgermeisterkandidaten [15.06.2019]
Die Nachrichten zum Ursu-Sieg bedürfen der tieferen Beleuchtung. So ist auf der Website des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zu lesen "Görlitz bleibt in CDU-Hand". Nanu. Der scheidende Oberbürgermeister Siegfried Deinege war ja alles mögliche, aber nie CDU-Mitglied gewesen, allenfalls zur Wahl angetreten mit einem CDU-Ticket. Hat der MDR einen übereifrigen Schnellschuss abgegeben oder – wie man sogar bei journalistischen Qualitätsmedien im Online-Bereich immer wieder erlebt – den Praktikanten in Eigenverantwortung rangelassen? Davon abgesehen ist Görlitz in überhaupt keiner Hand, sondern die Bürger entscheiden per frei gewähltem Stadtrat.
Ein der Realität nicht ganz folgendes Statement hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kamp-Karrenbauer – sofern es nicht ein nicht ganz so begabter Ghostwriter, was zu vermuten ist, weil man AKK nicht unterstellen kann, einen Hashtag zu kennen, verbockt hat – auf facebook abgeliefert: "Octavian Ursu und die Die Sächsische Union zeigen in #Goerlitz: Die CDU ist die bürgerliche Kraft gegen die AfD. Herzlichen Glückwunsch an den neuen Oberbürgermeister von Görlitz! Herzlichen Dank an all unsere Kandidatinnen und Kandidaten in den heutigen Stichwahlen für ihren Einsatz. In Görlitz und überall sonst geht die Arbeit jetzt erst richtig los: Wir wollen gemeinsam noch mehr Menschen durch gute Politik überzeugen." Urks und Quatsch mit Soße: Wenn allein die CDU die bürgerliche Kraft gegen die AfD wäre, wäre die Energiewende obsolet, denn wir könnten das Licht der Demokratie, wie sie die "Altparteien" verstehen, ausmachen. Richtig ist vielmehr, dass Ursu (und damit die CDU) gestern die Stimmenmehrheit erreicht hat, weil sich das denkbar breiteste Bündnis hinter ihn gestellt hat, um ein AfD-Stadtoberhaupt und damit einen Triumphzug des Ungeistes zur verhindern. Diesen Leuten, die im demokratischen Sinne, teils zu Lasten ihrer Grundüberzeugungen, gehandelt und abgestimmt haben, ist zu danken.
Sebastian Wippel muss man zubilligen, dass er den intensivsten, über weite Strecken auch cleversten Wahlkampf geführt hat. Ein Vollblutpolitiker, der offenbar nur deshalb nicht gewählt wurde, weil er in den Augen der Mehrheit der Wähler der falschen Partei dient.
Die kommenden Jahre werden für Görlitz spannend. Man wird den äußersten Osten Deutschlands nicht mit Geldspritzen ruhig halten können. Hier steht eine Generationenaufgabe an, von der die zugunsten von Ursu zurückgetretene Oberbürgermeisterkandidatin Franziska Schubert, studierte Wirtschafts- und Sozialgeographin, wohl die klarsten Vorstellungen hat. Sie hatte in der ersten Runde des Görlitzer Oberbürgermeister-Wahlkampfes enormen Zuspruch erfahren, weil sie auf ihr ganz persönliches Profil setzte, das neben der regionalen Herkunft in der Oberlausitz eher beim ostdeutschen Bündnis 90 verortet ist als bei Westgrünen wie Dr. Anton Hofreiter und Claudia Roth, die in ihrer persönlichen Inszenierung der Ossi-Seele ziemlich fremd und hier geeignet sind, antigrüne Vorurteile anzuheizen.
Dabei ist es doch völlig parteiunabhängig: Wem die Zukunft seiner Kinder und Enkel am Herzen liegt, der denkt zwangsläufig nach über gesunde (nicht mit Krankheitsrisiken behaftete) Lebensmittel, über Artenvielfalt und über möglichst wenige die Atemluft beeinträchtigende Gase und andere Schadstoffe. Plastik im den Ozeanen bis zur Nahrungskette und unnötige Produkte aus erdölbasierten Kunststoffen beschäftigen immer mehr Menschen. Die Ausrichtung unserer Lebensweise an Ökologie und Tierwohl beschäftigt mittlerweile so viele Menschen, dass es keiner Partei mehr entgehen kann.
Für Ursu fallen erst einmal die Strapazen des Wahlkampfes ab, er sagte: "Herzlichen Dank an alle Görlitzerinnen und Görlitzer, die mir Ihr Vertrauen geschenkt und Ihre Stimme gegeben haben." Nach einer langen und herausfordernden Zeit des Wahlkampfes sei es nun wichtig, intensiv miteinander ins Gespräch zu kommen und Vertrauen aufzubauen: "Ich rufe hiermit alle Bürgerinnen und Bürger auf, aufeinander zuzugehen und aktiv am gesellschaftlichen Zusammenhalt zu arbeiten. Um wichtige Projekte für unsere Stadt voranzubringen, brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Daran werde ich arbeiten."
Ursu weiter: "Die vergangenen Wochen haben deutlich gezeigt, dass sich viele Menschen Gedanken um die Entwicklung unserer Heimatstadt machen und sich einbringen möchten. Dazu sind Sie alle herzlich eingeladen. Ich möchte Oberbürgermeister aller Görlitzerinnen und Görlitzer sein und unsere Stadt mit Ihnen gemeinsam voranbringen. Unsere familienfreundliche, weltoffene Europastadt Görlitz/Zgorzelec soll sich als Lebens-, Wirtschafts- und Bildungsstandort weiterentwickeln und erfolgreich wachsen."



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- Quelle: Thomas Beier | Foto: PR
- Erstellt am 17.06.2019 - 00:08Uhr | Zuletzt geändert am 17.06.2019 - 08:11Uhr
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