Unfreiheit - dokumentiert
Schwarzenberg/Erzgebirge. "woanders" ist das Stichwort, unter dem der Görlitzer Anzeiger gelegentlich zeigt, wie in der Erzgebirgsstadt Schwarzenberg Kultur gemacht wird - Kultur, wie sie anderenorts von diversen eigens dafür eingerichteten verwaltungsnahen Kulturgesellschaften und anderen Fördermittelabgreifern längst plattgewalzt oder schon im Keim erstickt wurde. Diesmal geht es um eine politische Ausstellung des Schwarzenberger Künstlers Jörg Beier, der erste Kontakte nach Görlitz durch den Besuch von Dr. Albrecht Goetze, Begründer des Meeting Point Music Messiaen in Görlitz und Zgorzelec, in seiner Galerie "Silberstein" in Schwarzenberg und mit seiner Installation "Jüdische Spurensuche" in der Görlitzer Synagoge gefunden hatte.
Einmalige Dokumentation einer politischen Gefangenschaft in der DDR
Jörg Beier hat etwas, was in der DDR-Geschichte einmalig sein dürfte: Aus seiner Zeit als politisch Inhaftierter (anderthalb Jahre, Untersuchungshaft auf dem Karl-Marx-Städter Kaßberg, dann Zuchthaus Cottbus) liegen - durch Zufall, glückliche Umstände, Mut - der vollständige Briefwechsel samt der von den Vollzugsbeamten zurückgehaltenen Post und die Anklageschrift vor. Merke: Anklageschriften wurden im Unrechtsstaat verlesen, aber nicht ausgehändigt.
Entstanden ist eine Dokumentation des Unrechts, die allen, die meinen, es sei doch "nicht so schlimm" und "nicht alles schlecht" gewesen, die Ex-SED-Funktionäre auf Pöstchen und Posten hieven, die Schamröte ins Gesicht treiben muss. Die Anklageschrift dokumentiert, auf welcher Grundlage der DDR-Staat am einzelnen Bürger abschreckende Exempel statutierte: Ein auslegbarer Spruch, der Kauf eines Buches von Sartre im Volksbuchhandel, vorauseilende Denunzianten - ausreichend als Fundament für eine Verurteilung. Und wie feige dieser Staat war: Vom tagelangen Verschwinden lassen Beiers via Volkspolizei-Kreisamt bis hin zu den Konsequenzen im familären Umfeld.
Über Jahre hat Jörg Beier zusammengetragen, aufbereitet und schließlich sogar seine Knastzelle nachgebaut - nicht, um die Vergangenheit sentimental zu bewahren, da ist der Schlussstrich drunter, wo Schluss ist. Beier unterscheidet genau zwischen jenen, die ehrlichen Herzens waren, und jenen, die er die "Idioten" nennt, die aus Karrieregeilheit, Gier, Engstirnigkeit oder eben schierer Dummheit zu willfährigen Helfern des DDR-Systems wurden. Ihm geht es um die Gestaltung der Gesellschaft, in der wir leben, und auch darum, dass es stets Alternativen gibt.
"Herrscht der Haifisch im Meer, gibt es einen sicheren Test, Staatsverbrecher ist der, der sich nicht fressen lässt!" Die Weiterverbreitung dieses Spruches eines Polen war einer der Hauptanklagepunkte. Er gilt noch immer.
Ermöglicht wurde die Ausstellung als durch die Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung des SED-Unrechts gefördertes Projekt, das außerdem örtliche Unterstützung durch die Erzgebirgssparkasse, das Landratsamt Erzgebirgskreis und die Stadtverwaltung Schwarzenberg erfahren hat.
Prädikat: Unbedingt hingehen!
"Die Gedanken sind frei - Briefe durch die Gitter"
Jörg Beier - Gefangen in der DDR
Ausstellung in der Galerie Silberstein
Obere Schloßstraße 5, 08340 Schwarzenberg/Erzgebirge
9. Februar bis 29. März 2013
Vernissage!
Sonnabend, 9. Februar 2013, 16 Uhr
Mehr:
http://www.freie-republik-schwarzenberg.de
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- Quelle: TEB | Grafik: Jörg Beier
- Erstellt am 06.01.2013 - 01:07Uhr | Zuletzt geändert am 20.07.2014 - 08:41Uhr
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