"Sacre" im Stadthallengarten Görlitz
Görlitz, 23. Juni 2017. Ach was, man muss nicht alles ins Deutsche übersetzen, auch nicht den Titel der von der Tanzcompany des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz gemeinsam mit der Neuen Lausitzer Philharmonie in Szene gesetzten Tanzproduktion "Sacre". Warum allerdings das italienische "sacre" (heilig) nur bedingt zum Zuge kommt, die Übersetzung aus dem Französischen mit "Krönung" zwar schlüssig, aber auch nicht ganz richtig ist, das erklärt sich auch aus der Entstehung des Stücks.
Abbildungen: die Tanzcompany des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau bei einer Probe zu "Sacre". Fotos: Paweł Sosnowksi
Doppeltanzabend von Dan Pelleg und Marko E. Weigert
Thema: Stadthalle Görlitz
Die Stadthalle Görlitz wurde 1910 als Veranstaltungsort des Schlesischen Musikfestes eröffnet. Hoher Sanierungsbedarf und die ungenügende Selbstfinanzierung führten im Jahr 2005 zur Einstellung des Betriebs und zu Verkaufsbestrebungen seitens der Stadt Görlitz. Die Ende Januar 2010 vom Stadtrat beschlossene Sanierung wurde, ohne dass Arbeiten am Gebäude begonnen hätten, im Oktober 2012 gestoppt, weil Fristen für Fördermittel zu kurz waren. Erst 2018 stellten Bund und Land Geld für eine über die Sicherung hinausgehende Sanierung bereit. Eine große Herausforderung stellen die Betriebskosten für die Stadthalle Görlitz dar.
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Mit "Sacre" erarbeiteten nämlich die beiden Leiter der Görlitzer Tanzcompany, Dan Pelleg und Marko E. Weigert, zum ersten Mal eine Neuproduktion eigens für das Görlitzer Sommertheater: Der schon oft vertanzte Ballettklassiker "Le Sacre du Printemps" mit der Musik von Igor Strawinsky aus dem Jahre 1913 wird dabei verknüpft mit Luciano Berios vielleicht berühmtester Ricomposizione "Rendering" nach Vorlagen und Motiven von Franz Schubert. Letzteres entstand als reine Instrumentalkomposition und wurde bislang im Gegensatz zum Strawinsky-Klassiker noch nicht oft vertanzt.
"Le Sacre du Printemps" ist in Deutschland bekannt als "Das Frühlingsopfer". Wie immer man auch versuchen mag, den Werktitel zu übersetzen, als Weihe, Krönung oder via sacré sacrifice als heiliges Opfer, stets geht es um die Erhöhung des Frühlings. Auch andere Sprachen tun sich mit der Bezeichnung des Werkes schwer: Im Russischen ersetzte Strawinsky den Arbeitstitel "Das große Opfer" durch "Весна, свястченная" (Frühling, der heilige), im Englischen ist es als "The Crowning of Spring" (Die Krönung des Frühlings), "Innocence of Spring" (Die Unschuld des Frühlings) und "The Rite of Spring" Die Frühlingszeremonie) bekannt. Wer sich nun fürderhin für derlei Übersetzungen, aber vor allem für die Gesten des Opfers in der Kunst interessiert, dem sei "Unter dem Blick des Fremden – Theaterarbeit nach Laurent Chétouane" von Nikolaus Müller-Schöll und Leonie Otto (Herausgeber) ab Seite 83 empfohlen, erschienen im transcript Verlag, Bielefeld, Print-ISBN 978-3-8376-2913-2. PDF-ISBN 978-3-8394-2913-6.
Zurück in den lauschig-beschaulichen Görlitzer Stadthallengarten: Zu erleben ist hier die Neue Lausitzer Philharmonie unter der Leitung von Judith Kubitz. Die gebürtige Bautznerin schilderte, was sie am Stadthallengartenopenair so sehr reizt: "Das ist zunächst die Musik von Igor Strawinsky. Das Stück galt wegen seines Schwierigkeitsgrades lange Zeit als unspielbar. Mittlerweile gehört es zum erweiterten Konzertrepertoire. Es bereitet mir intellektuellen Genuss, die für die damalige Zeit neuartigen Klangfarben und Effekte zu erschließen und die rhythmischen Eigenwilligkeiten quasi mathematisch zu analysieren. Schuberts hinterlassene Fragmente waren ja zunächst auch nicht aufzuführen. Erst die verbindende Musik von Berio ermöglicht uns die Annäherung an die von Schubert in Skizzen überlieferte Musik, die vielleicht mal eine 10. Sinfonie geworden wäre. Die Interpretation soll darüber hinaus noch die dramaturgische Idee der Choreografie tragen."
Damit dürfen sich Görlitz und seine Gäste auf eine gehörige Portion Hochkultur unter freiem Himmel freuen.
Prädikat: Unbedingt hingehen!
Sonnabend, 24. Juni 2017, 20 Uhr,
Stadthallengarten Görlitz.
Weitere Aufführungstermine:
Neben der Premiere sind jeweils mit Beginn um 20 Uhr Aufführungen am 7., 8. und 9. Juli angesetzt. Die Vorstellung am 9. Juli wird dirigiert von Ulrich Kern, dem stellvertretenden Generalmusikdirektor des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau.
Besetzung:
- Konzept, Inszenierung, Choreographie: Dan Pelleg, Marko E. Weigert
- Choreographische Mitarbeit: Tanzcompany
- Musikalische Leitung: Judith Kubitz, am 9. Juli 2017 Ulrich Kern
- Ausstattung: Nicola Minssen
- Dramaturgie: Ivo Zöllner
- Inspizienz: Ewa Zacharczyk-Kowal
- Musikalische Probenassistenz: Ewa Zacharczyk-Kowal
Es tanzen:
- Natalie Wagner
- Seth Buckley
- Alma Michold
- Dariusz Nowak
- MengTing Liu
- Jeremy Detscher
- Carlos Perez Gonzalez
- Amit Preismann
- Martin Schultz Kristensen
- Eliza Kindziuk
- Oliver Plačko
- Dan Pelleg
Geräuschquellen:
- Neue Lausitzer Philharmonie
- Stimme vom Band (Renderring): Marc Schützenhofer
Ergänzend wird seitens der Kulturredaktion des Görlitzer Anzeigers das Publikum gebeten, Geräuschabsonderungen während der Aufführung möglichst zu unterdrücken.
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- Quelle: red | Fotos: Paweł Sosnowksi
- Erstellt am 23.06.2017 - 07:37Uhr | Zuletzt geändert am 23.06.2017 - 08:50Uhr
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