Historisches Görlitz digitalisiert - interaktiver Stadtrundgang
Görlitz-Zgorzelec | Cottbus / Chosebuz. Manche Arbeit kann nur gelingen, wenn sie mit Liebe und Enthusiasmus vorangetrieben wird. Auf das interaktive Computermodell des spätmittelalterlichen Görlitz, das der ehemalige Görlitzer Dr. Erwin Roth geschaffen hat, trifft das mit Sicherheit zu. Mit Hilfe des Programms wird auf dem PC ein interaktiver Stadtrundgang durch das sommerliche oder wahlweise das verschneite historische Görlitz möglich.
Mittelalterliches Stadtmarketing als Basis für Computermodell der Stadt
Das Abbild des mittelalterlichen Görlitz mit auf die Reise nehmen zu können, dieser Wunsch hat schon vor fast fünfhundert Jahren bei den Görlitzer Kaufleuten bestanden. Deshalb erhielt der Holzschnitzer Georg Scharffenbergk im Jahre 1565 von der Stadt den Auftrag, einen Bilderzyklus aus zwölf Birnenholzstöcken zu schnitzen, den man auf Messen entlang der Via Regia zur Repräsentation mitnehmen konnte. In den Jahren danach folgten dann daraus die bekannten Kupferstiche von 1575, 1650 und 1714. Die letzteren beiden zeigen die Stadt aus der Vogelperspektive.
Vermessungstechnisch auf neuem Stand
Dieses Material sowie weitere historische Stadtansichten, viel Fachliteratur und nicht zuletzt eigene Detailkenntnisse der Stadt nahm der ehemalige Görlitzer und Computergrafiker der Brandenburgischen Technischen Universität Dr. Erwin Roth als Grundlage für ein interaktives Computermodell der spätmittelalterlichen Stadt. Das Modell des heute in Cottbus lebenden Informatikers zeigt die über zwei Kilometer lange doppelte Görlitzer Stadtmauer mit ihren mehr als 30 Befestigungsbauwerken, alle Häuser, Straßen und Türme. "Es ist auch vermessungstechnisch und informatikseitig auf relativ neuem Stand", erklärt Dr. Roth.
Computer an der Grenze
Ein Ziel der zweijährigen Arbeit war unter anderem, den erforderlichen Aufwand, die Leistungsfähigkeit der Programmiersprache und die erforderliche Hardwarekapazität des Computers näher zu bestimmen. Als Ergebnis zeigte sich, dass der Aufwand mit noch immer einigen tausend Arbeitsstunden mindestens so hoch wie der des Holzschnitzers von 1565 ist. Ein handelsüblicher Computer mit etwa zwei Gigabyte Arbeitsspeicher wird vom Görlitzer Computermodell an die Kapazitätsgrenze getrieben, weshalb Abstriche bei der Vielfalt und Individualität der Fassaden gemacht werden mussten.
Das Programm besteht aus ca. 12.000 komplexen Programmzeilen. Die Objekte wurden nur aus Grundkörpern erzeugt. Flächenmodelle hätten mindestens den sechsfachen Aufwand bedeutet, dann jedoch die vollen Möglichkeiten der Farbgebung, der Lichtreflexion und der Baumaterialeigenschaften eröffnet. Modeme Programmiersprachen wie VRML und Java eröffnen diese Möglichkeiten. Allerdings hätte der Computer dann infolge der fast eintausend Objekte mit Zusatzressourcen ausgestattet werden müssen, wodurch die allgemeine Verwendbarkeit der virtuellen Stadt deutlich reduziert würde.
Studenten erhalten ganz nebenbei einen Eindruck von Görlitz
Obwohl wegen dieser technischen Zugeständnisse noch nicht alle Möglichkeiten der Programmiersprache genutzt wurden, entstand ein räumlicher Gesamteindruck, der die markanten Eigenheiten der Görlitzer Altstadt bereits gut zum Ausdruck bringt und in dieser Form nicht zu erwarten war. Da die Objekte nicht einfach "fotografiert" werden konnten, weil sie vielfach so längst nicht mehr existieren, mussten sie aufwendig programmiert und in das Modell eingefügt werden.
Angewendet wird das Modell zur studentischen Ausbildung nicht etwa, wie zu vermuten wäre, an der Hochschule Zittau/Görlitz, sondern an der Universltät Göttingen. "In Praktikas zur Computergrafik lernen die Studenten", so Dr. Roth, "auch gleich die liebenswerte Stadt etwas näher kennen."
Interaktiv durch die Stadt spazieren
Jeder Nutzer des Programms kann damit einen interaktiven Spaziergang durch die ganze Stadt Görlitz machen - und zwar wahlweise zur Sommer- oder zur Winterzeit. Die Stadt lässt sich aus jedem beliebigen Blickwinkel anschauen, auch die Nikolaivorstadt und das Gelände der Schützengilde am Stadtpark wurden inzwischen einbezogen. Da das Grundgerüst steht wäre es jetzt nicht mehr allzu aufwendig, dem Obermarkt beispielsweise das Aussehen zu geben, dass er um 1890 zur Kaiserzeit hatte, schätzt der Computergrafiker ein.
Wer sich die Bilder des digitalen Stadtmodells anschaut, entdeckt vielleicht das eine oder andere nicht mehr existierende Bauwerk. "Auf alle Fälle wird sich 'der Görlitzer' dabei vielleicht wieder einmal freuen, dass seine Heimatstadt zweifellos ein besonderes Juwel ist, das wie durch ein Wunder alle Kriege und Zerstörung danach in weiteren fünfhundert Jahren überlebt hat und das Gott sei Dank nicht nur als kleines Modell eines Görlitz-Fans", freut sich Dr. Roth, der in der Görlitzer Altstadt von 1948 bis 1970 aufgewachsen ist.
Anwendungen
Das Modell kann am Bildschirmbild betachtet oder auf große Leinwände projeziert werden und damit das entsprechende Ambiente für diverse Veranstaltungen bilden. Wer das digitale Stadtmodell für eine Präsentation der Stadt Görlitz nutzen möchte, ist willkommen.
Die Urheberrechte für das Programm, Ergebnis eines intensiven Hobbyarbeit, besitzt Dr. Roth. Er informiert Interessenten gern zu den Nutzungsmodalitäten.
Kontakt:
Anfragen bitte per eMail an redaktion(at)regional-magazin.de (at)=@, Stichwort: Görlitz digital.



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- Quelle: red | Bildschirmfotos: Dr. Erwin Roth | Korrektur der Erstveröffentlichung vom 15.03.2010 - 18:30 Uhr
- Erstellt am 15.03.2010 - 17:10Uhr | Zuletzt geändert am 16.03.2010 - 23:18Uhr
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