"Erfahrung DDR" doppelsinnig
Görlitz, 12. September 2016. Von Thomas Beier. "Erfahrung DDR" heißt ein Projekt des Kulturhistorischen Museums der Stadt Görlitz, das ohne jede Larmoyanz auskommen will. Das Mitmach-Projekt hat vielmehr den Anspruch widerzuspiegeln, woran sich die früheren "DDR"-Bürger erinnern (wollen) - und woran nicht. Begleitend gab es am gestrigen Tag des offenen Denkmals in Görlitz eine "DDR"-Fahrzeugschau. Dabei wurden weitere Leihgaben für die Mitte November 2016 beginnende "Erfahrung DDR" Ausstellung eingesammelt.
Nächstes Jahr Oldtimertreffen zum Tag des offenen Denkmals in Görlitz?
"Erfahrung DDR" ist dabei, jedenfalls gestern, durchaus doppelsinnig: Die unter der SED-Diktatur - die, wie sich im Rückspiegel zeigt, mancher gar nicht so empfunden hat? - gemachten Erfahrungen einerseits, andererseits die Tatsache, dass viele Leute auch im Realsozialismus mit eigenem Fahrzeug mobil waren.
Und wer wird da nicht sentimental, wenn es um das teils nach mehr als zehn Jahren Wartezeit erstande "heilix Blechle" resp. die "heilige Pappe" geht - wobei "Pappe" ein vom Klassenfeind lancierter Begriff sein muss, handelte es sich doch um einen Baumwollphenoplast-Schichtpressstoff. Unvergessen das Bild zweier aufeinanderprallender Trabis, bei denen die Karossierieteile senkrecht hoch in die Luft flogen!
Die "DDR" Fahrzeugkonstruktionen waren zum Zeitpunkt ihres Markteintritts durchaus "state of the art", leider verhinderte die damals noch SED genannte Linkspartei jedwede grundlegende Weiterentwicklung. Dabei lagen die Konzepte auf dem Tisch: Lange bevor Volkswagen die ersten Golfs und Passats herausbrachte, waren Autos dieser Bauart aus eigener Konstruktion als Nullserienmuster in der "DDR" unterwegs. Heute kann im Sächsischen Industriemuseum Chemnitz bestaunt werden, was die sich Kommunisten nennenden Realsozialisten alles verhindert haben.
Schon deshalb tut es gut, die Ingolstädter Autohersteller gelegentlich daran zu erinnern, dass ihre Wiege in Zwickau (Horch, lateinisch "Audi") steht - und die deutsche Autoindustrie maßgebliche Wurzeln in Böhmen hat. Ferdinand Porsche, der das erste Hybridfahrzeug der Welt, teils mit Allradantrieb, baute, stammt aus Maffersdorf (heute Vratislavice nad Nisou), inzwischen Stadtteil von Reichenberg (Liberec).
Weg von der Erinnerung, zurück zur Erfahrung mit der "DDR". Die Fahrzeugschau bot wiederum "DDR" Erfahrungsträgern die Gelegenheit, Devonotialien aus größtenteils der volkeigenen Produktion und Geschichten dazu für die Ausstellung auszuleihen. In der Bildergalerie ist beispielsweise die solide Kartonage zu sehen, in der sich ein Utraschall-Waschgerät verbirgt. "Das habe ich erst neulich zur Reinigung meiner Gardinen verwendt", betonte der Herr, der das Gerät mitbrachte. Die Produktion solcher effizienten Ultraschall-Waschgeräte fiel übrigens in Ungnade, als ruchbar wurde, dass man sie in der Badewanne hervorragend für Abtreibungen einsetzen konnte.
"Es ist erstaunlich, wie viele Ausstellungsstücke bereits abgegeben wurden", betonte Dr. Matthias Krick. Der Vorsitzende des Fördervereins Kulturstadt Görlitz-Zgorzelec GmbH e.V., Kooperationspartner des Kulturhistorischen Museums beim "DDR"-Erfahrungprojekt, freute sich, dass zur "DDR"-Oldtimerschau rund 25 Autos und Krafträder dabei waren: "Vielleicht gelingt es, zum nächsten Tag des offenen Denkmals eine noch umfassendere Oldtimer-Schau zu realisieren." Mit dabei sind dann bestimmt die Trabant Freunde Oberlausitz, die sich zusammen mit IFA Oldtimern vom 9. bis zum 11. September 2016 im Görlitzer Rosenhof getroffen hatten und anschließend noch eine Stippvisite bei "Erfahrung DDR" machten.
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 11.09.2016 - 19:59Uhr | Zuletzt geändert am 07.04.2021 - 14:15Uhr
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