Wiedergefundene "Entartete Kunst" in Görlitz

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Görlitz | Berlin, 1. Dezember 2015. Als bei archäologischen Grabungen im Sommer des Jahres 2010 vor dem Roten Rathaus in Berlin im Brandschutt eines Hauses, das im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, 16 Skulpturen aus Keramik, Bronze, Messing, Marmor und Steinguss entdeckt und geborgen wurden, kam das einer Sensation gleich: Handelte es sich doch, wie sich herausstellte, um Meisterwerke von Otto Baum, Otto Freundlich, Richard Haizmann, Karl Knappe, Marg Moll, Emy Roeder, Edwin Scharff und Naum Slutzky, die rund 75 Jahre lang als verschollen galten. Wie mehr als 21.000 andere Kunstwerke waren sie 1937 von den Nationalsozialisten als "entartet" aus über hundert deutschen Museen beschlagnahmt worden. Der größte Teil davon war zerstört oder an Kunsthändler - wie Hildebrand Gurlitt, bei dessen Sohn Cornelius 2012/13 die Sammlung des Vaters gefunden wurde - zum Verkauf weitergegeben worden. Umso größer war das Erstaunen und die Freude über den Fund.

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Entartet war nicht die Kunst, sondern die Regierung

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Aus einem Faltblatt zur Ausstellung in Görlitz.

Als "Entartete Kunst" bezeichneten das NS-Regime und seine Mitläufer alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit ihrem Kunstverständnis, das alles "Undeutsche" ausschloss, und dem an germanischem Heldentum und völkisch-deutscher Symbolhaftigkeit ausgerichteten, oft genug kitschig-kleinbürgerlichen Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren, so den Expressionismus, den Dadaismus, die Neue Sachlichkeit, den Surrealismus, den Kubismus und den Fauvismus. Lovis Corinth und Joachim Ringelnatz, Oskar Kokoschka, Otto Dix und Ernst Barlach, Karl Schmidt-Rottluff und Emild Nolde, Wassily Kandisnky und Paul Klee wie auch Käthe Kollwitz sind Beispiele berühmter Künstler, deren Werke von den Nationalsozialisten als "entartet" eingestuft wurden. Nicht genug - oft genug wurden die Künstler nicht nur verbal, sondern auch tätlich angegriffen, viele flohen aus Deutschland. Unzählig sind auch die nicht so bekannten Künstler, die verzweifelt versuchten, sich beispielsweise in die Naturmalerei zu flüchten, um ohne Verfolgung wirtschaftlich zu überleben, und jene, die in den Selbstmord getrieben wurden, inhaftiert und umgebracht wurden. Schicksale der Skulpturen erforscht Mit Hilfe der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin und mit Unterstützung des Landesdenkmalamtes Berlin haben Wissenschaftler des Museums für Vor- und Frühgeschichte und der Neuen Nationalgalerie von den Staatlichen Museen zu Berlin die Fundumstände und das Schicksal der Skulpturen erforscht und in einem Begleitband zusammengefasst. Die wiedergefundenen Figuren waren zwischen 1918 und dem Beginn der 30er Jahre geschaffen worden. Sie waren Teil der bedeutendsten deutschen Kunstsammlungen, wo sie jedoch nur für wenige Jahre ausgestellt waren, weil sie auf Geheiß der Nazis entfernt wurden. Die Kunstwerke zeigen deutliche Spuren des Brandes nach der Bombardierung 1944 und der jahrzehntelangen Verschüttung auf. So gibt ihr Zustand Zeugnis von einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte und dessen Folgen für Kunst und Kultur. Erstmals in Sachsen Wegen des großen öffentlichen Interesses während ihrer Ausstellung in Berlin entstand die Idee, die Ausstellung auch anderen Museen zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen des föderalen Programms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wandert die Ausstellung durch Deutschland. Mit ihrer Ausstellung in Görlitz ist sie nun erstmals in Sachsen zu sehen. Das Kulturhistorische Museum Görlitz zeigt die Leihgaben der Staatlichen Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte, in der Galerie der Moderne im Kaisertrutz. Ein kluges Konzept, ergeben sich doch aus diesem Kontext spannende Wechselbeziehungen zu zeitgleich in Görlitz und der Oberlausitz entstandenen Werken des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Ergänzend hat das Görlitzer Museum außerdem die Folgen der "Aktion Entartete Kunst" für die eigenen Sammlungen aufgearbeitet. Auf Befehl der Nazi-Regierung waren 1937 auch in den damaligen Städtischen Kunstsammlungen Werke von Johannes Wüsten, Fritz Neumann-Hegenberg, Dora Kohlisch und Willi Oltmanns beschlagnahmt worden. Historische Fotografien werden diese Kunstwerke während der Sonderausstellung sichtbar machen. Prädikat: Unbedingt hingehen! Sonntag, 6. Dezember 2015 bis Sonntag, 29. Mai 2016. Kaisertrutz, Platz des 17. Juni 1, 02826 Görlitz. Sonderausstellung: Der Berliner Skulpturenfund - 'Entartete Kunst' im Bombenschutt Vernissage am Sonnabend, 5. Dezember 2015, um 15 Uhr. Winter-Öffnungszeiten bis März 2016:




    • Dienstag bis Sonntag 10:00 bis 16:00 Uhr,

    • am 25. und 26. Dezember 2015 sowie am 1. Januar 2016 von 13 bis 16 Uhr.



Veranstaltungen: Zur Sonderausstellung bietet das Kulturhistorische Museum Görlitz im Begleitprogramm eine Reihe von Veranstaltungen an.



  • Dienstag, 5. Januar 2016, 15 Uhr: Lehrerfortbildung

  • Führungen an den Sonntagen am 14. Februar, 13. März, 17. April und 29. Mai 2016, jeweils um 15 Uhr.

  • Donnerstag, 3. März 2016, 15 Uhr: Kunstgespräch bei den "Musen am Nachmittag"


Weitere Veranstaltungen wie Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge sind in Vorbereitung. Informationen dazu kommen rechtzeitig. Kommentar: "Wir werden weiterhin auf die Straße gehen, für unser Land, unsere Kultur und vor allem für die Zukunft unserer Kinder." - Ein Zitat von 1932 oder von 2015? Es handelt sich um einen Auszug aus einem facebook-Kommentar eines sehr verstörten Bürgers vom heutigen Tage. Wer maßt sich das an, Deutschland für eine Außenseitergruppe als "unser" zu reklamieren? Was ist "unsere Kultur" aus der Sicht eines Verstörten? Die Bierleichen zum Oktoberfest? Die Randale rund um Fußballspiele? Die Orientierung suchenden verstörten Bürger an den Montagabenden? Pervers: "für die Zukunft unserer Kinder" - pass auf: meine Kinder sind NICHT Deine Kinder. Und ich möchte nicht, dass sie oder meine Enkel in einem Land groß werden, in dem Typen wie Du Macht ausüben. Was hier durchklingt, ist der bei Neonazis und Rassisten beliebte Satz der Fourteen Words: "Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern." Schon wieder wird der Anspruch, sich gegen "Fremde" und gegen "das Undeutsche" wehren zu müssen, laut - das ist die eigentliche Entartung der Kultur. Wer nicht will, dass sich die Geschichte des Nationalsozialismus, dieser kultur- und menschenfeindlichen Herrschaftsform, wiederholt, muss jetzt selbst laut werden, meint Ihr Fritz R. Stänker

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  • Quelle: red | Grafiken: Kulturhistorisches Museum Görlitz
  • Erstellt am 01.12.2015 - 21:21Uhr | Zuletzt geändert am 03.01.2025 - 16:47Uhr
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