Görlitz: Denkfabrik 1600
Görlitz, 6. Mai 2015. Think Tank, Denkfabrik - das sind keine Erfindungen der Neuzeit. Die neue Sonderausstellung des Kulturhistorischen Museums zu Görlitz (8. Mai bis 6. September 2015) titelt selbstbewusst "Denkfabrik 1600 - Das Görlitzer Gymnasium Augustum und das Görlitzer Geistesleben".
Abbildung: Putten (Ausschnitt), Ludwig August Pätz (1781),
nach einer Vorlage von François Boucher (Zeichnung)
und Gilles Demarteau (Druck),
Foto: Matthias Franke, © Kulturhistorisches Museum Görlitz.
Entsteht die Görlitzer Zeichenschule neu?
Die Ausstellung im Kaisertrutz Görlitz widmet sich der Gründung der "Schola Augusta" vor 450 Jahren. Im Jahr 1565 konnten - mit Zustimmung von Kaiser und Kirche zur Umnutzung des Gebäudes - Schüler und Lehrer der alten Lateinschule das aufgelöste Franziskanerkloster am Klosterplatz beziehen. Die Finanzierung der Bildungsstätte mutet aus heutiger Sicht innovativ an: Finanziell unterstützt wurde das neue Gymnasium ab 1567 mit jährlich 200 Gulden aus den kaiserlichen Biersteuer-Einnahmen.
Spiritus rector der Schule ist Georg Ottoman, ein Freund Philipp Melanchthons. Ottoman hatte als Lehrer an der Lateinschule unterrichtet, später wirkte er im Görlitzer Rat. Latein zu lernen war wichtig, eröffnete doch erst diese Universalsprache der Gelehrten den Zugang zu Lehrbüchern und christlichen Schriften.
In Görlitz ging der Lehrstoff der obersten Klasse, der Prima, weit über das an Schulen übliche Maß hinaus. Wie an einer Universität unterrichtete man hier die Sieben Freien Künste. Als ersten Rektor verpflichtete der Görlitzer Rat mit dem bedeutenden Gelehrten und Wittenberger Professor Petrus Vincentius einen engen Vertrauten Melanchthons, der die erste Schulordnung verfasste und Großes leistete. Ihm folgten weitere namhafte Gelehrte in diesem Amt, die enge Verbindung nach Wittenberg hielten.
Über Generationen hinweg besuchten Knaben aus Görlitz und der Oberlausitz sowie angrenzenden böhmischen und schlesischen Gebieten die Bildungsstätte. Sie kamen meist aus Adel und Bürgertum. Dass Ende des 16. Jahrhunderts auch finanziell schlecht gestellte Schüler aufgenommen wurden, bewirkte der Mathematiker und Astronom Bartholomäus Scultetus in seiner Amtszeit als Bürgermeister.
Das damalige rege Geistesleben zeigte sich in unterschiedlichen Formen: Im Waidhaus entstand die erste Görlitzer Buchdruckerei. Hier brachte der Drucker und Buchhändler Ambrosius Fritsch die wissenschaftlichen Werke und Traktate der Görlitzer Gelehrten zu Papier. Sein erstes Druckwerk war der lutherische Katechismus. Gymnasiallehrer, Ärzte, Geistliche, Handwerker und Bürger kamen zu dieser Zeit im Convivium Musicum zusammen, um gemeinsam zu musizieren und geistige Auseinandersetzungen zu Fragen der Zeit und des Glaubens zu pflegen.
Das Görlitzer Gymnasium Augustum genoss als Kaderschmiede für die Kirche, für die Verwaltung in Stadt und Staat sowie für die Lehre einen weit über die Oberlausitz hinausreichenden guten Ruf. Dies greift die Sonderausstellung des Kulturhistorischen Museums auf und zeigt Görlitz und sein Gymnasium als Denkfabrik um 1600 und stellt die Verbindung zur Gegenwart her.
Gezeigt werden mehr als 300 Objekte aus dem eigenen Museumsbestand sowie Leihgaben aus über zehn anderen Museen, Archiven und Bibliotheken der Oberlausitz, Sachsen und Sachsen-Anhalts sowie von der Evangelischen Innenstadtgemeinde Görlitz.
Das Kulturhistorische Museum beteiligt sich mit seiner Sonderausstellung am Beitrag des Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien "Gesichter der Reformation in der Oberlausitz, Böhmen und Schlesien" zum Reformationsjubiläum 2017. Die Ausstellung wird gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie dem Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien.
Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erhältlich, es kostet zwölf Euro.
Vernissage!
Donnerstag, 7. Mai 2015, 18 Uhr,
Kaisertrutz, Platz des 17. Juni 1, 02826 Görlitz.
Veranstaltungen!
Neben Kuratoren- und Themenführungen werden zur Ausstellung Kulturgeschichtliche Spaziergänge, ein Konzert, Familiennachmittage, Vorträge und Werkstätten für Erwachsene angeboten. An unterschiedlichen Stationen können Jung und Alt schulische Fertigkeiten ausprobieren, die vor 400 Jahren gemeistert wurden, Die Stationen stellen auch ausgewählte Persönlichkeiten vor und liefern weitere Informationen zu den Exponaten. Einen Überblick gibt ein Folder zur Ausstellung.
Vormerken!
Vom 19. Juni 2015 bis zum 10. Januar 2016
Kabinettausstellung: Kunstgefühl 1800 - Die Görlitzer Zeichenschule.
Vernissage am Freitag, dem 19. Juni 2015, um 18 Uhr
im Barockhaus Neißstraße 30, 02826 Görlitz.
(Lange Nacht des Zeichnens).
Die Kabinettausstellung "Kunstgefühl 1800" begleitet die Sonderausstellung "Denkfabrik 1600". Erinnert wird an die Görlitzer Zeichenschule, die um 1750 bis 1831 in der Neißestadt etabliert war und zu den besten ihrer Art in Sachsen gehörte. Die Kabinettausstellung zeigt eine Auswahl von Landschaftszeichnungen und Portraits, figürlichen, architektonischen und ornamentalen Darstellungen aus dem umfangreichen Konvolut der Görlitzer Zeichenschule, das zum Sammlungsbestand des Kulturhistorischen Museums gehört.
Im Begleitprogramm startet das Kulturhistorische Museum in Kooperation mit der Volkshochschule Görlitz e.V. den Versuch zur Wiederbelebung der Zeichenschule und lädt u.a. ins Sommeratelier und zum Zeichnen im Museum ein. Nach dem Studium alter Zeichentechniken am Original entstehen unter der künstlerischen Leitung von Arnold Busch in entspannter Atmosphäre inspiriert von den Motiven der Ausstellung und der Atmosphäre des Barockhauses Neißstraße 30 eigene Kunstwerke.
Zeichenkurse!
Das "Sommeratelier" umfasst vier Veranstaltungen in der Zeit vom 28. bis zum 31. Juli 2015, jeweils von 10 bis 13 Uhr. Der Kurs "Zeichnen im Museum" geht ebenfalls vier Tage, aber in der Zeit 25. August bis zum 15. September 2015, je von 17 bis 19.15 Uhr.
Anmeldungen für beide Zeichenkurse nimmt das Kulturhistorische Museum unter Tel. 03581 - 67-1355 oder per E-Mail an museum@goerlitz.de entgegen.
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- Quelle: red | Abbildung: Foto: Matthias Franke, © Kulturhistorisches Museum Görlitz
- Erstellt am 06.05.2015 - 08:06Uhr | Zuletzt geändert am 09.05.2015 - 00:47Uhr
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