Die Finanzkrise einfach erklärt

Görlitz, 9. Januar 2009. Der Görlitzer Finanzconsultant Rolf Domke erklärt anhand eines leicht nachvollziehbaren Beispiels die anscheinend hochkomplizierten Zusammenhänge, die zur Finanz- und Wirtschaftskrise führten. Der erfahrene Spezialist für Geldanlagen, Finanzierungen und Versicherungen beklagt, dass eine echte Kundenberatung in finanziellen Angelegenheiten kaum noch stattfindet und Interessenten oft genug als Berater getarnten gewieften Verkäufern gegenüberstünden. Mit seiner Geschichte will er auf unterhaltsame Weise Hintergrundwissen über Geschäfte mit Geld vermitteln.

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Was keiner versteht, aber jeden betrifft

Mandy besitzt eine Bar in Kreuzberg. Um den Umsatz – zumindest auf dem Papier – und damit vielleicht irgendwann auch real die Finanzierbarkeit des Unternehmens, das von bösen Zungen auch Abfüllunternehmen genannt wird, zu steigern, beschließt sie, die Getränke der Stammkundschaft (hauptsächlich Alkoholkranke und Mittellose) auf den Deckel zu nehmen, ihnen also Kredit zu gewähren. Das spricht sich in Kreuzberg schnell herum und immer mehr Kundschaft desselben Segments drängt sich in Mandy's Bar. Da die Kunden sich um die Bezahlung keine Sorgen machen müssen, erhöht Mandy sukzessive die Preise für den Alkohol und erhöht damit auch massiv ihren Umsatz.

Die Bank riecht Geld

Der junge und dynamische Kundenberater der lokalen Bank bemerkt Mandys Erfolg und bietet ihr zur Liquiditätssicherung eine unbegrenzte Kreditlinie an. Um die Deckung macht er sich keinerlei Sorgen, er hat ja die Schulden der Trinker als Deckung.

Zur Refinanzierung transformieren top ausgebildete Investmentbanker die Bierdeckel in verbriefte Schuldverschreibungen mit den Bezeichnungen SUFFBOND®, ALKBOND® und KOTZBOND®. Diese Papiere laufen unter der modernen Bezeichnung SPA Super Prima Anleihen und werden bei einer usbekischen Online-Versicherung per E-Mail abgesichert. Daraufhin werden sie von mehreren Rating-Agenturen (gegen lebenslanges Freibier in Mandys Bar) mit ausgezeichneten Bewertungen versehen.

Niemand versteht zwar, was die Abkürzungen dieser Produkte bedeuten oder was genau diese Papiere beinhalten, aber dank steigender Kurse und hoher Renditen werden diese Konstrukte ein Renner für institutionelle Investoren. Vorstände und Investmentspezialisten der Bank erhalten Boni im dreistelligen Millionenbereich.

Zweifel nicht erlaubt

Eines Tages, obwohl die Kurse immer noch steigen, stellt ein Risk Manager (der inzwischen wegen seiner negativen Grundeinstellung selbstverständlich entlassen wurde) fest, dass es an der Zeit sei, die ältesten Deckel von Mandys Kunden langsam fällig zu stellen. Überraschenderweise können weder die ersten noch die nächsten armen Schlucker ihre Schulden, von denen viele inzwischen ein Vielfaches ihres Jahreseinkommens betragen, bezahlen. Solange man auch nachforscht, es kommen so gut wie keine Tilgungen ins Haus.

Aus die Maus

Mandy macht Konkurs. SUFFBOND® und ALKBOND® verlieren 95 Prozent, KOTZBOND® hält sich besser und stabilisiert sich bei einem Kurswert von 20 Prozent.

Die Lieferanten hatten Mandy extrem lange Zahlungsfristen gewährt und zudem selbst in die super prima Anleihen investiert. Der Wein- und der Schnapslieferant gehen Konkurs, der Bierlieferant wird dank massiver staatlicher Zuschüsse von einer ausländischen Investorengruppe übernommen.

Die Bank wird durch Steuergelder gerettet. Der Bankvorstand verzichtet für das abgelaufene Geschäftsjahr auf den Bonus.

Nach Erzählungen
von Rolf Domke

Mehr zum Autor:
Finanzconsultant Rolf Domke

Kommentare Lesermeinungen (6)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Sind immer die Banken schuld?

Von Hermann Schwiebert am 23.04.2010 - 18:42Uhr
@Herr/Frau Breitenbach ich glaube schon, dass Rolf Domke weiß, wovon er spricht. Auch wenn er nicht selbst Autor dieser Geschichte ist, hilft sie, trotz einiger Schönheitsfehler, auch Nichtfinanzfachleuten einiges zu erklären. Sicher, Herr Domke hätte hier auch eine volkswirtschaftliche Abhandlung bringen können. Aber welcher Laie hätte das verstanden. Manchmal muß man eben vereinfachen und polarisieren.

Nun zu meiner Überschrift. Sind denn immer die Banken schuld? Diese Aussage haben sich bisher stets "Nichtbänker" erlaubt. Ich selbst habe jahrelang in einer großen Hamburger Sparkasse Kreditentscheidungen getroffen. Für gewerbliches Kreditgeschäft als auch für den privaten Wohnungsbau.

Natürlich musste ich auch Anträge ablehnen. Das habe ich stets in einem persönlichen Gespräch mit dem Antragsteller getan. Ich habe versucht, meine Entscheidungsgründe darzulegen. Aber wie oft wurde ich beschimpft. Wie oft wollte der Antragsteller nicht einsehen, daß er den Kapitaldienst nicht NACHHALTIG erbringen kann. Daß die Sicherheiten unzureichend sind. Dass das Eigenkapital zu gering ist. Dass bei einer Existenzgründung zu viele Fragen offen sind, nicht alles bedacht wurde usw. Dann wird sich beim Vorstand beschwert. Der Verwaltungsrat eingeschaltet. Und wenn alles nichts nutzt, wird eben die Bank gewechselt. Keine Einsicht, dass eine Ablehnung nicht aus einer Laune heraus entschieden wird.

Oder die Politiker. Kritisieren Banken und Sparkassen, dass sie angeblich zu wenig öffentliche Mittel (z.B. KfW) für die Kunden abrufen. Tun so, als hätten sie alle Rahmenbedingungen geschaffen, um das Kreditgeschäft zu beleben. Ich habe noch keinen Politiker gehört, der in der Öffentlichkeit gesagt hat, dass die durchleitende Bank im Obligo der Förderbank steht.

Wer schon Kunden erlebt hat, die ihre Kreditlinie bis ans Limit ausgereizt haben, wie die rumtoben wenn, das Obligo nicht ausgeweitet wird, weiß, wovon ich spreche.

Wer erlebt hat, wie Kunden sich in die Hände irgendwelcher Internetbanken begeben, nur weil die örtliche Volksbank oder Sparkasse einen geringfügig höheren Zins berechnet, weiß, wovon ich spreche.

Wer Kunden erlebt hat, die ihren Anlageberater mit Abzug ihres Vermögens erpressen, wenn sie kein Anlageangebot mit einer höheren Rendite erhalten, weiß wovon ich spreche.

In Deutschland kann ein privater Schuldner Privatinsolvenz anmelden. Irgednwann ist er dann entschuldet. Die Gläubiger wischen sich die Nase. In meinen Augen ein Unding. Niemand ist mehr für sein wirtschaftliches Tun verantwortlich. Weil ja alle so Unwissend sind. Weil ja alle von den Banken über den Tisch gezogen wurden.

Die unsittlichen und unmoralischen Gehälter und Bonifikationen der Bank- und Sparkassenvorstände sind eine Sache. Die Banken, das sind aber auch die Mitarbeiter, die Berater, die täglich versuchen, ihre Kunden nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten. Seltsam ist doch, daß sich zum Beispiel noch niemand ernsthaft an den übermäßigen Gehältern der Krankenkassenvorstände gestört zu haben scheint. Wenn da mal eine Krankenkasse insolvent ist, wird nur schadenfroh gelächelt. Das aber auch hier volkswirtschaftliche Schäden auftreten, wer hinterfragt DAS??

Fazit: Wir haben lange Jahre (alle) über unsere Verhältnisse gelebt. Die jetzige Bankenkrise wurde davon zwar nicht ausgelöst. Das wird noch kommen. Warten wir mal ab, wie sich Arbeitsmarkt und Wirtschaft entwickeln. Wie lange Konsumentenkredite aber auch gewerbliche Kredite noch bedient werden können. Das latente Ausfallrisiko ist höher als viele wahrhaben wollen.

Dennoch bin ich als Banker - bei allen Nachteilen - ein Verfechter unserer freien Marktwirtschaft. Sie sollte sich nur wieder soziale Marktwirtschaft nennen können.

Bankenkrise

Von Rolf Domke am 20.04.2010 - 13:59Uhr
Na, ja, wenn man schon mal was erzählt.

Freilich, Frau/Herr Breitenbach, dient das Beispiel von Mandy´s Bar nicht als Dissertation um das Thema Finanzkrise, auch sollte diese Geschichte sicher nicht als Lehrstoff im Volkswirtschaftskunde-Unterricht verwendet werden. Dennoch glaube ich, dass die Geschehnisse um Mandy´s Bar die abstrakt erscheinende Subprime-Krise bebildern.

Ich freue mich, dass von mir begleitete Unternehmen wieder volle Auftragsbücher haben, aber ich befürchte auch noch so manches zu durchwandernde Minenfeld, siehe unsere SachsenLB. Ein Stückchen sind wir durch Krise durch, hoffen wir, dass der Rückenwind uns nicht den alten Müll um die Ohren haut.

Banken-Krise?

Von Sylvia am 18.04.2010 - 18:22Uhr
Würde Otto Normalverbraucher wohl auf die Idee kommen, dass Unternehmen, welche als Hauptauftraggeber Banken haben, seit Herbst 2009 einen wahren Auftragsboom erleben? Winterurlaub gestrichen, Heimfahrten am Wochenende von M nach GR gestrichen ... die Auftragsflut (Bankbarbeitungsmaschinen etc.) muss abgearbeitet werden, weltweit wohlgemerkt.

Die Banken/Banker bezahlen also keinesfalls die Zeche, warum auch, es gibt doch Otto Normalverbraucher.

Und bitte schön, solange es so einfach läuft, warum sollen die Banken/Banker Verantwortungsbewusstsein für ihr Handeln entwickeln?

Die nächste Krise (oder Wolke) kommt bestimmt :-)

Zur Finanzkrise

Von Frank am 18.04.2010 - 01:14Uhr
Das mit Mandys Bar kommt mir sooo bekannt vor.

Ich hatte mal einen Chef, der hat auch an die Finanzjongleure und seinen angesehenen Stuttgarter Steuer- und Finanzberater geglaubt. Der hatte einen Zehn-Mann Betrieb (Baunebenhandwerk) in den 90-er Jahren auf anraten des Steuerberaters schnell auf 50 Mann aufgestockt und reichlich Aufträge abgefasst.

Die Hälfte der Auftraggeber (Immobilienfirmen) machten dann als die Rechnung fällig war Pleite (schrieben die Firma um) und zahlte demzufolge nicht. Die Bank erhöhte den Kredit und nahm die Schulden der (Pleite gegangenen) Kunden als Sicherheit. Als wir Arbeiter und Angestellten schon wei Monate keinen Lohn mehr bekommen hatten, kam der Steuerberater und ermahnte den Chef, sich mal wieder einen neuen Benz zu leisten, Geld ist nach den Unterlagen genug da, die Bank wurde durch die Zahlen des Steuerberaters überzeugt.

Die Sache ging noch ein paar Monate gut, dann machte er mit einer Million Mark Pleite, der Bank ist dann aufgefallen, dass nichts mehr zu holen war. Da hat Monate vorher selbst der letzte Bauhelfer schon gewusst, dass bald Schluss ist, aber Bank und Steuerberate glauben nur an die Zahlen, die Realität sieht meist anders aus.

Später habe ich mal nachgefragt, warum die Bank nicht schon bei einer halben Million Miesen die Konten gesperrt hat. Die Antwort meines Ex-Chefs: Da haben die sich keine Gedanken gemacht, weil die Ausfallbürgschaft für die Bank 1 Million betrug. Der einzige, der sein volles Geld gesehen hat, war der Steuer- und Finanzberater, der hat sich im Voraus bezahlen lassen, Tankstelle und Baustofflieferanten sind in Vorkasse gegangen und haben keinen Pfennig gesehen.

Seit dem zähle ich immer meine Finger nach, wenn ich einem Finanzberater Guten Tag gesagt habe (mein Bruder ist auch einer).

Fazit für mich aus der Geschichte: Keine Kredite aufnehmen (mann weiß nie, wie lange man noch Arbeit hat) und kein Geld mehr in Anlagen (außer Bundeswertpapiere, die vom Staat garantiert sind).

Leider hilft das nicht gegen alles, man zahlt ja trotzdem noch mit seinen Steuergeldern für die Banken und vielleicht bald auch noch für Griechenland, Portugal, Spanien....

Schönen Sonntag noch wünscht Frank

P.S.: Herr Domke, der Beitrag richtet sich nicht gegen Sie, das ist halt meine allgemeine Meinung.

Die Bankenkrise haben die Banken verursacht

Von Ernst am 17.04.2010 - 22:10Uhr
Ausgelöst wurde die Bankenkrise - das wird von niemandem bestritten - durch verantwortungslos-gieriges Verhalten der Banken resp. ihrer Manager (siehe US-Immobilienfinanzierung, spelulative Geldanlagen deutscher Banken).

Allerdings hat Vater Staat mit dem Geld der Steuerzahler - wozu vielleicht auch Mandy vor ihrer Pleite gehörte - den Banken unter die Arme gegriffen, nicht etwa der Mandy. Weil der Staat ein funktionierendes Bankensystem braucht und nicht die einzelne kleine Mandy.

Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat man bei den Banken nicht viel dazugelernt und die arrogante Selbstbedienungsmentalität der Manager ist schamlos wie vor der Krise, siehe die Aushebelung von Malus-Regelungen.

Görlitzer Anzeiger / Finanzkrise

Von Breitenbach am 17.04.2010 - 14:45Uhr
Ich finde es ja sehr löblich, wenn Sie versuchen die Finanzkrise mithilfe von Mandy's Bar und den Bierdeckeln Ihrer mittellosen Stammkundschaft vereinfacht zu erklären; Ihre Darstellung ist schlichtweg falsch und hat nichts nur annähernd mit der realen Praxis der Finanzkrise zu tun.

Einen Sachverhalt zu vereinfachen, setzt voraus, dass man diesen selbst verstanden hat, was man von Ihnen nicht behaupten kann. Zu Ihrem besseren Verständnis gebe ich Ihnen einen Tip. Konkurs gehen in Ihrem Beispiel nicht Mandy oder deren Lieferant, sondern der Inhaber der Schuldverschreibungen, d.h. das sind die B anken. Deswegen spricht man im Rahmen der Finanzkrise auch nicht von der Krise der Kneipiers oder deren Lieferanten, sondern von der Bankenkrise. Vielleicht versuchen Sie's ja noch mal.

Mfg. Breitenbach

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  • Quelle: /red
  • Erstellt am 09.01.2009 - 00:49Uhr | Zuletzt geändert am 26.09.2022 - 15:52Uhr
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