Propaganda für den Wirtschaftsstandort Heimat

Propaganda für den Wirtschaftsstandort HeimatWallenhorst, 17. Januar 2022. Von Thomas Beier. Fährt man mit dem Zug von Görlitz über Berlin nach Münster, so kommt man durch Osnabrück. Warum an dieser Haltstation nicht mal aussteigen? Von hier ist es nicht mehr weit nach Wallenhorst. Ein Beitrag darüber, was in Deutschland noch geht.

Der Schraubstock ist das Sinnbild für eine Ausbildung in der Industrie – oder wie war das damals bei Blohm & Voss, Schraubstock Nummer 17, Herr Wunderlich*)?
Foto: David Cray, Pixabay License
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Produktion und Vertrieb "Made in Germany"

Rückblende: Es waren vor allem die 1960er und 1970er Jahre, als – zumindest in Ostdeutschland – "Freundschaftsdelegationen" aus China zu Betriebsbesuchen auftauchten. Wichtigstes Merkmal dabei: Fotoapparate, die ständig klickten. Was damals noch mit einem naiven Lächeln quittiert wurde, rächte sich bald: Die “China goods” entwickelten sich von schlechten Kopien zu ebenbürtigen Produkten – und wo das nicht gelang, fiel die Kaufentscheidung über den Preis.

Koffer packen – oder nicht?

Das führte dazu, dass Jahrzehnte später Traditionsunternehmen in Deutschland vor der Alternative standen: einpacken und aufhören oder einpacken und in preiswertere Standorte abwandern. Mancher musste sich nach dem Umzug in ein Niedriglohnland die Nase wischen, denn Länder mit billigeren Arbeitskräften können nun einmal nicht deutschen Standard bieten – weder, was die Berufsausbildung betrifft noch – nicht minder wichtig – das, was Industrietradition beschreibt.

Unternehmen, die auf den Standort Deutschland gesetzt haben, konnten letztlich damit punkten. Heute profitieren sie oft von einer intelligenten Kombination aus eigener Entwicklung und Fertigung sowie internationalem Zukauf. Womit wir endgültig in Wallenhorst angekommen wären: Hier ist die RST Rabe-System-Technik und Vertriebs-GmbH zu Hause, die mit ihrem teils kundenspezifischen Kabelkonfektionen und weiteren Lösungen in gewisser Weise ein Paradebeispiel des innovativen und flexiblen deutschen Mittelstands.

Zum Beispiel RST

Das ist Mittelstand: Das Unternehmen RST setzt dort an, wo es anderen Unternehmen zu spezifisch und damit zu aufwendig wird, etwa bei individuellen Kabelkonfektionen mit Steckverbindern, Flachbandleitungen, Einzellitzenverarbeitung oder bei Servo-Anschlussleitungen. Wenn man die Grundlage solcher Betriebe beim Namen nennen will, dann handelt es sich um Ingenieurskunst, der es gelingt, für jedwede Anforderung ein Lösung zu schaffen.

Ganz nebenher – obgleich das gar nicht "nebenher" ist – stehen die Mittelständler auch für soziales Engagement. Während Großunternehmen über eigene PR-Abteilungen damit klappern, verlieren die Vertreter des Mittelstands oft nicht viele Worte darüber und es grenzt manchmal an Zufall, wenn eine Zeitung darüber berichtet.

Standortvorteil Deutschland

Im B2B-Bereich, in dem Unternehmen mit Unternehmen Geschäfte machen, bringt der Fertigungsstandort Deutschland noch mehr Vorteile mit sich als nur Flexibilität, Qualität und Wertschöpfung vor der Haustür: Existenziell wichtig ist für viele Unternehmen eine höchst zuverlässige Lieferkette, die auch dann für Liefertreue steht, wenn der Frachter aus Fernost mal nicht pünktlich anlegt.

Immer mehr rückt zudem in den Fokus, worüber so mancher Betrieb in Deutschland zunächst aufgestöhnt hat: Umweltschutz, Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit sind neben sozialverträglichen Arbeitsbedingungen wichtige Stichworte. Tatsächlich fragen immer mehr Kunden danach, wo etwas herkommt und unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde.

Bringt Corona eine Wirtschaftswende?

Unternehmer sind es gewohnt danach zu fragen, was das Gute am Schlechten ist. Vielleicht ist es ja das Gute an der Coronapandemie und der damit einhergehenden Krise, dass im fernen Ausland gelegene Produktionsstandorte – man denke nur an jene für Medikamentengrundstoffe in Indien – deutlicher hinterfragt werden. Das könnte dazu führen, dass insbesondere kritische Fertigungen – und nicht nur jene – wieder nach Deutschland zurückgeholt werden.

*) Herr Wunderlich war der Lehrer des Autors für Chemie im Abitur und für Werkstoffkunde in der Berufsausbildung. Wenn die "lieben Schüler" keine Lust auf den Unterricht hatten, verleiteten sie ihn zu Erzählungen über seine Zeit als U-Boot-Matrose und seine Gefangenschaft in Kanada. Dazu gehörte regelmäßig ein Passus U-Boot-Konstruktionslehre, vor allem aber die Geschichte von den herangekarrten Damen für die alten Wachsoldaten, "während wir kraftstrotzenden jungen Kerle im besten Saft hinterm Zaun..."

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: DAVIDCRAYde / David Cray, Pixabay License
  • Erstellt am 17.01.2022 - 23:24Uhr | Zuletzt geändert am 18.01.2022 - 00:35Uhr
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