Geschäftsideen mit Polen in Görlitz umsetzen
Görlitz, 8. Juli 2020. Von Thomas Beier. Eine deutsch-polnische Europastadt wie Görlitz-Zgorzelec: Da müsste es Mittelständlern und Kleinunternehmern doch regelrecht in den Fingern kribbeln, die Chancen für Geschäfte mit Partnern vom anderen Ufer der Lausitzer Neiße auszuloten und zu nutzen. Aber leider, auf diesem Gebiet geschieht noch immer viel zu wenig. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Ursachen.
Geschäftsanbahnung und Ideen entwickeln
Heute finden es westliche Manager oft generell schwierig, im östlichen und südöstlichen Europa "einen Fuß in die Tür" zu bekommen, sogar von einem Kulturschock ist die Rede. In den früheren "Bruderländern" haben immer wieder Leute die Nase vorn, die noch zu "DDR"-Zeiten vielleicht in Warschau Mathematik oder – was relativ viele betraf – in der Sowjetunion studiert haben und die Rituale des Umgangs miteinander kennen. Doch diese Generation verabschiedet sich inzwischen in den Ruhestand und Beziehungen müssen neu aufgebaut werden. Deshalb sollte man sich als Neuling beispielsweise von organisierten Unternehmerreisen oder Messepräsentationen keinen zu schnellen Erfolg versprechen.
Polnische Unternehmer auf sympathische Weise anders
Ein großer großer Unterschied zwischen Deutschen und Polen liegt bereits darin, wie ein Geschäft angebahnt wird. Während Deutsche meist möglichst schnell ein konkretes Angebot ins Spiel bringen oder sehen möchten, wollen sich polnische Unternehmer erst einmal ein Bild von ihrem Geschäftspartner in spe machen. Dabei ist auch Privates keinesfalls tabu. Wer dafür keine Geduld aufbringt, verliert schnell. Oft kommt man erst nach gegenseitigen Besuchen direkt aufs Geschäft zu sprechen – und dann wird es wichtig, Vertrauen aufzubauen. Wer also glaubt, ein Angebot abzugeben würde ausreichen, um mit der polnischen Seite ins Geschäft zu kommen, irrt gewöhnlich.Ein zweiter Bereich, in dem sich Leute aus Deutschland in Polen oft selbst ausbremsen, ist das Benehmen. So registrieren polnische Chefs sehr genau, wie viel Wertschätzung und Höflichkeit ihnen und ihren Mitarbeitern gegenüber gezeigt wird. Gerade in den guten Manieren sind ostdeutsche Mittelständler, vorsichtig ausgedrückt, jedoch immer wieder ein wenig unbeholfen. Das äußert sich nicht nur im Ignorieren oder gar brüsken Abweisen von Anbietern, sondern generell in mangelnden Umgangsformen. Hinzu kommen recht spezielle Etiketteregeln in Polen, die beachtet sein wollen.
Der dritte Bereich ist, Geschäftschancen überhaupt zu erkennen und so zu diskutieren, dass alle Beteiligten wissen, welche Vorteile sie haben – wer hier mit dem, worum es ihm eigentlich geht, hinterm Berg halten will, gewinnt kein Vertrauen und wird letztlich nicht akzeptiert. Kurz gesagt geht es der polnischen Seite oft darum, ein Geschäft grundsätzlich abzuklären und dabei abzuwägen, was innerhalb überschaubarer Zeit herausspringen könnte. Bevor das nicht geklärt ist, wird der polnische Partner keine Zeit in eine detaillierte Angebotserstellung investieren. Dem von Deutschen gern gleich zu Beginn betonten Interesse an einer langfristigen Zusammenarbeit steht das polnische Interesse an einem guten und sicheren Geschäft gegenüber – funktioniert das, wird sich die langfristige Zusammenarbeit von ganz allein ergeben.
Autokauf: Polenkenner im Vorteil
Grau ist alle Theorie, deshalb ein Beispiel: Am Bodensee steht ein traumhaftes Wohnmobil, leider mit Motorschaden. Der Händler hat ein Problem: Mit Motorschaden wird er das Mobil nicht los, lässt er den Motor aber repapieren wird das so teuer, dass er am Verkauf des Wagens nichts mehr verdienen würde. Gekauft hat das Wohnmobil schließlich ein Ex-Görlitzer: Für den war es ein Leichtes, einen regenerierten Austauschmotor aus Polen zu besorgen. Gewonnen haben alle: Der Händler, der sein Wohnmobil endlich loswurde, die polnische Motoreninstandsetzungsfirma und nicht zuletzt der glückliche Wohnmobilbesitzer, der unterm Strich einen fünfstelligen Betrag eingespart hat. Klarer Vorteil für die Görlitzer Perspektive auf das Geschäft, aus der Perspektive Bodensee wäre man wohl erst gar nicht auf die Idee gekommen, eine günstige Austauschmaschine aus Polen kommen zu lassen.Als Unternehmer in der Region Görlitz heißt es nun zu überlegen, wie man solch eine Konstellation als Geschäftsmodell aufziehen kann – doch Vorsicht, der Erste ist man beim genannten Beispiel jedenfalls schon nicht mehr. Aber immer wieder gelingt es pfiffigen Unternehmern, scheinbar eingespielte Abläufe in der Wirtschaft so zu optimieren, dass neue Anziehungskraft auf Kunden ausgeübt wird. Schaut man sich etwa diese Autobewertung für Gebrauchtwagen an, so entsteht schnell das Gefühl, man würde einen Nachteil erleiden, wenn man seinen Altwagen dort nicht bewerten und vielleicht auch gleich aufkaufen lassen würde. Das ist das Geheimnis vieler erfolgreicher Unternehmer: Den Kunden so viel Nutzen geben, dass diese darauf nicht verzichten können oder glauben, einen Nachteil zu erleiden, wenn sie nicht genau dieses Angebot nutzen.
Muss der Unternehmer vom Fach sein?
Bei den Kontakten zu polnischen Unternehmern gibt es noch einen beachtenswerten Unterschied zu Deutschland: In Deutschland wird grundsätzlich erwartet, dass der Unternehmer zugleich Fachexperte auf seinem Geschäftsgebiet ist. In Polen versteht sich der Unternehmer eher als der wichtigste Verkäufer seines Betriebes, Expertise kann man ja einkaufen. Das ist eine Frage der Kräftekonzentration: Wer zugleich unternehmerisch fit und ausgesprochener Experte auf einem Fachgebiet sein will, muss sein Kräftepotenzial teilen, wer aber seine ganze Kraft auf die Unternehmensführung richtet und erst wenn nötig Fachleute hinzuzieht, hat einen Vorsprung. Das ist übrigens wie in Politik und Regierung: Minister müssen keine Fachexperten sein, auf jeden Fall aber gute Manager.-
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- Quelle: red / Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
- Erstellt am 07.07.2020 - 22:58Uhr | Zuletzt geändert am 08.07.2020 - 12:48Uhr
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