Die Krux mit dem steigenden Mindestlohn
Görlitz, 20. Dezember 2019. Am 1. Januar 2020 steigt der gesetzliche Mindestlohn von 9,19 Euro je Stunde auf 9,35 Euro. Was Geringverdiener, für die das als wünschenswerter Einkommenszuwachs gedacht ist, erfreut, bringt eine ganze Reihe an nachteiligen Kehrseiten mit sich – sowohl unter bestimmten Umständen für Minijobber wie auch für die Unternehmen und den Arbeitsmarkt insgesamt.
Fünf Nachteile des steigenden Mindestlohns
Die anstehende Lohnsteigerung im Mindestlohnbereich um rund 1,74 Prozent ist für die meisten Unternehmen sicherlich das geringste Problem – die Wirkungen des gesetzlich vorgeschriebenen Lohnanstiegs sind jedoch komplexer.
Erster Nachteil:
Viele Minijobber haben nichts davon
Der Steuerberaterverband Sachsen warnt, es könne "bei derzeitigen Minijobbern ab 2020 zu Nachzahlungen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen führen, wenn zum Jahreswechsel keine Anpassung bei den zu leistenden Stunden vorgenommen wird." Hintergrund: Ein Minijob ist für den Arbeitnehmer nur bis zu einer monatlichen Einkommensgrenze von 450 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Dr. Andreas Zönnchen, Steuerberater und Präsident des sächsischen Steuerberaterverbandes dazu: "Summa summarum führt der zum Jahreswechsel erhöhte Mindestlohn dazu, dass Minijobber, soll ihr Minijob für sie weiter steuer- und sozialversicherungsfrei bleiben, nur noch maximal 48,13, sprich 48 Stunden arbeiten dürfen."Der Vollständigkeit halber weist der Steuerberaterverband Sachsen darauf hin, dass auch Minijobber Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Urlaub und gegebenenfalls in Tarifverträgen vereinbarte Zuschläge haben, so beispielsweise Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Diese Beträge sind bei der 450-Euro-Grenze zu berücksichtigen.
Zweiter Nachteil:
Sinkende Arbeitszeit = weniger Leistungszeit
In Branchen, in denen Minijobber im Lohnbereich bis 450 Euro stark vertreten sind, so etwa im Einzelhandel und in der Gastronomie, schlägt die mit dem steigenden Stundenlohn einhergehende Verringerung der Arbeitszeit mehr oder weniger stark auf die Öffnungs- und Servicezeiten durch.Der Steuerberaterverband hat ein Beispiel vorgerechnet. Herbert arbeitet bisher 48,5 Stunden im Monat für einen Stundenlohn von 9,20 Euro und erhält damit (48,5 h x 9,20 Euro =) 446,20 Euro. Somit lag der Lohn unter der Grenze von 450,00 Euro. Es handelte sich um einen Minijob, der für Herbert steuer- und sozialversicherungsfrei ist, soweit der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 28 Prozent (ohne dass der Beschäftigte dadurch krankenversichert ist) sowie die pauschale Lohnsteuer in Höhe von zwei Prozent an die Minijobzentrale abführt. Wenn nun Herbert weiterhin 48,5 Stunden im Monat arbeitet, muss er (gesetzlich verpflichtend) ab dem 1. Januar 2020 aufgerundet 453,50 Euro (48,5 h x 9,35 Euro) erhalten. Es liegt nun kein Minijob mehr vor, da die Grenze von 450 Euro überschritten wird – das Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich sozialversicherungspflichtig und, soweit noch ein anderes Arbeitsverhältnis (ein "Hauptjob") vorliegt, auch steuerpflichtig (Steuerklasse VI). Soll das Arbeitsverhältnis weiterhin als Minijob behandelt werden, was in den meisten Fällen so sein wird, muss die Stundenzahl angepasst werden. Im vorliegenden Fall darf Herbert ab dem 1. Januar 2020 also nur noch maximal 48,13 Stunden (450 Euro/9,35 Euro =) arbeiten. In der Praxis wird wohl eine Rundung auf 48 Stunden vorgenommen (48 h x 9,35 Euro = 448,80 Euro).
Die Wirkung des Mindestlohnes ist hier also nicht ein steigendes Einkommen, sondern eine Verkürzung der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich. Ein halbe Stunde weniger arbeiten pro Monat mag nicht viel erscheinen, doch schon bei acht Minijobbern kommt eine Stunde pro Woche zusammen. Unternehmen können das nur durch steigende Preise bei weniger Zeit für den Kunden abfangen.
Dritter Nachteil:
Lohnkosten steigen überproportional
Mit steigendem Mindestlohn sinkt der Abstand zu jenen Beschäftigten, die einen höheren Stundenlohn erhalten. Entsprechend verlangen diese dann, durch Lohnerhöhungen den Abstand zum Mindestlöhner wieder anzuheben. Deshalb steigen mit dem Mindestlohn auch die Lohnkosten für besserbezahlte Mitarbeiter.Vierter Nachteil:
Rationalisierungsdruck wächst
Je teurer die Mitarbeiter werden, umso eher lohnt sich der Aufwand für Rationalisierungsmaßnahmen, die ein Unternehmen mit weniger Mitarbeitern und den mit Ihnen verbundenen Risiken wie Krankheit oder Kündigung auskommen lassen. Das ist nicht schön, aber Kapitalismus – Unternehmen haben nicht den Hauptzweck, Mitarbeiter zu beschäftigen, sondern am Markt zu bestehen, also zu Preisen anzubieten, die auch bezahlt werden. Zur Bedrohung von Arbeitsplätzen durch neuere Anwendungen der Digitalisierung kommt also hinzu, dass sich Rationalisierungsmaßnahmen noch schneller amortisieren. Fünfter Nachteil:
Zusätzliche Bürokratielasten
"Unternehmerinnen und Unternehmer, die derzeit Minijobber mit einem Stundenlohn von weniger als 9,35 Euro beschäftigen, sollten also nicht nur die Arbeitszeitnachweise weiterhin penibel führen, sondern auch die Arbeitsverträge und die Lohnabrechnungen anpassen", so der Rat von Dr. Zönnchen. Fakt ist, dass die Lohnrechnung schon heute eine komplexe Angelegenheit ist, die ohne ständig aktualisierte Software kaum zu bewältigen ist. Viele Unternehmer übertragen diese Aufgabe deshalb auch gleich ihrem Steuerberater. Wer einen braucht, kann hier suchen.-
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- Quelle: red
- Erstellt am 20.12.2019 - 10:51Uhr | Zuletzt geändert am 29.12.2019 - 08:01Uhr
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