Mit dem Brexit kommt das Aus für die "deutschen Limiteds"

Mit dem Brexit kommt das Aus für die "deutschen Limiteds"Görlitz, 24. Juli 2019. Heute wird Boris Johnson britischer Premierminister und damit ein harter Brexit wahrscheinlicher. Das hat nicht nur Konsequenzen für alle Unternehmen, die mit Großbritannien wirtschaftlich verbunden sind, sondern vor allem auch für jene, die die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union genutzt haben und dort eine Limited Company (Ltd.) nach britischem Recht gegründet haben, diese aber von Deutschland aus führen. Sie müssen nun handeln.
Abbildung: Oft waren es Bauunternehmer und andere Handwerker wie auch Dienstleister, die bisher in der Gründung einer "deutschen Limited" einen Weg sahen, sich der persönlichen Haftung zu entziehen. Der kommende Brexit versperrt diesen

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Wer eine britischen Limited von Deutschland aus führt, muss handeln

Insbesondere vor der Einführung der deutschen Unternehmergesellschaft (UG), einer GmbH-ähnlichen juristischen Person, bei der zur Gründung sogar völlig auf Stammkapital verzichtet werden kann, wichen Unternehmer gern auf die britische Limited aus in der Absicht, der persönlichen Haftung zu entgehen. Serviceunternehmen erledigten dazu die Formalitäten und stellten den vorgeschriebenen Company Secretary, der vor allem für die Kommunikation mit den Behörden und weitere Formalitäten im Inneren der Gesellschaft zuständig ist. der Secretary entspricht also nicht einem deutschen Geschäftsführer (diese Rolle hat in etwa der Director), sondern hat Aufgaben, die in Deutschland teils einem firmenunabhängigen Notar übertragen werden müssen.

"Wir haben deutschen Unternehmern und Gründern von der Gründung einer Limited nach britischem Recht regelmäßig abgeraten", erläutert der Markersdorfer Unternehmensberater Thomas Beier, "Nicht etwa wegen eines Brexits, der noch gar nicht zu erwarten war, sondern aus vor allem drei anderen Gründen. Erstens liefert man sich, insofern man den Secretary nicht selbst einstellt, einem Dienstleister aus, der dessen Aufgaben im Vereinigten Königreich erledigen muss. Kommt dieser seinen Pflichten nicht nach, haben die oder der Gesellschafter der Limited, die meist vom britischen Recht kaum Kenntnisse haben, auch in Deutschland den Schwarzen Peter und müssen mit harten Sanktionen rechnen. Der zweite Grund ist, dass es im Geschäftsverkehr grundsätzlich nicht geschätzt wird, wenn sich ein Geschäftspartner der Haftung völlig zu entziehen versucht. Ein weiterer Grund, den Limited-Gründer gern vergessen, ist, dass trotz der GmbH- beziehungsweise UG-ähnlichen Haftungsbeschränkung der Limited Company bei bewusstem oder unbewusstem Fehlverhalten persönliche Haftungen eintreten können und kluge Geschäftspartner einen oder alle Limited-Gesellschafter bei größeren Aufträgen oder bei Kreditvergaben sowieso in die persönliche Haftung nehmen, wenn das Stammkapital der Limited zu gering ist."

Die schätzungsweise 8.000 bis 10.000 betroffenen Unternehmen, die mit Verwaltungssitz in Deutschland als britische Limiteds geführt werden, und ihre Gesellschafter sollten die Zeit bis zum Brexit nutzen und rechtzeitig vorsorgen. "Bis zur Einführung der Unternehmergesellschaft war die Limited eine beliebte Alternative, um mit wenig Kapital eine Gesellschaft zu gründen, bei der die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist, sagt auch Manuel Kahlisch, Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen. Die europäische Niederlassungsfreiheit liefert die Basis für die Anerkennung dieser britischen Gesellschaften in Deutschland auch dann, wenn diese ihre Geschäfte von Deutschland aus führen. Wegen der großen Verbreitung der Limited Companies in Deutschland hat sich Umgangssprachlich die Bezeichnung "deutsche Limited" eingebürgert.

Keine Anerkennung der "deutschen Limited" mehr nach dem Brexit

Nach dem Brexit ist es vorbei mit der europäischen Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich von Großbritannien. "Unternehmen, die als britische Limited gegründet worden sind, aber von Deutschland aus geführt werden, werden nach dem Brexit nach deutschem Recht behandelt", erklärt Kahlisch. Folge: Die Gesellschafter einer "deutschen Limited" können durch den Brexit ihre Haftungsbeschränkung verlieren. Wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können die Gesellschafter – bei nur einem Gesellschafter wie bei einem Einzelunternehmer – mit ihrem gesamten Privatvermögen in Haftung genommen werden, die
Haftungsbeschränkung auf das meist geringe Vermögen der Limited entfällt dann.

Limited-Gesellschafter müssen rechtzeitig handeln

Der deutsche Gesetzgeber hat auf den anstehenden Brexit reagiert und den Wechsel einer "deutschen Limited" in eine Gesellschaft nach deutschem Recht erleichtert. "Eine solche grenzüberschreitende Verschmelzung bedeutet allerdings noch immer einen erheblichen finanziellen Aufwand und erfordert viel Zeit", weiß Kahlisch.

Die Notarkammer Sachsen weist darauf hin, dass die 121 Notarinnen und Notare in Sachsen die betroffenen Unternehmen und ihre Gesellschafter über diesen und andere Wege, um die Gesellschaft auf den Brexit vorzubereiten und die Gesellschafter zu schützen, beraten. Der Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen jedenfalls rät, auf die tea time zu verzichten: "Der Termin für den Brexit naht, und daher gilt: Nicht abwarten und Tee trinken, sondern rechtzeitig handeln!"

Tipp:
Notariate in Sachsen sind über den Suchdienst der Notarkammer Sachsen auffindbar.

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  • Erstellt am 24.07.2019 - 05:56Uhr | Zuletzt geändert am 24.07.2019 - 09:35Uhr
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