Industrie im Wandel: Mit bewährtem Know-how zu neuen Produkten

Wolfen, 28. Juli 2015. Von Thomas Beier. Als der deutsche Unternehmensberater Prof. Hermann Simon im Jahr 1990 den Begriff “Hidden Champions” (etwa: die heimlichen Gewinner) prägte, konnte er nicht ahnen, dass im gleichen Jahr im sachsen-anhaltinischen Wolfen - heute: Bitterfeld-Wolfen - ein solcher geboren wurde: Die Folienwerk Wolfen GmbH. Das Unternehmen ist ein Musterbeispiel dafür, wie das Know-how einer untergehenden Industrie für neue Produkte übernommen werden konnte. ORWO-Filme - ein Kürzel für Original Wolfen, hervorgegangen aus der 1909 gegründeten Filmfabrik Wolfen der Agfa - zählten zu den bekanntesten Marken in der “DDR” und dem damaligen Ostblock. Die Forschungs- und Entwicklungserfahrungen und das Know-how zur Produktion von Filmfolien aus Polyester bei ORWO bildeten den Grundstock für den erfolgreichen Start des Folienwerks Wolfen.
Abbildung oben: Die für Blisterverpackungen von Medikamenten eingesetzte Folie muss lebensmittelecht sein. Bei anderen Produkten geht es mehr um die Schutzfunktion der Verpackung, um Marketingaspekte oder den Diebstahlschutz. Foto: Ewa Urban.

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Ein Beispiel für den erfolgreichen industriellen Wandel

Thema: Woanders

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"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.

Ingenieure und Mitarbeiter aus der eher aussichtslosen ORWO Filmproduktion gründeten das Folienwerk Wolfen und sicherten damit nicht nur den eigenen Arbeitsplatz, sondern vermieden zugleich den Verlust von technologischem Wissen und konnten Ihr Know-how auf zukunftsträchtige Produkte übertragen. Diese Strategie hat sich längst ausgezahlt. Aus dem Folienwerk Wolfen, das aktuell etwa 160 Mitarbeiter beschäftigt, kommen Hartfolien, PVC-Folien, Blisterverpackungen, außerdem weitere Kunststofffolien und Spezialfolien.

Geschäftsführer Günther Burkardt setzt mit seinem Team konsequent auf Spitzentechnologie: “Ob co-extrudierte PET-Folien im Fünfschicht-Verfahren oder die Neunschicht-Flachfolienanlage für die Produktion spezieller PET-Folien - stets waren wir unter den Führenden in der Branche.” Davon profitieren nun die Kunden, indem sie in Wolfen individuelle Folien für die unterschiedlichsten Anwendungen - beispielsweise als unbedruckte Verpackungsfolie oder bedruckt zum Verschweißen - entwickeln lassen und beziehen können.

Der Umweltschutz ist für die Wolfener Folienspezialisten ein wichtiges Thema. PET Folienreste werden zurückgekauft und genau so wie Produktionsabfälle wieder der Produktion zugeführt. Langfristig aber setzt man auf Folien aus nachwachsenden Rohstoffen, die bereits heute zu gegenüber konventionellen Folien zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden können und sich durch ihren Glanz und ihre Festigkeit immer mehr Anwendungsgebiete erschließen.

Kommentar:

Der Erhalt und die Weiterentwicklung gewachsener Industriestandorte - nicht nur ein den Neuen Bundesländern - setzt neben ausreichendem technologischem und Know-how-Potenzial vor allem Wandlungsfähigkeit voraus. Entscheidende Fragen sind: Was kann ich mit meinem Fähigkeiten, meiner technologischen Ausstattung und meinen Kapazitäten noch tun? Und in welche Richtung sollte ich sie weiterentwickeln?

In den seltensten Fällen ist eine radikale Veränderung des Geschäftsgebiets erfolgversprechend. Vielmehr ist die Beantwortung der genannten Fragen eine Daueraufgabe, um reaktionsfähig und damit zukunftsrobust zu bleiben.

Der Erhalt dieser Wandlungsfähigkeit steht vor den Unternehmen als Herausforderung genau so wie vor jedem einzelnen Arbeitnehmer. Nach Expertenschätzungen wird sich in Deutschland durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche und höhere Anforderungen an die Flexibilität die Art und Weise, wie ein Einkommen erzielt wird, für jeden zweiten Arbeitnehmer stark verändern - und nicht etwa zwangsläufig verschlechtern, wenn der Wandel als Chance begriffen wird.

Spitzen-Know-how und Spitzentechnologie sind die wichtigsten Voraussetzungen, um Industrie in Deutschland zu halten. Für Arbeitnehmer heißt das lebenslängliche Weiterqualifizierung, um beschäftigungsfähig zu bleiben. Eine Alternative dazu gibt es nicht wirklich: Gering qualifizierte Beschäftigungen werden nach und nach zum allergrößten Teil von Maschinen übernommen oder wandern ab in Billiglohnländer. Das deutsche Schul- und Berufsausbildungssystem wie auch die Weiterbildungseinrichtungen hingegen eröffnen jedem, der gewillt ist, berufliche Perspektiven.

Nur nutzen muss man sie,

meint Ihr Thomas Beier

Der freiberuflich tätige Unternehmensberater Thomas Beier betreut seit zwanzig Jahren mittelständische Unternehmen und Start Ups vor allem zur Unternehmensentwicklung und zum Marktzugang sowie in der Personal- und Organisationsentwicklung. Auch im Görlitzer Anzeiger äußert er sich immer zu unternehmerischen Rahmenbedingungen wie jüngst zum Mindestlohn.

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  • Quelle: red | Foto Tablettenblister: Ewa Urban, Foto Heuballen: Hans Braxmeier, beide pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
  • Erstellt am 28.07.2015 - 23:50Uhr | Zuletzt geändert am 29.07.2015 - 00:19Uhr
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