Zurück in Görlitz
Görlitz, 31. Januar 2014. Von Thomas E. Beier. Zurück von einer mehrtägigen Geschäftsreise durch die mitteldeutschen Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt finde ich die Meldung vor, dass die "Aktion Begrüßungspaket für Neugörlitzer" fortgesetzt wird: "Nach einjähriger Laufzeit der Aktion 'Begrüßungspaket für Neugörlitzer' zogen die Akteure WBG Wohnungsbaugesellschaft Görlitz mbH (WBG), die Stadtwerke Görlitz AG (SWG) und die Verkehrsgesellschaft Görlitz GmbH (VGG) Ende 2013 Bilanz. Die Initiative für mehr Zuzug nach Görlitz hat die angestrebte Wirkung gezeigt." Die Aktion Begrüßungspaket für Neugörlitzer werde fortgesetzt mit einigen Veränderungen, heißt es. Das Interesse an der Stadt Görlitz wachse.
Ein Marketing-Gag als Heilsbringer für die Stadt?
Wenn man den Worten der Meldung glaubt, dann ist das "Begrüßungspaket für Neugörlitzer" ganz wesentlich ausschlaggebend für die Entscheidung dafür, dass die WBG zwischen dem 6. November 2012 (Start des Begrüßungspakets) bis Dezember 2013 rund 150 Mietverträge (wieso rund?) mit Zuzüglern "aus weiten Teilen Deutschlands und über die Landesgrenzen hinaus" abgeschlossen hat. Daraus wird "ein Zuwachs von rund 300 Personen" geschlussfolgert.
"An 117 Neumieter-Haushalte aller Altersgruppen konnte der herzliche Willkommensgruß bis Ende 2013 übergeben werden. Die Anreize für den Zuzug wirken unterstützend bei der Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal", teilt Marion Rupprich, Marketingabteilungsleiterin bei der WBG, mit.
Oberbürgermeister Siegfried Deinege - als Schirmherr der Aktion - kann ja gar nicht anders und begrüßt die Aktivitäten der drei Gesellschaften: “Für mich ist bemerkenswert, dass die Initiative für solch ein Paket aus dem Unternehmensbereich kommt. Insbesondere deshalb, weil nicht vordergründig der schnelle wirtschaftliche Erfolg gesucht wird, sondern, dass es ein Teil einer langfristig angelegten Strategie ist, mit der potentiellen Neugörlitzern die Attraktivität der Stadt nähergebracht werden soll.“
Nun soll die Begrüßungspaket-Aktion mit leicht veränderten Boni bis Ende 2015 weitergehen.
Das aktuelle Begrüßungspaket für Leute, die nach Görlitz ziehen
Ganz ohne Bedingungen gibt es das aktuelle Begrüßungspaket nicht: Die Wohnung muss bei der WBG gemietet werden, der Strom von den SWG bezogen. Nur dann erlässt die WBG in den ersten beiden Monaten die Kaltmiete "zur Einrichtung ihrer Wohnung" und ermöglicht in der Umzugsphase zwei kostenfreie Übernachtungen für zwei Personen in der Pension "Alte Herberge“ (gehört der WBG Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft Görlitz mbH). Von den Görlitzer Stadtwerken erhalten die zugezogenen WBG-Mieter eine Gutschrift über einen durchschnittlichen Monatsverbrauch für Strom (basierend auf einem jährlichen Stromverbrauch von 2.050 KWh) und ein Energiesparpaket. Die Verkehrsgesellschaft - eine SWG-Tochter - ermöglichen "zum Kennenlernen der neuen Heimat" drei Monate freie Nutzung von Bus und Bahn.
Nicht erwähnt wird, wer's zahlt. Wenn auch kostenlos für den Empfänger der Leistungen entstehen den beteiligten Unternehmen jedoch Kosten, die demzufolge von den anderen Kunden der Unternehmen aufgebracht werden müssen, wenn sich die Unternehmen nicht gerade in Gewinnverzicht üben. Altes Geläster, natürlich ist es marktüblich, dass Unternehmen Gratis-Leistungen gewähren, um Kunden langfristig an sich zu binden.
Mit weiteren Görlitzer Privateigentümern, Unternehmen und Institutionen sollen in den kommenden Wochen Kooperationsverhandlungen abgeschlossen sein, ist von der WBG zu erfahren.
Signal: "Schön, dass Sie da sind."
Am Ende der Mitteilung entsteht bei mir der Eindruck, die erwähnten stadtnahen Begrüßungspaketpartner klopfen sich beim Ringelpietz auf die Schultern: "Die prosperierende Stadt im Herzen Europas ist territorial interessant für geschäftliche und touristische Aktivitäten nicht nur in den unmittelbaren Nachbarländern Polen und Tschechien. Ihre intakte Infrastruktur bietet eine hervorragende Basis für weitere geschäftliche und private Ansiedlungen. Stimulierend dabei wirken das besondere Flair der einzigartigen historischen Bausubstanz mit rund 4.000 Denkmalen und Parkanlagen, das breite Wohnungsangebot, günstige Mieten und Lebenshaltungskosten, moderne Bildungseinrichtungen, vielfältige Angebote für Freizeit, Kultur und Sport, ein wachsendes Betreuungsangebot für Kinder und Senioren und eine gute Verkehrsanbindung."
Ich muss an die vergangenen Tage denken. Weder eines der genannten Argumente noch das Begrüßungspaket würden mich nach Görlitz locken. Dieses Gelaber von prosperierender Stadt, von intakter Infrastruktur bis zur Verkehrsanbindung, das nur ernst nimmt, wer nicht woanders unternehmerisch aktiv ist. Wenn all das wahr wäre, wären wir samst Landkreis nicht Hartz IV-Hochburg. Warum wohl nehmen Ex-Görlitzer woanders lieber ein knappes Wohnungsangebot und teure Mieten in Kauf?
Einzig gut an dem Begrüßungspaket ist, dass es als Signal durch die Medien geistert und ein Ansatz für eine Willkommenskultur in Görlitz sein könnte.
In die Wirtschaftsförderung der Stadt Görlitz zieht im Mai 2014 mit Thomas Klatte als Chef ein nüchterner Analytiker ein, der zugleich ganzheitlich denkt und umsetzen kann.
Eine Riesenchance für die Stadt!
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- Quelle: red
- Erstellt am 31.01.2014 - 18:10Uhr | Zuletzt geändert am 01.02.2014 - 12:30Uhr
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