Irakische Kurden in Hoffnung oder Angst nach der Niederlage des IS?
Cottbus / Chóśebuz, 27. Januar 2018. Die Nachrichten, die aus dem Nahen Osten in Deutschland ankommen, scheinen oft widersprüchlich, gefärbt und manchmal kaum deutbar – sicher ist nur ihre Unvollständigkeit. In dieser Situation gewinnen glaubwürdige Augenzeugenberichte an Wert. Ende Januar 2018 berichtet Sylvia Wähling, geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Cottbus, von einer Reise ins irakische Kurdistan. Wähling war über den Jahreswechsel 2017/2018 im irakischen Kurdengebiet – ihr siebter Besuch binnen der zurückliegenden zweieinhalb Jahre.
Einladung zum Vortrag über die aktuelle Situation
Thema: Menschenrechte
Menschenrechte sind weltweit Thema. Die Erinnerung an die "sozialistische Rechtsprechung" und das SED-Unrecht sowie die vorangegangene Nazi-Diktatur mahnen, auch in Deutschland Menschenrechte und Demokratie nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern immer wieder dafür einzutreten.
Jahrelang führte die kleine gebeutelte Kurdenregion, die nur eine autonome Region innerhalb des Iraks ist, einen Krieg gegen den so genannten Islamischen Staat (IS). Knapp zwei Millionen Jesiden, Christen und Moslems suchten Zuflucht bei den nur fünf Millionen Kurden (zum Vergleich: das entspräche rund 32 Millionen Flüchtlingen in Deutschland) und leben nach dreieinhalb Jahren heute noch unter erbärmlichen Verhältnissen in Flüchtlingslagern, die elenden Kleinstädten ähneln.
Der IS ist mittlerweile aus dem Irak weitgehend verdrängt, aber für die Menschen hat sich die Situation weiter verschlimmert. Das Unabhängigkeitsreferendum in der Autonomen Region Kurdistan vom 25. September 2017 hatte die Sperrung des internationalen Luftraums über Kurdistan zur Folge. Folge: Man kann nur über Bagdad oder die Türkei nach Kurdistan einreisen. Die Zentralregierung überweist seit Jahren kein Geld an Kurdistan, wozu sie laut Verfassung jedoch verpflichtet wäre. Das Ergebnis ist, dass die Staatsbediensteten – die Mehrheit der Einwohner Kurdistans – selten ein Gehalt bekommen. Dies führt zu einer wachsenden Verarmung der Bevölkerung, die nur durch die innerfamiliäre Solidarität aufgefangen wird.
Die schiitische Miliz Haschd al-Schaabi, die von der irakischen Zentralregierung und dem Iran unterstützt wird, wütet in der erst vor kurzem vom IS befreiten Ninive-Ebene. Die Christen, die hoffnungsvoll in ihre Städte zurückkehrten, müssen wieder Angst vor einer Zwangsislamisierung und Veränderung der demografischen Verhältnisse in der Region haben. Auch Moslems flüchteten wieder aus Kirkuk und Mossul in Richtung Kurdistan. Und noch immer befinden sich seit dreieinhalb Jahren mehr als 3.000 Jesiden in der Gewaltdes IS. Die Frauen und Mädchen wurden versklavt, massenweise zwangsverheiratet, misshandelt und vergewaltigt, berichtet Wähling.
Anhören!
In ihrem Vortrag berichtet Wähling von ihren tiefen Eindrücken, den Hoffnungen und den Ängsten der Leute, die sich nach dem Rückzug des IS und des nachfolgenden schwindenden Interesses der internationalen Gemeinschaft am Schicksal der Menschen im Irak im Stich gelassen fühlen. "Mit meiner letzten Reise, die einen privaten Charakter hatte, wollte ich mich mit den Menschen im Nordirak und ihrem Leid in dieser für sie schwierigen Zeit solidarisieren. Wenn wir ihre Hilferufe nicht ernst nehmen, werden sie weiterhin ihr Land aus Angst und Unsicherheit verlassen und ihren Weg zum sicheren Europa suchen", beschreibt Wähling ihr Motiv , schon bald wieder nach Kurdistan zu reisen.
Prädikat: Hingehen!
Dienstag, 30. Januar 2018, 19 Uhr,
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus, Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus:
Vortrag "Irakisches Kurdistan – Hoffnung nach dem Krieg gegen den IS?"
Interessierte Besucher sind zum Vortrag herzlich eingeladen, der Eintritt ist kostenfrei.
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- Quelle: red | Fotos: Charly_7777 / Karl Allen Lugmayer, pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 27.01.2018 - 16:16Uhr | Zuletzt geändert am 27.01.2018 - 17:10Uhr
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