Zuchthaus Cottbus stellt Zellenszene nach
Cottbus, 16. Juni 2014. Mitte der 70er Jahre waren wegen der Überbelegung die Zustände im Zuchthaus Cottbus besonders schlimm: Bis zu 28 Gefangene mussten wochenlang auf 44 Quadratmetern hausen, die Betten vierfach übereinandergestapelt. Es waren ausnahmslos politische Gefangene, in der Regel verurteilt wegen "versuchter Republikflucht" oder "staatsfeindlicher Hetze". Als Anklagepunkt reichte ein Witz oder der Kauf eines Buches im Volksbuchhandel, wenn es nur ins Bild passte, den Angeklagten zum Staatsfeind abzustempeln und - auch unter Streuung von Gerüchten als abschreckendes Beispiel - zu verurteilen. Hier zeigt sich, dass das SED-Regime nicht nur Diktatur war, sondern sich terroristischer Methoden bediente.
Menschenrechtszentrum Cottbus deckt mit Kunst und Kultur das Wesen der Diktatur auf
TEB. Morgen, am 17. Juni 2014, wird die ständige Ausstellung in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus um einen bemerkenswerten Baustein erweitert. Die Künstler Jörg Beier und Gino Kuhn, beide ehemalige politische Häftlinge, haben eine morgendliche Szene in einer überbelegten Zelle nachgestellt. 28 Gefangene und zwei Wärter - weitgehend originalgetreu ausstaffierte, künstlerisch gestaltete Puppen - vermitteln die erdrückende Enge des Raums und die menschenunwürdigen Haftbedingungen in dieser Zeit.
Den Häftlingen blieb nach dem Wecken genau eine halbe Stunde bis zum Ausrücken zur Arbeit. Es galt, sofort aufzustehen, die Meldung duch den Stubenältesten zu machen und die Zählung durch den Wärter über sich ergehen zu lassen. Nur wenige Minuten standen für den Toilettengang, zum waschen, Zähne putzen, rasieren, zum anziehen, für den Bettenbau, das Frühstück (nicht für alle war Platz an den Tischen) und die Reinigung der Zelle zur Verfügung.
Fast alle rauchten, Schweiß und stinkende Arbeitskleidung sorgten für erbärmliche Luft. Pro Zelle gab es nur eine Toilette und zwei Waschbecken mit kaltem Wasser. An den Fenstern verhinderten Blechblenden die Sicht nach außen. Es gab keine Möglichkeit, im Notfall einen Wärter zu rufen.
Die Gedenkstätte "Menschenrechtszentrum Cottbus" setzt stark auf Kunst und Kultur, um über die reine Dokumentation hinaus den Besuchern die Zustände im Zuchthaus Cottbus und die Schicksale der Gefangenen, insbesondere während der beiden zurückliegenden Diktaturen, zu vermitteln. Sie wirkt damit einer Verklärung der DDR entgegen und verdeutlicht vor allem jungen Leuten anschaulich, dass Demokratie und Freiheit keine Selbstverständlichkeit sind.
Jörg Beier und Gino Kuhn zeigen Werke - in höchst unterschiedlicher künstlerischer Ausdruckssprache - auch an anderen Stellen in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus.
Die Rekonstruktion der Zelle hat der Windparkentwickler UKA mit einer großzügigen Spende ermöglicht. Die Unternehmensgruppe mit Niederlassungen in Cottbus, Meißen und Rostock hat das passende Motto “Die Geschichte nicht vergessen … die Zukunft gestalten!“
Prädikat: Unbedingt hingehen!
Dienstag, den 17. Juni 2014, 15 Uhr,
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus,
Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus,
Musterzellenbereich auf der zweiten Etage.
Die Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen!
Mehr:
www.menschenrechtszentrum-cottbus.de
Noch mehr erfahren im Görlitzer Anzeiger!
18.06.2014: Menschenrechtszentrum Cottbus erweitert Ausstellung
20.02.2014: Menschenrechtszentrum Cottbus: Erstes eigenes Buch
23.11.2013: Karierte Wolken - politische Haft im Zuchthaus Cottbus
05.09.2012: Wolf Biermann - Benefizkonzert für einen Knast
Kommentar:
Es ist dem Menschenrechtszentrum Cottbus hoch anzurechnen, dass man sich an der Stätte des Leids nicht aufs Wundenlecken und Anklagen beschränkt, sondern vor allem junge Leute ins Haus holt, um ihnen die Auseinandersetzung mit Totalitarismus und Diktatur zu ermöglichen. Die neu rekonstruierte Zelle ist dabei ein Element, dass eine Ahnung von den zeitweise besonders schlimmen Zuständen im mitten in der Stadt gelegenen, jedoch kaum wahrgenommenen Zuchthaus vermittelt.
Ein Besuch in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus sollte zum Pflichtprogramm aller Linkspartei-Sympathisanten gehören,
meint Ihr Fritz R. Stänker
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- Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 16.06.2014 - 09:36Uhr | Zuletzt geändert am 17.05.2022 - 08:41Uhr
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