"zur Sache!" Mitteilungsblatt für Dezember 2012 erschienen
Görlitz. Gefragt wurde gelegentlich schon, was denn der Görlitzer Alt-Oberbürgermeister Joachim Paulick jetzt mache. Genau diese Frage beantwortet er, verbunden mit seiner EInschätzung zu "100 Tage Deinege", in der Dezemberausgabe des "zur Sache!" Mitteilungsblattes. Und selbstverständlich meldet sich auch Dr. Peter Gleißner zum aktuellen Geschehen in Görlitz zu Wort. Der Görlitzer Anzeiger als unabhängige Plattform macht die Informationen des Vereins - wie auch die von anderen demokratischen Organisationen in Görlitz zur Veröffentlichung bereitgestellten - zugänglich.
Der Inhalt des zur Sache!-Mitteilungsblatts Dezember 2012
Thema: zur Sache! e.V.
zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.
- Zweites Mai-Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. [21.05.2014]
- zur Sache! mit Mitteilungsblatt für den Monat April 2014 [11.04.2014]
- Zweites März-Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. erschienen [25.03.2014]
Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.
Mitteilungsblatt Dezember 2012
Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,
dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse in Görlitz. Wir wollen unseren Mitgliedern Informationen geben, die für die Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist: Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte. Zustimmung, Widerspruch oder Ergänzungen erbitten wir unter: FAX 035829 / 64766 oder E-Mail: zursache@web.de an uns zu richten.
Inhalt:
1. Zum Jahresende 2012
2. Reinhard Fröhlich, + 2012
3. Alt-OB Paulick an OB Deinege
4. Mittel gegen Zeitungssterben
5. Jugend und Stadt
6. Gerhart Hauptmann in Görlitz
7. Vernunft, Glaube, Toleranz und Görlitz
1 . Zum Jahresende 2012
Das Mitteilungsblatt hat die persönliche Zurückhaltung des Alt-OB in der Beurteilung aller Vorgänge vor und nach der Wahl respektiert. Nach 100 Tagen bat es nun den Vorsitzenden von „Zur Sache!“ um die folgende Einschätzung der Lage.
Verehrte Vereinsmitglieder, liebe Freunde!
Nun, wo das Jahr zu Ende geht, möchte ich mich als erstes bei Ihnen und Euch bedanken. Bedanken für die Unterstützung, die mir viele in einer für mich nicht einfachen Zeit gegeben haben.
Wie ist es mir nun ergangen? Nach meinem Ausscheiden aus dem Amt am 30. Juni habe ich mir etwas Zeit zur Besinnung genommen. Diese Tage und Wochen im Sommer taten mir gut, ich hatte Zeit zum Nachdenken und zum Genießen. Nachgedacht habe ich über meine Zukunft und genossen habe ich den Sommer. Ich hatte wieder Zeit, die alltäglichen Dinge des Lebens wahrzunehmen. Zu sehen und zu riechen, wie die Natur ihre ganze Pracht entfaltet, mich den Verrichtungen des Alltags ohne Zeit- und Termindruck zu widmen und mit Freunden zu reden, wie es weitergehen kann. Diese Tage und Wochen taten unwahrscheinlich gut und haben mir die Gelassenheit gegeben, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind.
In der Rückschau auf die sieben Jahre Oberbürgermeister ist mir noch klarer geworden, welch riesige Aufgabe vor mir und meinem Team stand. Ich kann feststellen, dass es uns gelungen ist, unsere Stadt vor dem finanziellen Desaster zu bewahren und wieder auf den Pfad der Tugend zu führen. Umso unverständlicher ist es, dass es Stadträte gibt, die lauthals verkünden, dass sie nun endlich wieder richtig viel Geld für ihre Lieblingsprojekte ausgeben werden. Als ob sie die vergangenen Jahre nicht miterlebt hätten.
Genauso das Verhalten beim Thema Stadthallensanierung. Es überrascht mich schon, wie unkommentiert die plötzliche Kehrtwende der Herren Dr. Wieler, Dr. Weidle, Ursu und anderer bleibt, nachdem das „Aus“ für das von genau diesen Herren und ihren Gefolgsleuten wider besseren Wissens immer wieder vorangetriebenen Projekt vom OB verkündet wurde. Die Informationen zu den Risiken beim Bau und der Finanzierung sind von Anfang an bekannt gewesen. Sie sind nur ignoriert oder schön gerechnet und geredet worden. Was wird man vor der nächsten Wahl damit machen?
Aber jetzt müssen offensichtlich erst die Versprechen aus dem letzten Wahlkampf abgearbeitet werden. Hier mal ein Auftrag, da mal ein Gutachten, das keiner braucht und ein inhaltlich nicht definiertes Jugendzentrum, das wohl „erst einmal“ 2,1 Mio. Euro kosten soll. Ich finde, das ist nicht der richtige Umgang mit dem Geld der Bürger. Oberste Priorität sollte die Entlastung der Bürger haben. Eine spürbare Absenkung der in Görlitz extrem hohen Grundsteuer ist nach wie vor möglich und kann bei anhaltendem Sparwillen und guter Finanzpolitik auch realisiert werden. In Anbetracht der im kommenden Jahr weiter steigenden Energiepreise und Abfallgebühren, einer Inflationsrate von über zwei Prozent im Landkreis Deutschlands mit der geringsten Kaufkraft wäre es das richtige Zeichen für die Einwohner unserer Stadt. Aber auch ein dauerhaftes Argument, um nach Görlitz zu ziehen. Anders als dieses lächerliche „Begrüßungspaket“, das erfolglos und teuer ist.
Politisch werde ich weiterhin als Kreisrat die Interessen der Görlitzer im Landkreis vertreten. Dabei wird in der nächsten Sitzung neben dem Haushalt mit einer nicht zu akzeptierenden und die Stadt mit weiteren Millionen belastenden Kreisumlage von 33,5% das Thema Abfallgebühren eine wesentliche Rolle spielen. In der Kalkulation, die für mich in der Form, wie sie mir vorliegt, nicht nachvollziehbar ist, kann ich jedenfalls auch keinen „Solidaritätsgedanken“, wie der Landrat die exorbitante Erhöhung der Gebühren für Görlitz begründetet, erkennen. So etwas hat auch in einer Gebührenkalkulation nichts zu suchen. Da zählen nur Fakten. Ich werde also gegen diesen Beschluss stimmen.
Nachdem in Sachsen ein (Ober)Bürgermeister, der noch nicht 60 Jahre alt ist, nach sieben Jahren im Amt keinen Pensionsanspruch hat, stand für mich die Frage, wie ich mir meine Brötchen in Zukunft verdienen werde. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich für die Selbständigkeit entschieden. Seit September bin ich im Bereich Consulting (Beratung) für Unternehmen, Kommunen, Gewerkschaften usw. in betriebs- und immobilienwirtschaftlichen Aufgabenstellungen tätig. Meine Studienabschlüsse der BWL und Immobilienwirtschaft sowie die Erfahrungen der vergangenen Jahre sind dafür eine gute Grundlage. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei meinen Geschäftspartnern für ihre Fairness bedanken. Es macht große Freude, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die fleißig, selbstbewusst, optimistisch und somit erfolgreich sind. Kurz gesagt, es geht mir gut. Das gleiche hoffe ich von Ihnen und Euch auch.
Für die letzten Tage des Jahres wünsche ich noch viel Erfolg und Freude, allen ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in das neue Jahr.
Ihr und Euer Joachim Paulick
2. Reinhard Fröhlich, + 15.11.2012
Am 15. November 2012 starb unser Fraktionsmitglied und Freund Reinhard W. Fröhlich. Obwohl er kein Görlitzer von Geburt war, so war er es doch in seiner Gesinnung. Es ist nicht neu, dass es eine typische Görlitzer Eigenart war, immer wieder frisches Blut und neue Ideen aus dem Osten oder dem Westen Deutschlands auf- und anzunehmen.
Obwohl 1949 in Gifhorn geboren, war seine große Liebe die Wahlheimat Köln, die Stadt, der Fußballverein und der Karneval. Hier erlebte er prägende Jahre, hier wurde er zum lebensfrohen Rheinländer. Nach einem kurzen Zwischenspiel in Bad Tölz - geboren aus dem Wunsch, den Bergen nahe zu sein - kaufte er mit seiner Frau Danuta in Görlitz eine Apotheke. Mit der Geburt einer Tochter 1988 schien das Glück vollkommen zu sein. Seine lebensfrohe Art, die er auch in die Fraktionsarbeit einbrachte, machten ihn unverwechselbar. Mit Humor und Herzenswärme erleichterte er die Zusammenarbeit aller und gewann überall Sympathien.
Er wusste aber auch, dass echtes Leben Teilen mit Ärmeren bedeutet. Unter seiner Geschäftsführung wurde die Fortuna-Apotheke in Görlitz zu einer Institution. Er förderte viele ideelle, kulturelle, kirchliche Institutionen, ohne darüber viel zu sprechen. Die Mitarbeit im Arbeiter-Samariter-Bund war ihm Pflicht. Dann kam die heimtückische Krankheit. Am Ende stand bei dem kirchentreuen Katholiken das Lutherwort: „ Wir sind Bettler - das ist wahr“, Hinweis auf seine aus Nachdenken entstandene ökumenische Haltung. Was wohl nach dem Tod komme, fragte er einmal. Ist der Tod der erholsame traumlose Tiefschlaf, den man sich nach schwerer Zeit so sehr ersehnt; ist er das Wiedersehen mit denen, die man lieb hat oder ist er etwas ganz anderes, dieses „totaliter aliter“? Das zu entscheiden überließ er dem Herrn, zu dem die große, Abschied nehmende Gemeinde betete: “Dein Wille geschehe!“ In unseren Gedanke bleibt er bei uns.
3. Alt-OB Paulick an OB Deinege
Voraussichtlich wird demnächst die Abfallgebührensatzung für den Landkreis dem Kreistag zum Beschluss vorgelegt werden. Nachdem unvollständige, ja merkwürdige Kommentare zu diesem Thema in der Stadt kursieren, hat sich Alt-OB Paulick als Kreisrat an Oberbürgermeister Deinege gewandt und ihn daran erinnert, sich zu vergewissern, dass die dem Landkreis übertragenen Mittel aus der Abfallgebührenrücklage, immerhin 610.876, 55 EUR, gebührenmindernd den Gebührenschuldnern des Stadtgebietes Görlitz zu Gute kommen.
Diese zweckgebundene Rücklage muss in eine Neukalkulation der Abfallgebühren für das Stadtgebiet Görlitz einbezogen werden. Der Oberbürgermeister ist vom Stadtrat beauftragt, vom Landkreis Görlitz einen prüfbaren Nachweis über die Verwendung der Rücklage anzufordern.
4. Mittel gegen Zeitungssterben
Bekannt ist, wie übel es den gedruckten Medien, vor allem den Tageszeitungen geht. Nur wenige, auf bestimmte Themen spezialisierte Printmedien werden überleben. Besorgniserregend für die SZ in Görlitz ist zudem, dass der Verlag des Blattes erschreckende Verfallserscheinungen zeigt. Wie jede Zeitung versucht deshalb auch die SZ durch auswählende Berichterstattung bestimmte Abonnenten-Gruppen zu halten. Das ist nicht verboten, aber ist auch alles erlaubt?
Kaum war ein Großartikel in der Görlitzer SZ über Herrn Egon Krenz gedruckt, immerhin den Nachfolger Honeckers und nach kurzer Haft wegen vielfachen Totschlags inzwischen wohlgelaunter Verkäufer ausrangierter Flugzeuge nach Russland, da erschien ein neuer SZ-Großartikel: „Oberster Nazijäger der DDR spricht in Görlitz“. Zugegeben: Information ist immer wichtig, nur sollte sie wahr sein und nachprüfbar geboten werden. Dieter Skiba, den die SZ als „Nazijäger“ popularisierte, war hochrangiger Offizier im Führungskader der STASI. Er war kein Nazijäger, war kein unbestechlicher Anwalt der im 3. Reich Verfolgten, schon gar kein Simon Wiesenthal, sondern er selektierte, wann ein Verfahren gegen einen bundesdeutschen „Nazi“ der Bundesrepublik schaden konnte. Waren NS-Täter in der DDR nützlich, konnten sie in die höchsten Ämter aufsteigen. Nach DPA (20.02.2006) hatte die DDR 1974 eine Liste mit rund 800 Personen aufgestellt, die verbrecherischen Nazi-Organisationen angehört hatten. Bis 1989 wurden aber nur 74 Personen vor Gericht gestellt.
Die SZ sucht damit im Jahre 2012 nach Abonnenten im Kreis der Menschen, für die die DDR - wenn sie nur richtig dargestellt wird - immer noch Zukunftsbild ist. Da ähnelt Görlitz Berlin, wo sich wieder Altkader der STASI so kräftig zu Wort melden, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin Wowereit meinte: “Ohne Zweifel ist ein solches massives, selbstbewusstes Auftreten von früheren Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit besorgniserregend.“
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Ganz wohl muss aber auch der SZ dieser STASI-Offizier nicht gewesen sein, denn die Zeitung teilte mit, dass eine telefonische Anmeldung für die Teilnahme an der Veranstaltung notwendig sei. Bleibt die Frage: Sollte in Görlitz die Zahl der Menschen, die einen STASI-Offizier als vertrauenswürdige Informationsquelle schätzen, so groß sein, dass sie das Überleben der Zeitung noch eine Weile möglich macht? Wir meinen, dem Dilemma, langsam zu sterben, ist so sicher nicht abzuhelfen.
5. Jugend und Stadt
Von einem Treffen des Oberbürgermeisters und zeitweise sechs Stadträten mit sechs prächtigen, Selbstbewusstsein und Wissensdurst ausstrahlenden Gymnasiasten der Klassen 10 und 11 aus Görlitz ist zu berichten. Dieses Treffen in der Hotherstraße könnte durchaus zu einer größeren Mitbeteiligung der Jugend in der Stadtpolitik führen, wenn …
Aber lesen Sie: Einig war sich die Runde, dass die Jugendgruppe, die sich „A-Team“ nannte, daran arbeiten muss, sich hinreichend als Vertreter der Jugend zu legitimieren und Kontinuität zu bieten. Das heißt, nachzuweisen, dass die Gruppe eine ausreichend große Zahl von Jugendlichen vertritt und auf längere Zeit gesichert arbeiten wird. Das Entgegenkommen der Stadträte wird durch die Hauptsatzung gebunden, So dürfen eben Jugendliche nicht an nichtöffentlichen Ausschüssen teilnehmen. Ein Stimmrecht in beschließenden Ausschüssen haben auch nur gewählte Stadträte. Es bleibt aber doch ein weites Feld möglicher Mitarbeit. Dafür gab es vielerlei gut gemeinte Vorschläge, die in der Theorie leicht zu verwirklichen sind.
Das meinte auch OB Deinege und versuchte, die Stadträte auf den Boden der Tatsachen zu holen. Sätze, wie etwa: “Praxis ist mir lieber als Theorie“ oder „Jeder will einen Vertreter im Rathaus haben. Wenn ich aber einen ernenne, hören alle anderen auf zu arbeiten.“ Diese klaren Wahrheiten sagten uns sehr zu.
OB Deinege bot an, er habe im Rathaus einen Mitarbeiter, der Anlaufstelle für die Jugendlichen werden könnte, der als Informationsquelle und zum Austausch von Nachrichten dienen könnte. Das sollte die versprochene Landung aus der Theorie in der Praxis sein. Der Vertreter von „Zur Sache!“ weiß aber, dass eine solche „Tauschbörse“ vor der Haustür nachdenklichen Jugendlichen auf Dauer nicht genügt. Jugend will von jeder Sache wissen, wie sie geht und warum etwas so und nicht anders gemacht wird. Das, so meinte der Vertreter von „Zur Sache!“ ist nur durch Beteiligung eines Jugend-Vertreters an vorbereitenden Gesprächen für eine Stadtratsentscheidung möglich.
Auf der nächsten Fraktionssitzung will deshalb „zur Sache!/SPD“ darüber beraten, dass ein Jugendvertreter zu allen für die Jugend relevanten Themen eingeladen wird. Die Zeit Januar ist ideal. Da beginnt die Diskussion um das 2,5-Millionen- Projekt I. Teil: Jugendzentrum. Das aber war zu viel. Umgehend protestierte der OB gegen diesen „nicht sinnvollen, nicht weiterführenden Vorschlag“. Das Jugendzentrum sei „mit der Jugend“ bereits abgesprochen, also „abgehakt“. Nicht gesagt wurde, welche Jugend gemeint war. Von der CDU kam ebenfalls Protest: Die Probleme seien viel zu umfangreich und zu schwierig. Das könne man der Jugend „nicht zumuten“. Das weitere Angebot von gleicher Seite, „gefilterte“ Informationen an die Jugend zu geben, wurde auf deren Protest als „missverständlich“ zurückgezogen.
Also: Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre - wäre das die richtige Bezeichnung zum Inhalt des Abends?
6. Gerhart Hauptmann
Die Flut neuer Biographien und Bücher über Gerhart Hauptmann zeigten im November 2012 ein Jubiläum an: Hauptmanns Geburtstag jährte sich zum 150. Male. Doch unsere Zeit und sein Görlitz meint es nicht gut mit diesem Dichter. Nicht nur, dass er auch in seiner engeren Heimat kaum erwähnt, geschweige denn aufgeführt wird. Die einzige Zeitung in Görlitz schrieb am 12.12.2012 „Rotkäppchen zieht besser als Gerhart“ und verwies auf eine Theater-Aufführung in Senftenberg. Reich-Ranicki - Erfinder des deutschen Lesers und wie er sein soll - hält Hauptmann für „das beste Beispiel des dummen Dichters“. Vielleicht kam er zu dieser Meinung, weil sich Hauptmann politisch nie positioniert hat. „Opportunist“ ist deshalb auch eine häufige Charakterisierung. Dabei wird aber vergessen, dass bis 1918 „politische Positionierung“ nicht zu den Erziehungszielen von Schule und Elternhaus gehörten.
Hauptmann erreichte als Theaterschriftsteller seine größte Wirkung. Während Gedichte immer exklusiv einem kleinen Kreis vorbehalten bleiben und sehr langsam, so wie die Sprache, veralten, ist es mit dem Theater anders: Die Welt ändert sich, ihre Probleme ändern sich mit zunehmender Schnelligkeit. Am meisten aber ändert sich die Abgebrühtheit der Leute. Und es wäre nachzuprüfen, ob nicht die Schriftsteller, die aus der Provinz kamen, die Aura der Geheimnisse dieser Welt und der ungeteilten Schöpfung viel edler empfinden und reflektieren konnten als die mit allen Wassern gewaschenen Großstadt-Poeten. Und das durchaus auch mit Wissen und Weisheit. Gerhart Hauptmann kam aus einem Gebirgstal des Riesengebirges.
Hauptmann half dem naturalistischen Drama in Deutschland auf die Bühne. Ibsen und Zola waren ihm zwar voraus. Aber, urteilte eine Literaturgeschichte: „Wir haben oft gesehen, dass der Deutsche zuletzt kam, dann aber dem Ganzen die Krone aufsetzte.“ Damit waren „Die Weber“ gemeint. Hatte das erste Drama Hauptmanns, „Vor Sonnenaufgang“, die Determiniertheit des Menschen zum Thema, so erschütterte bei den „Webern“ den Dichter die Gleichgültigkeit, mit der dieser Berufsstand sein Schicksal hinnahm. Es bleibt ein trauriger Witz, dass der einzige Fabrikant, den Hauptmann zum Ausbeuter stilisierte, zu den wenigen Wohltätern der Weber gehört hatte.
Hauptmann war kein Revolutionär, er nahm nicht Partei für den Fortschritt, er scheute immer die Entscheidung zwischen dem Einerseits und dem Andrerseits. Er suchte die heilende Rückbindung zur Natur. Nur so ist es erklärbar, dass die Weimarer Republik ihn ebenso vereinnahmen konnte wie das Dritte Reich und darauf ohne Unterbrechung die Funktionäre der DDR. Dagegen konnte sich der 1946 Gestorbene allerdings nicht mehr wehren.
7. Vernunft, Glaube, Toleranz und Görlitz
Als der Berichterstatter vor 6 Jahren in seine Heimatstadt Görlitz zurückkehrte, erlebte er als erstes Groß-Ereigniss die Entsendung von 2 Handwerker-Missionaren aus einer Görlitzer Kirchengemeinde nach Afrika. Das Weitersagen der christlichen Botschaft, heute ungern „Mission“ genannt, gilt als sicherstes Zeichen lebendigen christlichen Glaubens in einer Gemeinde.
Dieser eindrucksvolle Beginn wurde bald variiert. Im liberalen Südwesten Deutschlands, wo er sich länger aufgehalten hatte, war Religion Privatsache. Der Kirche begegnete man voller Höflichkeit, für ihr Sozialwerk war man dankbar. Keiner wurde nach seinem Glauben gefragt. Erst in Görlitz meinte dann ein Stadtrat, öffentlich mitteilen zu müssen, er könne den christlichen Glauben nicht teilen. „Na und?“, hätte die Gegenfrage lauten müssen: “Wo sehen Sie da ihr Problem ?“ Erschreckend war auch die traurige Mitteilung eines Ehrenamtlichen im Sozialwerk der Kirche: “Auch der beste Wille, zu helfen, wird sofort behindert, findet sich in diesem Ansatz irgendein christlicher Gedanke.“
In Görlitz konnte eine große Zeitungsüberschrift erscheinen: „Kirche verliert weiter Mitglieder“. Und, neugierig geworden, las der Berichterstatter am 26.11.2012 in der SZ, dass vor einem Jahr 22 % der Gesamtbevölkerung der Evangelischen Kirche angehört hätten, jetzt 21,8%. Diese „Unterschiede“ können durch Tod, reversiblen Zu- oder Wegzug entstanden sein, berechtigen aber nicht zu einer solchen Feststellung. Hier will einer der Evangelischen Kirche schaden.
Nirgendwo wäre es auch möglich gewesen, dass ein Bürgermeister nicht weiß, wer in der Kirchenhierarchie der Stadt für eine Platzbenennung zuständig ist. Und als dieses peinliche Fehlverhalten im Stadtrat zur Sprache kommt, geht man nach kurzer Verlegenheit kommentarlos darüber hinweg. Und die CDU spielt mit.
Am 6. Oktober wurde das Erinnern an die Wende, das in Görlitz am Originalplatz stattfinden sollte, entgegen der geschichtlichen Wahrheit von der Kirche ins Rathaus verlegt. Man riskierte dabei jede Blamage. Denn die Kirchenfeindlichkeit der Veranstalter überragte weit ihren Verstand. Da man eine halbwegs anständige Dokumentation über die Ereignisse der Wende selbst nicht zusammenbekam, lieh man sich die Dokumentation von der Kirche.
Und, das ist nicht nur „Überbleibsel“ der untergegangenen DDR, sondern hiesiger Zeitgeist, der nachgeplappert wird: Letztens hörte der Berichterstatter von einem Sechsjährigen die abschätzige Frage: “Bist du denn noch kirchlich?“ Und vor einem Brautmodegeschäft, als ein kleines Mädchen die Auslagen bewunderte, hörte er die Mutter sagen: “Das ist nur für die, die noch heiraten.“
Betrachtet man die Geschichte der Kirchen-Gemeinden im Görlitz der DDR und das heutige geistige Klima in der Stadt, so muss es geradezu als Wunder erscheinen, dass noch christlich geglaubt wird. Und trotzdem gibt es wieder den kräftigen und heiteren Glauben des Neuen Testamentes in der Stadt. Wieder bekennen sich in Görlitz fast ein Viertel der Einwohner zu ihm. Warum hat dieser Glaube heute überhaupt diese Chance? Letzten Ende doch, weil er dem Wesen des Menschen entspricht. Denn der Mensch ist viel weiter dimensioniert, als es sich die Ideologen vergangener Diktaturen und die Ideologen heutiger Zeit vorstellen können.
Im Menschen lebt unvergänglich die Sehnsucht nach einem Sinn. Keine der bisherigen Antworten aus der Politik konnte dem genügen. Der Physiker W. Heisenberg bezweifelte in einem Gespräch 1927, dass Menschen auf Dauer ohne diesen Glauben leben können. Mit Verweis auf Einstein und Max Planck vertrat er die Ansicht, dass es keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Glauben gebe. In der Naturwissenschaft gehe es um richtig oder falsch, im Glauben aber um gut oder böse.
Der zweifache Nobelpreisträger Wolfgang Pauli verstärkte Heisenbergs Zweifel: Die Trennung zwischen Wissen und Glauben sei nur ein Notbehelf für eine sehr begrenzte Zeit. Sollten die Bilder unseres Glaubens zerstört werden, so fürchtete er, dann wird auch die bisherige Ethik zusammenbrechen und Dinge größter Schrecklichkeit werden geschehen. - Die Teilnehmer dieses Gespräches konnten damals noch nicht ahnen, dass wenig später die unseligen 12 Jahre beginnen sollten, in denen sich Dinge größter Schrecklichkeit abspielten. Das war der Grund, warum nach diesen 12 Verbrechensjahren ein Grundgesetz in der „Verantwortung vor Gott“ beschlossen wurde, um eine untrennbare Bindung von Recht und Politik an den moralischen Imperativ des biblischen Glaubens zu schaffen.
Der Ordensgründer Benedikt, so erzählt Gregor der Große (+ 604) in seinen Dialogen, sei einmal aus dem Schlaf aufgewacht und ans Fenster getreten, um betend zu meditieren. Während er in die Dunkelheit hinaus schaute, erblickte er plötzlich ein wunderbares Licht, dass sich über alles ergoss und alle Finsternis vertrieb. Die ganze Welt wurde ihm so vor Augen geführt. „So etwas gibt es nicht, das kann nicht sein“, antwortete darauf der Gesprächspartner Gregors. Darauf Gregor: “Wenn er die ganze Welt vor sich sah, dann nicht, weil Himmel und Erde sich eng machten, sondern weil das Herz des Schauenden sich weit öffnete.“
Dieses „weite Herz“, das Wesentliche zu erkennen, wünscht Ihnen zum Christfest
Ihr Gleißner
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- Quelle: red | Grafik: zur Sache! e.V.
- Erstellt am 19.12.2012 - 08:54Uhr | Zuletzt geändert am 20.12.2012 - 05:25Uhr
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