Tag der Befreiung

Wenn das Gedenken daran, wie der Nationalsozialismus ein Volk weitgehend korrumpieren und eine Vielzahl von Verbrechern erzeugen konnte, als Mahnung lebendig gehalten werden soll, dann gehört auch der 8. Mai als Tag der Befreiung auf die Liste der Erinnerungskultur.

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Wichtigstes Kriegsergebnis ist der stabile Frieden in Europa

Deutschlandweit hatte Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Jahr 1985 den Tag der militärischen Niederlage Deutschlands, der das Ende des zweiten Weltkriegs in Europa markiert, mit seiner Rede vor dem Bundestag als Tag der Befreiung salonfähig - besser diskussionsfähig - gemacht. Die Kriegsgeneration selbst hatte den Tag vor allem als den „Zusammenbruch“ verankert. Die DDR übrigens sah sich in ihrem propagandistischen Eifer schon immer „an der Seite der Sieger“.

Unterschiedliche Geschichtsbilder


Es scheint, als ob ein halbwegs klares Geschichtsbild auf die Wurzeln, die zum Zweiten Weltkrieg führten, und die Niederlage des faschistischen Deutschlands noch immer den Historikern vorbehalten ist. Zu sehr haben ideologische Prämissen den Blick in den historischen Rückspiegel verzerrt. So wurde in der DDR-Geschichtsschreibung den West-Alliierten nur eine nachrangige Rolle im Krieg zugewiesen - was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Sowjetunion zweifellos den höchsten Blutzoll im gegenseitigen Morden entrichtete

Täter, Opfer und Mitbefreier

Die Rolle der Sowjetunion trägt paradoxe Züge: Durch den auf Grundlage des Hitler-Stalin-Pakts erfolgten Einmarsch in Polen und Verbrüderungsszenen mit der von Westen her vorrückenden Wehrmacht möchten die Kriegsveteranen nur ungern erinnert werden. Und dann schafft es Stalin, die Völker der überfallenen Sowjetunion in einen schon fast aussichtslos scheinenden Kampf zuschicken und - motiviert von Heimatliebe, Rachelust und Grausamkeit der eigenen Führung - gemeinsam mit den Alliierten zum Sieg zuführen.

Einem Sieg, dessen Ziel nicht die Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur war, sondern seine militärische Niederlage. Der Befreiungs-Gedanke entstand vermutlich zuerst in der Sowjetischen Besatzungszone, um die Ostblock-Orientierung zu stärken.

Abgesteckte Claims

Schon vor Kriegsende hatten die Alliierten ihre Interessen abgesteckt, die zur Nachkriegsentwicklung und zur deutschen Teilung führten. Im Westen konnte Adenauer seine Vision einer Frankreich zugewandten deutschen Republik verwirklichen, im Osten konnten die Kommunisten unter Aufsicht der Sowjetunion ihr großes Gesellschaftsexperiment starten.

Die Alliierten wiederholten nicht den Fehler des Ersten Weltkriegs, Deutschland durch enorme Reparationsbelastungen zu destabilisieren. Im Westen pumpte der Marshall-Plan (European Recovery Program - ERP) Geld in die zerstörten Länder, wobei die Deutschen schlau genug waren, diese Gelder als Kredite zu vergeben, so dass sie noch heute als ERP-Sondervermögen zur Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen. Auch im Osten ging die Sowjetunion nach einer Zeit der wilden Demontagen dazu über, auf die wirtschaftliche Erholung zu setzen und sich an der Wirtschaftsleitung und an Bodenschätzen zu bedienen.

Die Nachkriegszeit ist vorbei

Die Nachkriegszeit endete 1990 mit der Herstellung der deutschen Einheit, dem Ende der westdeutschen Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg, der Herstellung der vollen Souveränität der neuen Bundesrepublik.

Seien wir also dankbar, befreit worden zu sein. Nicht auszudenken, wohin ein nationalsozialistisches Großdeutschland geführt hätte. Freuen wir uns über eine nicht widerspruchsfreie Demokratie und ein wenig Multi-Kulti. Nehmen wir an der polnischen Grenze die Kriminalität, die an den Stammtischen schlimmer ist als in der Realität, vor dem Hintergrund eines sicheren Friedens als ein kleines Übel hin. Schätzen wir die Freiheit des Denkens, des Worts - und die Freiheit, das Leben selbst in die Hand nehmen zu können.

Warum dieser für die Entwicklung Deutschlands so entscheidende Tag in der Bundesrepublik - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - kein Staatsfeiertag ist, bleibt offen.

Ein Augenzwinkern der Geschichte

Eine Fußnote der Geschichte ist die heute so genannte „Freie Republik Schwarzenberg“. Tatsache aber ist, dass das Gebiet um die Erzgebirgsstadt zunächst nicht besetzt wurde. Ein von Kommunisten geführter antifaschistischer Aktionsausschuss ergriff am 12. Mai 1945 die Macht und organisierte das Überleben. Der basisdemokratische Ansatz für ein besseres Deutschland wurde mit dem Einmarsch der Roten Armee am 26. Juni 2010 erstickt.

Von Thomas Beier


Mehr:
Chronik des Kriegsendes
Die Freie Republik Schwarzenberg
Behörden, Verbände und Institutionen zur Neugründung der Freien Republik
Reisepass und Aufenthaltsgenehmigung


Vortrag:
Ein Vortrag im Rahmen der 65-Jahr-Feier der Freie Republik Schwarzenberg
Sonntag, 9.Mai 2010, Beginn: 20 Uhr
„Was geschah April/Mai 1945 in der Amtshauptmannschaft Schwarzenberg?“
Dipl.-Kunstwissenschaftler Günther Eckhardt, Schneeberg
Stichpunkte: Geheime Atomforschung im Landkreis, Unterirdische Bunkeranlagen und Rüstungsproduktion, Aktivitäten der 3. US Armee vom 14-18.April 45

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  • Quelle: Thoma Beier | Fotos: BeierMedia.de
  • Erstellt am 08.05.2010 - 09:13Uhr | Zuletzt geändert am 08.05.2010 - 09:31Uhr
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