Vereinbarungen für Bau des Landratsamtes liegen beim Landkreis
Görlitz-Zgorzelec. Mit Verwunderung hat der der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick am 22. April 2010 die Äußerungen von Landrat Bernd Lange in der Sächsischen Zeitung zur Kenntnis genommen, wonach er den Bau des Landratsamtes bremse. Nach seinen Worten habe am Morgen des 20. April ein persönlicher Bote dem Büro des Landrats die Förder- und Zahlungsvereinbarung zur Unterzeichnung durch den Landrat übergeben. „Es ist gängige Praxis, dass der Empfänger einen Vertrag zuerst zeichnet. Die Stadt hat die Vereinbarungen maßgeblich erarbeitet, der Kreis als Eigentümer des Objektes „zentrales LRA“ möchte Geld von der Stadt. Uns ist es wichtig, dass beide Vereinbarungen zeitgleich von LRA und Stadt unterzeichnet werden“, erklärte der Görlitzer Oberbürgermeister.
Stadt Görlitz will sich nicht länger vertrösten lassen
Die Stadt Görlitz hatte erst am 14. April 2010 die Zustimmung der Sächsischen Aufbaubank (SAB) mit den konkreten Bedingungen zum Großvorhaben erhalten. Daraufhin waren Änderungen der Verträge erforderlich, die seitens der Stadt Görlitz umgehend eingearbeitet sowie mit Herrn Peschel und Herrn Jennewein vom Landratsamt besprochen wurden. Inzwischen allerdings favorisiert der Kreis ggf. eine gänzlich andere Vertragskonstruktion für die Zahlungsabwicklung, was nach Aussage der Stadt Görlitz abzuwarten bleibt. Vorteil der gewählten Vorgehensweise sei, dass Nachverhandlungen vermieden werden konnten.
Neißefonds für Landratsamt zahlen, darf für Stadthalle aber nicht
Für den Bau des neuen Landratsamtes muss die Stadt auch auf ihre "eisernen Reserven" aus dem Neißefonds zurückgreifen. Der Landkreis, der in diesem Fall profitiert, hat damit keiner Probleme: In seiner Funktion als Rechtsaufsichtsbehörde (RAB) hat er ohne Ansehung des Haushaltes, der Finanzvorschau und darin eventuell enthaltener Risiken eine positive gemeindewirtschaftsrechtliche Stellungnahme (GWS) auszustellen.
Beim Antrag der Stadt auf eine solche positive gemeindewirtschaftsrechtliche Stellungnahme für der ersten Bauabschnitt der Stadthallen-Sanierung unter Verwendung von Neißefondsmitteln sah sich die Rechtsaufsicht ohne eine Einschätzung der Haushaltsentwicklung zu einer vergleichbaren Entscheidung nicht befähigt. Die Stadt erhielt auf ihren entsprechenden Antrag vom 25. März 2010 lediglich ein Schreiben in Form einer „Rückstellung des Antrages“ mit folgendem Tenor (Auszug): „Eine Einschätzung der Haushaltsentwicklung der Stadt Görlitz, die es ihr ermöglicht, ohne weitere Gefährdung der Leistungsfähigkeit das Vorhaben zu verwirklichen, kann derzeit von der zuständigen RAB noch nicht getroffen werden. … Da jedoch aus Sicht der Rechtsaufsichtsbehörde kein Anlass für die Eilbedürftigkeit besteht und wir nach wie vor davon ausgehen, dass die Entscheidung über die notwendigen Fördermittel durch den Freistaat Sachsen frühestens im III. Quartal 2010 getroffen werden wird, sind aus Sicht des Kommunalamtes genauere Betrachtungen und gesicherte Erkenntnisse zur Entwicklung der Haushaltslage der Stadt Görlitz notwendig, um eine entsprechende positive GWS abzugeben.“
Momentan könne eben auf Grund von Risiken, die zwar nicht benannt werden, die „aber nahezu unverändert fortbestehen“, nicht entschieden werden, ob der Neißefonds nicht etwa für diese „Risiken“ als Notfall-Rücklage erhalten bleiben muss.
1,2 Millionen Euro seien „keine Belastung"
Dieses unterschiedliche Verhalten sorgte bei der Stadt Görlitz für Unverständnis und Irritationen. „Eine Entnahme aus dem Neißefonds ist sicher richtigerweise immer in Abhängigkeit des Haushaltes und damit der Leistungskraft der Stadt zu stellen, nicht aber in Abhängigkeit der Eignerschaft von Objekten/ Projekten. Erwägungen zur Haushaltslage der Stadt müssten demnach bei jedem Projekt, das städtisches Geld beansprucht, eine Rolle spielen", ist der Standpunkt der Stadtverwaltung.
Die kreisliche Begründung, der Bau des Landratsamtes „belaste den städtischen Haushalt nicht“, geht angesichts der von der Stadt bereitgestellten rund 1,2 Millionen Euro mehr als fehl, so die Verwaltung in einer Pressemitteilung. Jeweils hälftig wird dieser zehnprozentige Eigenanteil der Stadt auf die Finanzierungsquellen Maßnahmeplan und Neißefonds verteilt. Noch unverständlicher erscheint der Görlitzer Stadtverwaltung jedoch in diesem Zusammenhang die Begründung der landkreislichen Rechtsaufsichtsbehörde, das zentrale Landratsamt entlaste den Görlitzer Haushalt durch Synergieeffekte.
Unterschiedliche Maßstäbe für Landkreis und Stadt
Wenn es um kreisliche Interessen, wie den Bau des Landratsamtes, welches sich innerhalb eines Jahres alleine planseitig von rund 10 auf inzwischen mind. 17 Millionen Euro verteuerte - zu erwartende Preissteigerungen während der Bauphase noch nicht eingerechnet - geht, werden offenbar völlig andere Maßstäbe angelegt als bei städtischen Projekten. Oberbürgermeister Joachim Paulick kann das Verhalten der Aufsichtsbehörde nicht nachvollziehen: „Sollte hier die in den Kommentierungen zur SächsGemO viel beschriebene „Janusköpfigkeit“ der Aufsichtsbehörde zur traurigen Gewissheit werden? Wir hoffen nicht.“
Deswegen hatte die Stadt bereits mit Datum vom 31. März 2010 einen bis heute unbeantworteten sogenannten Feststellungsantrag zur Aufklärung dieser Situation gestellt. Mit diesem Antrag verbindet die Stadt die Erwartung einer grundsätzlichen projektunabhängigen Entscheidung über die Verwendung der Neißefondsmittel. Eine generelle Entscheidung, losgelöst von etwaigen Verwendungszwecken, ist aus Sicht der Stadt geboten, da eine diesbezügliche Antwort der Rechtsaufsicht für die rechtliche und finanzielle Abschätzung des Risikos des vorliegenden Projektes „Landratsamt" von erheblicher Bedeutung ist.
Stadt Görlitz braucht Klarheit, wie sie Ihr Geld verwenden darf
Da beide Projekte - sowohl Landratsamt als auch Stadthalle - auf Neißefondsmittel angewiesen sind, braucht die Stadt unbedingt Klarheit, wie sie Mittel aus dem Neißefonds verwenden darf. Das Risiko: Unter Umständen muss mit einer Rücknahme der bereits erteilten gemeindewirtschaftsrechtliche Stellungnahme zum Landratsamtsbau rechnen, nämlich dann, wenn der Rechtsaufsichtsbehörde plötzlich neue Risiken bekannt sind oder werden - und die Maßnahme noch nicht begonnen ist. Diese rechtliche Möglichkeit besteht nach Meinung der Stadtverwaltung, weil sich das Landratsamtsprojekt aktuell noch immer in der Planungsphase befindet.
Die Stadt Görlitz vertritt die Rechtsauffassung, dass angesichts ausgeglichener Haushaltspläne, Finanzpläne, Jahresabschlüsse und Sicherungskonzepte generell keine Genehmigungspflicht mehr für die Entnahme von Rücklagemitteln erforderlich ist. Im Gegenteil, das kommunale Selbstverwaltungsrecht garantiert der Stadt eine eigene Finanzhoheit. Nur im Falle einer mittel- oder langfristig instabilen Haushaltslage können von der Aufsicht Beschränkungen auferlegt werden. Diesen Beweis sei die Rechtsaufsichtsbehörde allerdings bis heute schuldig geblieben, so die Stadtverwaltung.
Görlitz kann nicht für Entscheidungen des Landkreises geradestehen
Für die Handlungen des Landkreises sieht sich die Stadt Görlitz nicht in der Pflicht: „Sollte der Landkreis ohne endgültige Sicherheit über die Gesamtfinanzierung bereits Aufträge für den Bau des Landratsamtes ausgelöst haben, ist das kein Fehlverhalten der Stadt. Dass der zeitliche Druck auf Beginn des Projektes indes wächst, kann diesseits angesichts der nötigen Abrechnung von Fördermitteln nachvollzogen werden. Der späte Start liegt aber nicht in einer Schuld der Stadt begründet." Ein förderunschädlicher vorzeitiger Baubeginn sei generell heutzutage sowieso nicht mehr möglich.
Dennoch ist die Stadt gewillt, alles zu tun, um den Bau des Landratsamtes gemäß Auseinandersetzungsvereinbarung zu ermöglichen. Allerdings erwartet sie ihrerseits auch zwingend Klarheit in der Darstellung der Gesamtfinanzierung und gleichzeitig konkrete Aussagen zum wichtigen Projekt Stadthalle. Darauf sieht die Stadt einen Anspruch und ein berechtigtes Interesse im Sinne ihrer Einwohner und Steuerzahler. Insbesondere, nachdem sie ein seitens der Rechtsaufsichtsbehörde - nach Meinung der Stadt im Übrigen rechtswidrig - beauflagtes Haushaltssicherungskonzept in Höhe von 17 Millionen Euro aufgestellt hat.
Stadt hat finanzielle Voraussetzungen für Stadthallensanierung geschaffen
Zum Zeitpunkt der Anordnung des Haushaltssicherungskonzepts lagen weder eine dauernde Leistungsunfähigkeit noch ein Haushaltsdefizit vor. Ein Haushaltssicherungskonzept war aber als Präventivmaßnahme aufgrund der Prognosen der Finanzfolgen aus der Wirtschaftskrise immer als Bedingung genannt worden, um den Weg für die Stadthalle - von Seiten der Stadt - frei zu machen.
Mit ihrem neuen Zahlenwerk, das aus Haushaltssicherungskonzept und Finanzplananpassung besteht, hat die Stadt Görlitz mittelfristig sogar einen Betrag in Höhe von rund 250 Tausend Euro als Betriebs-/Betreiberkosten der Stadthalle bereits vorsorglich mit konsolidiert. Sie betrachtet ihre Aufgabe - die Schaffung von Grundvoraussetzungen - abseits der eigentlichen Fördermittelbeantragung und weiterer Verfahrensschritte - damit als erfüllt. Die Genehmigung des Haushaltssicherungskonzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde liegt der Stadt seit dem 22. April 2010 vor.
Drohungen helfen nicht weiter
Das Drohen mit Schadensersatzklagen ist weder der richtige Weg, noch versprechen sie Erfolg - sie sind für die Görlitzer Stadtverwaltung ein weiterer Beweis dafür, dass Landkreisverwaltung und Rechtsaufsichtsbehörde nicht unter einem Dach angesiedelt sein sollten.
Am Ende bleiben solche wichtigen Themen immer auch eine Frage des Stils. Der Görlitzer Oberbürgermeister behauptet doch auch nicht „Lange verhindert die Stadthalle“, obwohl diese Signale bei der Stadt ankommen. Monatelang war der 31. März 2010 als Stichtag für den großen Fortschritt im Stadthallenprojekt genannt worden. Daran hat sich die Stadt orientiert, insbesondere bei der Erstellung der Haushaltssicherung. „Wir haben den Menschen Gebühren erhöht und Leistungen gestrichen, den Mitarbeitern weitere Gehaltseinbußen angekündigt, um unser Soll zu erfüllen und die Stadthalle damit greifbarer zu machen. Alle anderen, so bleibt das Gefühl, ziehen ihre großen mündlichen Versprechen und Zusagen zurück, jetzt, wo es ernst zu werden droht. Wir wollen endlich Klarheit über die Bewertung des Haushaltes, den Neißefonds (beides LRA) und über die Bereitstellung von Fördermitteln (Freistaat) - wir lassen uns nicht länger vertrösten“, kündigte Oberbürgermeister Joachim Paulick an.


Landratsamt
Von Frank am 26.04.2010 - 22:46Uhr
So ist das eben, für meinen Beitrag "Görlitz dankbar für Altstadtmillion, von Frank am 13.01.2010 - 00:06Uhr" hat es noch Schelte gegeben (Ich hatte dem Landrat unterstellt, dass er Mittel aus der Altstadtmillion für seine neue Residenz abzweigen wird).
Das hat ja schon mal geklappt, genauso ist es gekommen, Mittel aus der Altstadtmillion wurden für den Bau des Herrn Landrat schon mal bewilligt, da hab ich doch nicht so blöd vorausgedacht, aber dass der Landrat nun noch die Frechheit besitzt den Neißefonds dafür anzugraben ist ja echt die Härte, hier sieht man, dass die Stadthalle vom Kreis ganz weit hintenan gestellt (und wohl nicht gewünscht) wird.
Es ist in meinen Augen eine Frechheit, die Ersparnisse der Görlitzer Bürger aus dem Neißefonds für dieses sich ständig verteuernde Fass ohne Boden zu verwenden.
Fakt ist doch, die Görlitzer haben sich diesen Kreis bestimmt nicht gewünscht, wahrscheinlich noch weniger, dass nun der ehemalige Rothenburger Stadtfürst hier herrscht und über die Görlitzer Finanzen (via Dresden) entscheidet, jetzt sieht man, wo das hinführt.
Analog der Abstimmung zum Klinikum sollten auch hier die Bürger gefragt werden, ob sie mit den Mitteln aus dem Verkauf ihrer Stadtwerke lieber das neue (keiner weiss was es kosten wird) Landratsschloss oder ihre Stadthalle finanzieren wollen.
Hier müsste doch allen Görlitzer Stadträten jetzt endgültig der Kragen platzen, wie will man das denn dem Bürger und Wähler vermitteln?
Mein Vorschlag für den Landrat: Soll er die Stadtwerke von Weißwasser und Niesky verkaufen und sich von dem Erlös seine 30 (oder am Ende mehr?) Millonen Residenz bauen lassen.
Grüße an die Leser von Frank!

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- Quelle: red
- Erstellt am 26.04.2010 - 09:09Uhr | Zuletzt geändert am 26.04.2010 - 09:55Uhr
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