Theater um die Theater

Görlitz, 19. November 2018. Von Thomas Beier. Ein Beitrag im Görlitzer Ortsblatt vom Tage hat Politiker und Kulturschaffende auf den Plan gerufen. Im Kern der Aufgeregtheit steht die Forderung des altgedienten Görlitzer CDU-Landrates Bernd Lange, wonach die Theater effizienter werden müssten. Genährt werden solche Forderungen wohl durch den grundlegend falschen Ansatz, dass man sich Kultur leisten können müsse (man zeige mir den Wirtschaftsbetrieb, der ohne Kultur überleben kann, Kultur hatten die Menschen aber schon, bevor sie anfingen, sich die Arbeit zu teilen). Weil Geld aber seiner Natur gemäß stets knapp ist, wäre es fatal und kurzsichtig, nun die Tatsache, dass die Theaterleute endlich nach Tarif bezahlt werden sollen, zum Anlass zu nehmen, die Theaterlandschaft der Oberlausitz auszudünnen. Die Weisheit "Was weg ist, kommt nie mehr zurück!" gilt nicht nur für Baudenkmale, sondern auch für Kulturinstitutionen.
Abbildung: Licht und Schatten am Theater in Görlitz

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Stimmen von Politikern der Bündnisgrünen, der Linkspartei und der AfD

Thema: Theater

Bild zu Theater

Wenn man über die Theaterlandschaft der Oberlausitz spricht, führt kein Weg am Gerhart-Hauptmann-Theater (GHT) vorbei. 

Wohin das führt, wenn Kultur verflacht und das Volk seine emotionale Intelligenz verliert (auch Politiker sind davor nicht gefeit), erleben wir doch gegenwärtig in unserer Gesellschaft. Theater sind prädestiniert, am Zahn der Zeit zu sein – und können das besser und intensiver als Kanäle vom privatwirtschaftlichen Deppenfernsehen bis zum sich immer mehr angleichenden öffentlich-rechtlichen Heimat- und Volksdudelkanal oder gar Netzwerke, die – welch Frechheit! – als sozial bezeichnet werden. Paradox: Theater müssen jene stören, von deren Tropf sie abhängig sind. Und die Mächtigen haben von jeher die Nähe der Kunst gesucht, zur ihnen genehmen Kunst. Nun ist jedem Theatermann resp. jeder Theaterfrau die Festanstellung gegönnt, allerdings könnte man nun die Rolle des Künstlers als verwaltungsgleich mit Tarifvertrag angestelltem Mitarbeiter in der Welt der doch an sich freien Kunst diskutieren. Aber darum geht es jetzt nicht.

Franziska Schubert: Es gibt keinen Grund, die Theaterlandschaft der Oberlausitz aufs Spiel zu setzen

Es geht um die Struktur einer Theaterlandschaft, auf die man getrost stolz sein darf – und die etabliert ist, gut für die Menschen, gut für die Städte, in denen die Bühnen stehen, gut für die Regionen. So bekennt sich die Görlitzer Oberbürgermeisterkandidatin Franziska Schubert glasklar zur Theaterlandschaft im Landkreis Görlitz, wie sie ist: "Die Menschen im Landkreis haben sich längst entschieden, wieviele Theater sie wollen." Daran wieder grundsätzlich zu rütteln, sei fehl am Platz. Für die erfahrene Bündnisgrüne Politikerin, die im Landtag sitzt, ist die Diskussion, die der wackere Görlitzer Landrat losgetreten hat, nicht nachzuvollziehen.

Schubert verweist darauf, dass die Theater gut nachgefragt würden, das zeige doch einmal mehr das volle Haus von Samstagabend in Görlitz. Die Oberbürgermeisterkandidatin folgt ihrem Politikstil, für den sie geschätzt wird, und bringt es auf den Punkt: "Damit wird eine Unsicherheit geschürt, die völlig unnötig ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Theater leisten eine wunderbare Arbeit – der Zuspruch macht das sehr deutlich. Die Theater und ihre Angebote werden nachgefragt – und wertgeschätzt. Die Theater sind Standortfaktoren für unsere Region. Und diese zu erhalten, ist finanziell möglich – der Mehrwert ist ungleich höher. Auch hier halte ich Effizienzdebatten für unangebracht, das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen."

Außerdem Schubert verweist darauf, dass erst in der vergangenen Woche von Seiten des Landkreises bekanntgegeben wurde, dass er vorhat, die Kreisumlage zu senken, weil der Kreis es sich endlich wieder leisten kann, freiwillige Aufgaben zu finanzieren. Schon vor diesem Hintergrund sei die erneute Diskussion, die hier aufgemacht wird, zu hinterfragen.

Mirko Schultze: Theater muss aus den Büros der 'Arroganz der Macht' wieder in die Entscheidungskompetenz der Bürger.

Die Linkspartei will eine ehrlich Diskussion über die Zukunft der Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH, bei der die Mitarbeitender nicht zu Sündenböcken gemacht werden. Der Antrag der Linken "Zukunft der Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH (GHT) sichern, Spielstätten und Inszenierungsstandorte erhalten, Theater weiterdenken" war am 19. September 2018 im Kreistag – von den anderen Fraktionen abgelehnt – durchgefallen. Dem Linken Fraktionschef Mirko Schultze war schon damals wichtige, eventuelle Veränderungsabsichten von Anfang an zu begleiten und dabei die Bevölkerung mitzunehmen. Nun unterstellen die Linken dem CDU-Landrat Bernd Lange eine Kehrtwende, Schultze dazu: "Wir sehen unsere Forderungen bestätigt und werden darauf dringen, dass eine breite Beteiligung von Kunstschaffenden, von Theaterbesuchenden, von Tarifbeschäftigten, Stadt- und Kreisräten sowie Experten aus der Wissenschaft Basis der kommenden Entscheidungen sein soll – nein, sein muss!"

Die Zukunft der Bühnen liegt nicht in der Entscheidungskompetenz zweier Oberbürgermeister und eines Kreiskämmerers. Ein Theater sei ein Ort von übergeordnetem, öffentlichem Interesse und keine Maßnahme der Haushaltsverhandlungen: "Wer ohne die Menschen zu beteiligen, Hand ans Theater legt, sondern wer glaubt, das könne man zwischen zwei Landräten und zwei Oberbürgermeistern und einer Handvoll politischer Freunde ausdealen, der irrt gewaltig." Das Signal in die Landeshauptstadt müsse klar und deutlich bleiben: Die zur Verfügung gestellten Mittel sind aus Sicht der Linken der erste Schritt in die richtige Richtung, sie sind aber nur Pflaster aus der Wunde und beheben die Ursache in keiner Weise.

Die linke Position beschreibt Schultze weiter so: "Die Dynamisierung des Kulturraumgesetzes, eine solide Finanzausstattung der Kommunen und eine Festschreibung tariflicher Standards bei der Förderung von Projekten sind dabei genauso wichtig, wie eine nachhaltige Bewirtschaftung der Kulturraummittel. Als Linke sind wir bereit, uns an dem Diskussionsprozess zu beteiligen: Für uns ist klar, wir wollen ein Theater in der Lausitz, welches künstlerisch Anspruchsvoll in allen Sparten selbst inszeniert und seine Rolle als gesellschaftlicher Ideengeber, Spannungsvermittler, Bildungsträger und Ideenwerkstatt behält. Dazu brauchen wir eine effektive Verwaltung, eine Arbeitsweise, die Kunstschaffende und Mitarbeitende einschließt, die das Publikum mitnimmt und vor allem transparent erklärt, warum welche Entscheidung wie gefallen ist. Das Theater muss aus den Büros der 'Arroganz der Macht' wieder in die Entscheidungskompetenz der Bürgerinnen und Bürger. Weil es ihr Theater ist und nicht das einiger weniger Funktionäre."

Sebastian Wippel: Theater muss Stücke anbieten, die dem Publikum auch gefallen

Stellen wir den hohen Ansprüchen und Forderungen, wie sie die Linke gern erhebt, gegenüber, wie das andere Ende des politischen Spektrum die Lage an der Kulturfront einschätzt. Für die AfD hat sich Landtagsmitglied und Oberbürgermeisterkandidat Sebastian Wippel mit dem auf den ersten Blick einfachen und einleuchtenden Ruf "Mitarbeiter des Theaters ordentlich bezahlen und Programm am Publikum ausrichten" zu Wort gemeldet: "Ich bin absolut dafür, dass die Mitarbeiter des Theaters tarifgerecht bezahlt werden. Wir können nicht von der Wirtschaft fordern, ihren Mitarbeitern monatlich ein auskömmliches Gehalt zu überweisen, aber uns als Stadt die Doppelmoral leisten, in einem Betrieb 15 Prozent weniger als den Flächentarif zu bezahlen. Was Bernd Lange mit tatsächlichem Bedarf meint, interpretiere ich dahingehend, dass das Theater Stücke anbieten muss, die dem Publikum auch gefallen. Experimentelles Arbeiten sorgt selten für volle Ränge. Aufführungen, wie die derzeitige von Rossini, sollten daher Priorität genießen, damit die Subventionierung des Einzelplatzes möglichst moderat ausfällt."

Unter'm Strich

Aua. Das riecht nach dem die Zauberflöte spielenden Barbier von Sevilla in Endlosschleife. Sich nur am Publikumsgeschmack auszurichten wäre in etwa so, also würde man den schulischen Lehrplan am von den Schulkindern eingeforderten Wissensbedarf ausrichten. Aber ja, beim Fernsehen klappt es ja schon: Hauptsache viele Gucker zur Prime Time.

Aber nein, die Experten für Theater arbeiten nun einmal gewöhnlich am Theater, nicht die Besucher sind das. Würde das Theater auf Auslastung optimieren, hätten wir bald den Quotenwahnsinn der TV-Sender und das Dschungelcamp auf der Bühne. Nein, Theater braucht Anspruch und Experiment, muss konfrontieren und unter die Haut gehen. Schließlich hat das Theaterprogramm selbst großen Einfluss darauf, worauf sich die Besucher in Zukunft freuen.

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Kunst als Produkt einer Auseinandersetzung muss nicht gefallen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 19.11.2018 - 16:09Uhr | Zuletzt geändert am 20.11.2018 - 10:16Uhr
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