Weitere Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Görlitz

Görlitz, 4. Juni 2015. Diese Nachricht ist taufrisch, denn erst wenigen Stunden erhielt die Stadt Görlitz Kenntnis davon, dass der Freistaat Sachsen das Studentenwohnheim am Hirschwinkel kurzfristig in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber umwandeln will. Den 35 im Wohnheim lebenden Studierenden ist bereits kurzfristig zum 30. Juni 2015 gekündigt.

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Klare Kommunikation von der Landespolitik gefordert

Thema: Asyl in Görlitz und Umgebung

Asyl in Görlitz und Umgebung

Flüchtlinge aufzunehmen gebietet nicht nur das Grundgesetz, sondern muss gerade für Deutsche, von denen viele im Zuge des Zweiten Weltkriegs Flucht und Vertreibung selbst erlebten, eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch: Unproblematisch ist das Zusammenleben mit jenen, die Asyl begehren, nicht immer. Doch wer will unterscheiden zwischen "guter Flüchtling" und "schlechter Flüchtling"? Im Zweifel für den Angeklagten, dieser Rechtsgrundsatz muss auch gegenüber dem einzelnen Flüchtling gelten.

In einer ersten Stellungnahme äußerte sich der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege diplomatisch: "Wir nehmen die angespannte Gesamtsituation hinsichtlich dieses sehr sensiblen Themas in Deutschland realistisch zur Kenntnis und verstehen, dass der Freistaat Sachsen unter hohem Handlungsdruck steht.“

Grundsätzlich halte er es für notwendig, dass eine solche Entscheidung für eine Erstaufnahmeeinrichtung im Vorfeld mit den Verantwortlichen vor Ort abgestimmt wird: "Weder den Umgang mit den Studierenden, noch die unzureichende Informationspolitik seitens des Freistaates Sachsen gegenüber der Hochschule und der Stadt zu diesem Thema halte ich für akzeptabel. Auch die Auswahl der Immobilie zeugt von wenig Sensibilität für unser Leben in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec.“ Die Stadt Görlitz führe derzeit intensive Gespräche, um eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Die Stadt Görlitz hat ihre Weltoffenheit und Toleranz in den vergangenen Monaten mit eindrucksvollem bürgerlichem Engagement, so beispielsweise mit einem Willkommensbündnis für Flüchtlinge und Asylbewerber, unter Beweis gestellt. Damit die Stadtgesellschaft auch weiterhin dazu bereit ist, hält die Stadtverwaltung eine klare Kommunikation seitens der Landespolitik gegenüber den örtlichen Verantwortungsträgern und den Einwohnern für dringend geboten. Die Stadt Görlitz sei bereit, sich konstruktiv in eine Entscheidungsfindung einzubringen, heißt es in einer Mitteilung.

Hintergrund:
Die Verantwortlichkeit und Zuständigkeit für Erstaufnahmeeinrichtungen liegt weder bei der Kommune noch beim Landkreis, sondern allein beim Freistaat Sachsen. Der greift deshalb auf Immobilien zurück, die sich in seinem Eigentum befinden, was sowohl beim Hirschwinkelwohnheim als auch bei der bereits bestehenden Erstaufnahmeeinrichtung am Flugplatz der Fall ist.

Kommentar:

Es ist, wie es ist: Unschön, wenn 35 Studenten ihren Wohnheimplatz räumen müssen.

Andererseits - Wohnraum gibt es genug in der Stadt. Wird studentisches Wohnen richtig angelegt (die Chance bestand zum Beispiel in den abgerissenen Häusern der Reichertstraße) wächst die Chance, dass Studierende von außerhalb nach dem Studium in Görlitz bleiben.

Gefragt sind Mut und Phantasie mit Sinn für das Machbare, was leider eine seltene Kombination ist, vor allem, wenn die Fehlervermeidungs- und Pöstchensicherungskultur grassiert.

Das Thema hatte ich übrigens schon einmal, in einem Kommentar vom 18. März 2010, in dem ich schrieb: "Görlitz als erblühendes Pensionopolis kann den Einwohnerschwund zwar recht deutlich reduzieren, verjüngt jedoch nicht die Altersstruktur der Bevölkerung. Junge Leute, junge Familien braucht die Stadt. Anstelle für solche Ansiedlungen wirtschafliche Rahmenbedingungen voranzutreiben und preiswerten, weil abgeschriebenen Wohnraum bereitzustellen, wird lieber abgerissen, siehe Reichertstraße. Wo nicht in unüblichen Bahnen nachgedacht wird, entstehen weder Phantasie noch Mut - es wird lieber die Abrissprämie kassiert."

Das ist mehr als fünf Jahre her. Vertane Zeit,

meint Ihr Fritz R. Stänker


Update:

Wie SZ Görlitz am 4. Juni um 18:34 Uhr auf facebook meldete habe das Studentenwerk bestätigt, dass in den beiden Görlitzer Studentenwohnheimen - Hirschwinkel und Vogtshof - mehr als 90 Plätze frei sind, allein im Vogtshof sind es 70 freie Plätze.

Da macht es regelrecht Sinn, die Studenten in einem Wohnheim zu konzentrieren,

meint Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Mieterschutz interessiert hier nicht?

Von Helmut am 04.06.2015 - 22:49Uhr
Da kann man den Studenten nur raten zu klagen und zum Mieterschutzverein zu gehen. Sonst wird in Deutschland immer der Mieterschutz hochgehalten, aber in dem Fall geht das innerhalb von Tagen - wo gibt es denn so was und das von unserem Staat. Könnt man ja denken, die DDR lebt noch weiter.

Es gibt ja wohl genug alte Kasernen, wo diese Flüchtlinge untergebracht werden können. Unsere Jugend sollte nicht Opfer unserer Selbstlosigkeit sein. Eigentlich sollten diese Flüchtlinge alle nach Amerika verschifft werden, die haben die Konflikte in diesen Ländern doch erst ausgelöst mit ihrer Bombenpolitik!

Studenten raus

Von Susi Schadenfreude am 04.06.2015 - 22:06Uhr
Die Studenten sollen sich nicht so haben - " Refugees welcome" , schon vergessen ?

Asylpolitik oder Volksverarschung?

Von Jens Jäschke am 04.06.2015 - 18:50Uhr
Bei diesen ganzen Geschehnissen der vergangenen Monate kommen mir Zweifel. Was will der Staat Deutschland mit dieser Art "Asylverunglimpfung", denn eine Asylpolitik sieht anders aus, erreichen? Ist es nur Deutschland allein oder nicht doch auch Amerika, die hier an der Schraube drehen?

Eine ordentliche Unterstützung in den betroffenen, verarmten Ländern wäre eine Art, Asylsdramen zu begegnen und somit die Länder dann auch wirtschaftlich wieder stark zu machen, dass es zu keiner Asylwelle erst kommt. Nein, da wird ganz bewusst die Bevölkerung vor Tatsachen gestellt, Ärgernisse werden bewusst provoziert und der deutsche Michel lässt sich provozieren. Da werden Bevölkerungsschichten gegeneinander ausgespielt, nur um Unfrieden zu stiften, so dass die Damen und Herren der jeweiligen Regierungen - und da gehe ich noch einen Schritt weiter und spreche auch von den "wirtschaftlichen Machtberatern dieser Erde" -in aller Ruhe ihre Schäfchen ins Trockene bringen können.

Warum lassen wir als die, die denen das Geld verdienen, denn das Theater überhaupt zu? Haben wir Angst vor irgendwelchen Abstrafungen? Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Volk so stark wie sein Wille ist. Nun darf sich jeder für sich fragen, wie stark er ist.

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  • Quelle: red | Kommentar: Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 04.06.2015 - 15:43Uhr | Zuletzt geändert am 05.06.2015 - 11:26Uhr
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