Postplatz Görlitz: Ran an die Muschelminna?
Görlitz. Die Görlitzer Bürger bzw. Haushalte sind zur Beteiligung aufgerufen, wenn es im die zukünftige Gestaltung des Postplatzes im Görlitzer Stadtzentrum geht. Dazu wurde Anfang Februar 2012 mit dem "Wochenkurier" ein Faltblatt an die Görlitzer Haushalte verteilt. Es geht um zwei entscheidende Fragen: In welche Richtung soll sich der Postplatz erneuern: Rundweg oder diagonale Wege zum Muschelminna-Brunnen? Weniger Autoverkehr oder besser so wir bisher? Hier werden die Meinungen aufeinanderprallen: Während die einen mehr Vandalismus am Brunnen befürchten, wenn die Wege direkt bis ans Wasser geführt werden, sehen andere ein Stück Lebensqualität darin. Und mancher qualifiziert den Autoverkehr als "rollende Auspuffe" und "stehendes Blech" ab, während andere die bequeme individuelle Fahrt in die City schätzen und argumentieren, erst der Pkw bringe tatsächlich "Einkaufsbürger" in die Stadt.
Was man zur Neugestaltung des Görlitzer Postplatzes wissen sollte
Wer mitmacht und das Faltblatt ausfüllt nimmt also Einfluss auf eine durchaus weitreichende Entscheidung, bei der vieles zu bedenken ist.
Warum muss überhaupt am Postplatz gebaut werden? Die 70 Jahre, die seit seiner letzten Umgestaltung vergangen sind, haben am Postplatz ihre Spuren hinterlassen. Jahr für Jahr steigt die Schadensbilanz. Das Brunnenbecken der sogenannten "Muschelminna", der Figurenschmuck und das Fundament weisen Schäden auf. Wege, Borde, Beleuchtung, Rasen und Gehölzflächen brauchen dringend eine Überholung oder Erneuerung. Noch können die damit verbundenen enormen Kosten für die Stadt durch Fördermittel aus dem EFRE-Programm der Europäischen Union abgefedert werden.
Die Bürgerbeteiligung mittels des Falblattes soll dem Görlitzer Stadtrat helfen, die richtige aus zwei grundsätzlich genehmigungsfähigen Gestaltungsvarianten zu finden. Auch die Denkmalschutzbehörden haben ein Wörtchen mitzureden: Am Postplatz konzentrieren sich nicht nur zahlreiche bauliche Kulturdenkmale, er selbst gilt als Gartendenkmal.
Auch eine völlig neue Variante der Postplatz-Gestaltung wäre durchaus denkbar. Bedenken sollte man aber, dass die vorhandene grundsätzliche Gestaltungslösung seit 120 Jahren erfolgreich und schön ist - das nahezu perfekte Zusammenspiel von Städtebau und Gartenkunst dürfte kaum zu übertreffen sein.
Im Frühjahr 2012 beginnen die Arbeiten
Los geht es mit den Sanierungsarbeiten am Muschelminna-Brunnen. Dafür ist der ganze Sommer eingeplant. Parallel soll die Planung und Ausschreibung der Freiflächengestaltung im Mittelteil beauftragt werden. Und außenherum? Die Gehwege an den Außenseiten sind fertig, die Fahrbahnen in einem akzeptablen Zustand - hier sieht die Stadtvertwaltung keinen Handlungsbedarf.
So oder so?
Während die "Rundweg-Variante" die Wege im heutigen Verlauf belässt, führt eine andere die Variante die Fußgänger diagonal über den Platz zum Brunnenbecken - so, wie es ursprünglich im Jahr 1887 realisiert wurde. Das heißt aber nicht, dass damit das Zeitrad vollends zurückgedreht wird und damit auch alle Kandelaber, Girlanden und Schnörkel der Jahrhundertwende wieder auferstehen. Auch wenn der Görlitzer Postplatz eine selten gewordenes Musterbeispiel für Gestaltungen um 1900 ist - eine genaue Kopie historischer Vorbilder kann nicht erwartet werden. Allein die heutige Gleistrasse der Straßenbahn spräche dagegen. Es geht nicht darum, die heutige Zeit zu verleugnen und jedes Zierelement der Geschichte nachzuahmen.
Arbeitserleichterung für Vandalen?
Ist der Muschelminna-Brunnen nicht gefährdet, wenn die Wege direkt bis an das becken herangeführt werden? Hier antworten Experten der Stadtverwaltung mit einer Gegenfrage: Schrecken 15 Meter Rasenteppich Vandalen ab? Nicht der mögliche Missbrauch, der nie ganz auszuschließen ist, sollte die Entscheidung leiten, sondern die Vorzüge bei "freundlichem Gebrauch". Zierbrunnen fordern Besucher geradezu auf, heranzutreten, das Wasser zu begreifen und in der Sommerhitze die Füße zu kühlen. Auch die "Muschelminna" ist nicht nur Stadtschmuck, sondern kann auch diesen ganz praktischen Aspekten dienen. Hinzu kommt: Die Marmorfiguren aus der Nähe zu betrachten, den Platz aus seiner Mitte zu sehen eröffnet neue Perspektiven.
Gefragt wird auch, ob die Pflastermosaike der Wege rekonstruierbar sind. Denkbar wäre das, weil die vorhandenen Unterlagen die identische Wiederherstellung zulassen würden. Allerdings ist zu befürchten, dass das Geld dafür nicht ausreicht. Vielleicht gelingt es, auf den Wegen das alte Ornament zu "zitieren", um wenigstens bruchstückhaft zu zeigen, welche Pracht hier einst herrschte.
Unterscheiden sich die beiden Varianten in den Gesamtkosten?
Bei der Verlegung der Wege diagonal über den Platz bis zu Muschelminna erhöhen sich die Kosten eher geringfügig. Die Mittelfläche, die von außen gesehen eher zierlich im Gesamtgefüge des Platzes wirkt, hat eine beachtliche Ausdehnung und verursacht in jedem Falle deutliche Kosten. Mit dem EFRE-Programm können drei Viertel davon als Zuschuss übernommen werden - noch bis zum Jahr 2013. Diese Möglichkeit soll noch für das "Herz" des Postplatzes ausgenutzt werden.
Und der Autoverkehr?
Zur Diskussion steht auch eine mögliche "Verkehrsberuhigung" auf dem Postplatz. Dadurch könnte die Zahl der Parkflächen veriingert werden, zu Gunsten von Straßencafés oder der Warenpräsentation im Freien insbesondere auf der Sonnenseite des Platzes. Eingeschränkt werden damit allerdings auch die Kunden, die vielleicht nur kurz mal für eine Kleinigkeit vorfahren wollen - und denen Kritiker vorwerfen, für die persönliche Bequemlichkeit viele andere Nutzungen des Platzes zu verhindern. Görlitz wolle vielmehr mit einem "City-Erlebnis" in Handel und Tourismus punkten. Bei eine Verkehrsberuhigung bliebe allen Fahrzeugen, die zwingend einfahren müssen - also Lieferverkehr, Versorger, Anlieger - die Einfahrt frei. Ob dann die Fahrbahn vor der Post freigegeben wird, ist noch völlig offen und soll ggf. mit der Planung und einem Verkehrsversuch ermittelt werden - frühestens nach der fertigstellung der Jakobstraße und der Brunnensanierung.
Weitere informationen zum Postplatz liefert die Broschüre "Der Postplatz in Görlitz" von Dr. Peter Fibich. Sie zeigt in kompakter Darstellung, wie sich der Platz entwicklet hat und welche Gestaltungsmöglichkeiten er bietet. Erhältlich ist das im Verlag Gunter Oettel erschienene Buch im Buchandel.
So stimmen Sie ab!
Dazu dient der dem Wochenkurier vom 1. Februar 2012 beigelegte Flyer. Einfach je eine der beiden Antworten ankreuzen, den Antwortteil abtrennen und an die Stadtverwaltung Görlitz / Stadtplanungsamt zurücksenden (Stadtverwaltung Görlitz, Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, PF 300131, 02806 Görlitz). Während der Öffnungszeiten kann der Zettel außerdem in einem der Bürgerbüros im Rathaus oder in der Jägerkaserne in eine "Wahlurne" eingeworfen werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Bürgerbefragung, die sich an jeden einzelnen Bürger richtet; deshalb gibt es nicht Stimmzettel für jeden Einzelnen. Vielmehr geht es um ein annähernd repräsentatives Meinungsbild. Eine persönliche Abstimmung wäre viel teurer geworden und würde keine andere Grundaussage liefern. Außerdem: Die Befragung erfolgt anonym. Die gewählte Methode erreicht sehr viele Bürger und beinhaltet nur wenig Gefahr, manipuliert zu werden - anders als bei Abstimmungen beispielsweise per Telefon oder im Internet. Entscheiden muss eh der Stadtrat, die Bürgermeinung versteht sich als Empfehlung.
Der ausgefüllte Antwortschein des Flyers muss bis zum 1. März 2012 bei der Stadtverwaltung Görlitz vorliegen. E-Mail- oder Fax-Sendungen werden nicht gewertet.
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- Quelle: red | Fotos: BeierMedia.de
- Erstellt am 02.02.2012 - 08:51Uhr | Zuletzt geändert am 02.02.2012 - 15:08Uhr
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