Digital Detox und mehr
Görlitz, 12. September 2022. Von Thomas Beier. Das ist bei jedem so: Die Lebenszeit, die hinter einem liegt, wird immer mehr, während jene, die vor einem liegt, kontinuierlich abnimmt. Das hat zur Folge, das der Wert der persönlichen Restlaufzeit dank Verknappung exponentiell steigt. Wertsteigerung wegen mangelnder Verfügbarkeit, das nennt man übrigens Marktwirtschaft.
Für ein Ende der digital verursachten Zeitverschwendung
In jungen Jahren erscheint das Leben endlos lang, was frühzeitig zur einer bestimmten Form der Zeitverschwendung verleitet, die dann zur Gewohnheit wird: Erst der Fernsehrundfunk und dann das Internet haben dazu geführt, dass der Durchschnittsdeutsche täglich acht bis zehn Stunden vor einem Bildschirm zubringt – und das großenteils nur um der Ablenkung willen, unproduktiv und ohne jeden Mehrwert.
Wer jedoch als digitaler Nomade arbeitet, wird von genau diesen Leuten nicht akzeptiert. Erst neulich musste ich mir von so einem digitalen Hanns Guck-in-die Luft – heute Guck-aufs-Handy – sagen lassen: "Du dallerst ja auch ständig auf dem Handy herum!" Für solche Situationen habe ich mir für den Satz "Ich mache meine Arbeit!" einen leicht knurrenden Unterton zugelegt, was die Störung meist schnell beendet.
News Detox
Klar schätzt man, wenn man beruflich sehr viel digital unterwegs ist, die Zeiten, in denen Prozessoren und überhaupt jede Elektronik weit weg sind. Immer mehr trifft das jedoch auch auf die Nachrichtenwelt zu: Den wenigen hochwertigen Quellen steht eine Unflut an dilettantischen gegenüber. Wer seine Neuigkeiten lieber gleich selbst via Web verbreitet, der braucht sich nicht zu wundern, wenn diese immer weniger Nachrichtenkonsumenten erreichen, weil sie von Algorithmen aussortiert oder nicht mehr aufgegriffen werden und letztlich im Rauschen untergehen.Neben dem Digital Detox, der digitalen Entgilftung durch die Änderung von Gewohnheiten, gewinnt vor diesem Hintergrund auch etwas, das man News Detox nennen könnte, an Bedeutung. Das bedeutet nicht, sich von Informationen abzukapseln, sondern auf Nachrichtenqualität zu achten, etwa durch das Abonnement einer guten Tageszeitung.
Saxonia ist nicht Sachsen
Für die Redaktion des Görlitzer Anzeigers gibt es einen weiteren Aspekt: Gerade jetzt im September gibt es viel zu berichten, doch wir blenden einiges aus. Dazu gehören aufdringliche Fördermittelabfasser, die meinen, nicht nur unsere Steuern verbraten zu dürfen, sondern daraus auch noch das Recht auf kostenlose Werbung ableiten. Ausgeblendet werden zunehmend auch Nachrichten, denen man eh nicht entgehen kann, so etwa heute das Aufsetzen des neuen Davidsterns auf die Görlitzer Neue Synagoge, die vom Eigentümer Kulturzentrum Synagoge Görlitz genannt wird, oder gestern der Tag des offenen Denkmals.Nein, die Redaktion hat sich den Redaktionsbus geschnappt und sich ins Dubringer Moor und auf die Zeißholzer Hochfläche verkrümelt. Dort hilft endlose Natur, Abstand zu gewinnen und wer dem Straßenwegweiser "Saxonia" folgt, kommt nicht nach Sachsen, sondern auf die Spuren des Braunkohletiefbaus. Anstelle sich von Informationen überfluten zu lassen, ist es befriedigender, in der Einsamkeit ein wenig dem Nachdenken zu frönen und zu versuchen, die Welt und was darin vorgeht zu beschreiben.
Altersabhängige Prioritäten
Sicher wäre so ein gelegentlicher Abstand vor allem jenen zu empfehlen, die stets und ständig sofort Partei ergreifen und nicht wissen, dass zwischen Schwarz und Weiß die Grautöne liegen – und erst rechts nichts ahnen vom Kosmos der Farben. Vielleicht geschieht dieses dem Überblick dienende auf Distanz gehen so selten, weil die dafür nötigen abgelegenen und einsamen Orte immer seltener werden.Jetzt bloß nicht sentimental werden oder gar anfangen, romantisch zu glotzen! Wer jung ist, für den sind solche Gedanken nice to know, aber wichtiger ist: Junge Leute müssen sich auf eine immer schneller und immer öfter abrupt eintretende Zukunft vorbereiten. Digital Detox und News Detox sind nur ein kleiner Teil dessen, was man kennen muss.
Digitalisierung für die Medien und in der Kommunikation
Vielmehr kommt es darauf an, Digitalisierung und Medien unter einen Hut zu bekommen. Der im Jahr 2005 – dem Jahr, als das erste Smartphone verkauft wurde – gegründete Görlitzer Anzeiger zählt dabei zu den Pionieren. Allerdings entstand das nötige Wissen vor allem aus eigenen Überlegungen und dann zunehmend aus Erfahrungen – einer zwar soliden, aber auch teuren Art des Lernens.Wer heute so ein Projekt angehen möchte, sollte zwar die praktischen Erfahrungen anderer nutzen, kann sich aber etwa mit einem effizienten Master Fernstudium im Digital Marketing vorbereiten und startet dann nicht bei Null. Längst hat die Vielfalt der digitalen Kommunikationskanäle jene der analogen Welt eingeholt; woran es mangelt, ist allerdings die professionelle Nutzung – und dafür braucht's die passend aufgebildeten Leute.
Resümee
Auf Abstand zur digitalen Welt und zum Nachrichtenstrom gehen zu können, das gehört zum Luxus des Alters. Jüngere hingegen müssen lernen, sich nicht von allen digitalen Angeboten und Möglichkeiten einfangen zu lassen, stattdessen aber die wichtigen Informationen herauszufiltern. Bitte nicht vergessen: Das wahre Leben ist und bleibt analog!-
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: © BeierMedia.de
- Erstellt am 12.09.2022 - 16:25Uhr | Zuletzt geändert am 12.09.2022 - 17:28Uhr
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