Von den Kreuzfahrern zur Kreuzfahrt

Von den Kreuzfahrern zur KreuzfahrtGörlitz, 2. Dezember 2019. Viele Begriffe und Ortsnamen, die wir heute ohne näheres Hinterfragen verwenden, haben tiefe historische Wurzeln, die bei näherer Betrachtung spannende Geschichten erzählen. Wer denkt schon an die Kreuzritter, wenn er ein Kreuzfahrtschiff besteigt und dann sogar vielleicht sogar im östlichen Mittelmeer unterwegs ist?

Am Mittelmeer: Nicht ohne Grund ist das weite Meer ein Ort der Sehnsucht
Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Ritterorden mit karitativen Aufgaben

 Ritterorden mit karitativen Aufgaben
Die Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz aus dem Ensemble des Heiligen Grabes zu Görlitz
Foto: © Görlitzer Anzeiger

Für viele verbindet sich mit dem Begriff des Ritters jemand, der auf einer Burg wohnt, in einer Blechrüstung durch die Gegend quietscht und mit Schwert oder Lanze auf andere Leute oder grausige Drachen losgeht, wenn er sich nicht gerade in der Kemenate einem Ritterfräulein widmet. Tatsächlich waren die Ritter, aus denen sich später der niedere Adel bildete, die berittenen Krieger des europäischen Mittelalters.

Die Kreuzritter oder Kreuzfahrer jedoch waren in erster Linie Ritterorden, die nach dem Ersten Kreuzzug als geistliche Ordensgemeinschaften Pilger sicher ins Heilige Land und zurück geleiteten. Von ihnen leiten sich die heutigen Bezeichnungen Kreuzfahrt und Kreuzfahrtschiff ab – nicht etwa daraus, dass ein Schiff kreuzdiequer über die Meere fährt. Auch begaben die Kreuzfahrer in allen drei Kreuzzügen vor allem auf dem Landweg in Richtung des Heiligen Landes.

Ein Ritterorden als Vorläufer des modernen Reisebüros

Dennoch ist das damalige Rittertum eng mit dem verbunden, was Urlauber heute als moderne Kreuzfahrten erleben. Die Tempelritter beispielsweise könnte man als Reiseunternehmen inklusive Securityfunktion beschreiben: Sie erfanden den Reisescheck und den bargeldlosen Zahlungsverkehr und sorgten für einen möglichst gefahrlosen Reiseverlauf der Pilger, wie Joseph Schnelle in der Süddeutschen Zeitung vom 23./24. November 2019 schreibt.

Auf einem modernen Kreuzfahrtschiff – deutlich bequemer als zur Zeit der Kreuzzüge – unterwegs zu sein, bezieht seinen ganz eigenen Reiz aus der Mischung aus komfort-orientierter Umgebung, Entdeckerfreude an den Anlegeplätzen und überhaupt dem Abenteuer-Weltenbummler-Gefühl, von der frischen Brise und dem Blick über das Meer ganz zu schweigen. Oft legen die Kreuzfahrt-Urlauberschiffe jeden Tag in einer anderen Stadt an oder ermöglichen die Aussicht auf Landschaften, wie sie die auf Land Reisenden nicht erleben können. So gesehen sind Seereisen, wie sie für Urlauber konzipiert sind, ein Einchecken in eine komplett andere Welt, was einen besonderen "Abschalt-" oder Erholungseffekt verspricht.

Und wer auf einer Kreuzfahrt auf der Adria unterweg ist und im italienischen Bari vor Anker geht, der denkt vielleicht daran, dass von hier vor reichlich 920 Jahren Kreuzfahrer nach Byzanz übersetzten, um anschließend auf dem Landweg Konstantinopel, das heutige Istanbul, zu erreichen.

Görlitz und das Heilige Land

Görlitz hat gleich mehrfachen Bezug zu den Kreuzfahrern. Zwar war die Blütezeit der vier Kreuzfahrerstaaten im damaligen Palästina und Syrien ebenso vorbei wie die der Ritterorden als Beschützer der Pilger, als der spätere Görlitzer Bürgermeister Georg Emmerich nach seiner Rückkehr von einer Pilgerreise nach Jerusalem im Jahr 1465 den Grundstein für das Heilige Grab zu Görlitz legte, doch ist ihm heute eine recht präzise Kopie des Heiligen Grabes zu Jerusalem in jener Form zu verdanken, wie sie einst die Kreuzfahrer zu Gesicht bekamen; in gewisser Weise ist die Görlitzer Anlage aus Heiligem Grab, Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz und Salbhaus obgleich kleiner doch im Aussehen originaler als das Original.

Der andere Bezug findet sich mit dem St. Carolus-Krankenhaus, dem Malteser-Krankenhaus in Görlitz. Die Malteser gründeten sich im Jahr 1099 in Jerusalem als Laienbruderschaft zur Armen- und Krankenpflege und entwickelten sich unter päpstlicher Anerkennung rasch zu einem geistlichen Ritterorden. Sie begegnen uns heute als Malteser Hilfsdienst e.V. oder der beispielsweise als die für die beiden Krankenhäuser in Görlitz und Kamenz zuständige Malteser Sachsen-Brandenburg gGmbH. Die Johanniter stehen für die ursprüngliche Bezeichnung der Malteser und heute für die 1538 entstandene evangelische Abzweigung von den Maltesern, die zum Beispiel als Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. bekannt ist.

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 02.12.2019 - 15:46Uhr | Zuletzt geändert am 02.12.2019 - 15:59Uhr
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