Neues von der Görlitzer Plakatallee

Görlitz, 24. August 2017. Phantasievoller als Wahlplakate zu beschmieren oder kaputtzumachen ist es allemal, selber welche zu erfinden und zur Belehrung der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Was im zuweilen fidelen Görlitz seinen Ausgangspunkt nahm, scheint nun in anderen Städten Nachahmer zu finden: Hinter dem nebenstehend abgebildeten Poster könnte sich eine Partei "Schlesische Methusalem Bewegung" (smb) verstecken, um zugleich unternehmerisch Kasse zu machen. Ihren Anspruch, die ewige Jugend zu fördern, hat sie jedoch sehr hart auf den Punkt gebracht, was alten- und frauenfeindlich ausgelegt werden könnte. By the way: Wie ist die Entwicklung in Görlitz?

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Die KPD – eine virulente Geschichte

In der in Sachsen gelegenen niederschlesischen Metropole Görlitz hat sich die Zittauer Straße zu einer abwechslungsreichen Plakatallee entwickelt. Bei der heutigen Inspektionsfahrt des Görlitzer Anzeigers war das oben abgebildete KPD-Wahlplakat schon nicht mehr auffindbar. Die mit Guerilla-Taktik vorgehenden provokanten Plakateure haben sicherlich in Windeseile schon wieder neue Standorte besetzt. Dennoch ist zu hoffen, dass die städtische Wirtschaftsförderung, die als Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH firmiert (aber erfüllt von Bescheidenheit auf einen eigenen, direkt abrufbaren Webauftritt verzichtet), den Görlitzer Plakatwahlkampf als Chance aufgreift, noch mehr Touristen in die Stadt zu locken. Auf jeden Fall aber sollten Stadtrundfahrten und Stadtführungen die Plakatallee mit einbeziehen.

Was wissen wir über die KPD?

Zunächst kennen wir das Görlitzer Gesicht der KPD: Es zeigt den bekennenden Görlitzer Mike Altmann, der zusätzlich zum Konterfei auch noch unverblümt seinen Namen nennt. Der ehrlich-entschlossene Gesichtsausdruck scheint zu sagen: "Ich weiß, dass Du die Leberwurst hast und ich hole sie mir!" Damit hebt er sich wohltuend von anderen, eher plakativen Plakatgesichern im ganzen Land ab, denen der Görlitzer Anzeiger erbschleicherartiges Schwiegersohngrinsen unterstellt hatte.

Dass die Kleinen Partei Deutschlands (KPD) nun in Görlitz und nicht, wie naheliegend anzunehmen wäre, in Bad Kleinen (Link für Nichtmitwisser) Wahlkampf macht, muss mit der langen Vorgeschichte der KPD zu tun haben. Entstanden war die KPD nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ziel, nicht etwa die Kurzen, sondern den Kommunismus aufzubauen. Vom Ende der Zwanzigerjahre in der KPD einsetzenden Personenkult dürfte Mike Altmann noch heute profitieren. Immer wieder nährt er in Thälmann-Pose sein Ego.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Sowjetischen Besatzungszone einen Vereinigungsparteitag zwischen KPD mit der SPD, wobei das für die SPD eine Zwangsehe war. Der Vereinigung entspross die SED, Ahnherrin der heutigen Linkspartei in direkter Linie, die in der "DDR" ihre Diktatur errichtete und in vielen Bereichen weiterführte, was die Deutschen schon unter den Nationalsozialisten kennengelernt hatten: Gleichgeschaltete Massenorganisationen, Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, Doppeldenk und Doppelsprech zur Unterscheidung zwischen "Das kannst Du nur hinter vorgehaltener Hand sagen!" und "Das kannst Du aber laut sagen!", politische Justiz, Militarisierung der Gesellschaft, kulturelle Spießbürgerlichkeit und Verfolgung Andersdenkender. Eine Scheindemokratie gewählter Räte und Abgeordneter wurde von von SED-Instanzen und ihren Sekretären überlagert.

In der Ur-Bundesrepublik hingegen wurde die KPD auf Regierungsantrag im Jahr 1956 verboten. Die 1968 gegründete Ersatzpartei DKP wurde von der SED gestützt, gewann aber nie an Bedeutung. DKP-Leute und -Mitläufer berauschten sich an linken Idealen, meist ohne das reale Leben im Ostblock zu kennen. Aber das scheint typisch links: Idealen zu frönen, die mit der Realität des Lebens unter linken Regimen aber auch gar nichts gemein haben. Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass in der untergehenden "DDR" die KPD neu gegründet wurde.

Weshalb gibt sich der Altmann dafür her?

Das alles weiß der journalistisch-redaktionell-rhetorisch beschlagene Altmann. Seine Kenntnisse in Populismus zeigen sich in der KPD-Ausrichtung auf "die Kurzen". Offenbar meint er nicht den in der alternativen deutschen Tradition und Kultur fest verwurzelten "Kurzen", wie man ihn sich in jeder ordentlichen Kneipe zur persönlichen Verwendung bestellen kann – nein, Altmann wendet sich an die große Menge mehr oder weniger kleinwüchsiger Menschen und setzt auf "Masse statt Klasse", indem er "Mehr Schuhe in Größe 40!" fordert anstelle höherer Absätze, mit denen den Kleinen wirklich geholfen wäre.

Mit dieser neuen Altmann-Konzeptstrategie könnte es der KPD tatsächlich gelingen, ihre Mitbewerber alt aussehen (siehe Abbildung ganz oben) zu lassen; sie sollten sich vorsorglich mit Antifaltencrème, für harte Fälle auch mit Spachtel eindecken. Für Altmann, der sein Berufsleben auch ohne jede geistige Anstrengung bei irgendeiner Zeitung hätte verbringen können, ist die politische Betätigung ein Quell der Lebensfreude und des Frohsinns. In diesem Sinne lädt er jedermann dazu ein, daran teilzuhaben, also etwas davon abzubekommen. Am einfachsten geht das zur Wahlkampfveranstaltung im Theater Görlitz.

Wo Wahlkampf und Publikum gemeinsam toben!
Sonnabend, 23. September 2017, 19.30 Uhr,
Theater Görlitz, Demianiplatz 2, 02826 Görlitz.

Tickets ab zwölf Euro gibt es online sowie aus den gepflegten Händen der das Geld hinreißenden Kassendamen an den Theaterkassen in Görlitz und Zittau (dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und sonnabends von 10 bis 12.30 Uhr).

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  • Quelle: TEB | Bildquellen: n.n.
  • Erstellt am 24.08.2017 - 13:16Uhr | Zuletzt geändert am 24.08.2017 - 15:23Uhr
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