Mahnung für Görlitz aus New York

Görlitz-Zgorzelec | New York. Ihr Entsetzen über den drohenen Umgang mit der historischen Bausubstanz der Stadt Görlitz, vor allem mir dem berühmten Görlitzer Jugendstil-Kaufhaus, drückt eine heute in New York lebende Görlitzerin in einem Schreiben an den Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick aus.

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. . . als ehemalige Görlitzerin hörte ich mit Entsetzen . . .

Der an den Görlitzer Oberbürgermeister gerichtete Brief hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Paulick,

als ehemalige Görlitzerin hörte ich mit Entsetzen von der Bedrohung unter welcher das Kaufhaus, früher Karstadt, steht. Sicher kennen Sie das uneingeschränkte Lob, das Professor Dr. Kiesow von der Stiftung Deutscher Denkmalschutz aussprach: die wohl schönste Stadt in Deutschland!

Ich habe einige e-mails mit Herrn Rainer Michel gewechselt, und weiß so um die Proteste und Aktivitäten seitens der Görlitzer Bürger. Außerdem wurde mir gesagt, daß die Stiftung Denkmalschutz an den Rettungsversuchen teilnimmt. Würde ich auch hoffen, wenn man bedenkt, daß im alten Waidhaus eine Ausbildungsstätte der Stiftung eingerichtet ist.

Leider bin ich sehr weit weg von G., obwohl ich schon mehrmals auf Besuch da war. In 2003 waren meine Geschwister und ich in der Heimatstadt, logierten in dem köstlichen Dreibeinigen Hund und besuchten unser früheres Haus in der Goethestraße. Ein Besuch in dem schönen Karstadt gehörte auch dazu. Von USA kann ich Ihnen sagen, daß man hier endlich munter wird und daran denkt, Architektur aus früheren Zeiten, jetzt bis zu den dreißger Jahren, zu erhalten. Es gibt ein Wehklagen über den Abriß ganzer Stadtteile, die man im Zug von "urban renewal" beseitigte.

Lob auf die vorzügliche Sanierung der Görlitzer Altstadt, doch Gebäude jüngerer Zeiten gehören ebenfalls dazu. Der Wahn, der nach der Wende im Umlauf war, Shopping Center außerhalb der Städte auf dem Land zu entwickeln, löst sich langsam auf. Jedenfalls hier in den USA ist es an der Ostküste (der ältere Teil) bemerkbar. Wenn USA weiterhin ein "trend setter" für Deutsche ist, dann seid weise und erhaltet köstliche Gebäude wie Karstadt. Die Bevölkerung altert, ist in der Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften besser bedient als mit dem Auto über Land zu zuckeln.

Wie Sie nur zu gut wissen, hat der gegenwärtige Besitzer nur ein Interesse - Geld zu raffen. Daher gibt es mir Hoffnung, daß die Stadt Görlitz jetzt einen Zwangsverwalter eingesetzt und das Gericht Sie dabei unterstützt hat. Nur weiter so. Und wo stehen die Politiker vom Land und die in der Bundesregierung? Hier ist die Gelegenheit die schönen Wahlkampfworte über Erbe und Lebensqualität durch Taten zu untermauern.

Es tut mir leid, daß ich außer diesen brieflichen Gedanken nichts weiter beitragen kann. Diesen August werde ich einige Tage in Görlitz sein; hoffentlich gibt es dann freundlichere Zukunftsbilder für Karstadt.

Mit freundlichen Grüßen und in Verbindung mit der alten Heimat

Hannelore Wilfert


Kommentar:

Liebe Frau Wilfert, mit Ihren brieflichen Gedanken tragen Sie sehr viel dazu bei, den behutsamen Umgang mit historischen Gebäuden und ganz speziell dem Görlitzer Kaufhaus zu wahren. Zeigt Ihr Brief doch, dass überall auf der Welt - und nicht nur von ehemaligen Görlitzern - auf diese Stadt geschaut wird.

Genau das sollte Anlass über die Stadtgrenzen hinaus sein, sich für Görlitz und sein Denkmal-Kaufhaus einzusetzen. Schon weil, wie Frau Wilfert anmerkt, funktionierende Städte im Zuge des demographischen Wandels wieder an Bedeutung gewinnen werden.

Wer als Politiker zum Görlitzer Kaufhaus schweigt, sollte es vor den nächsten Wahlen auch tun,

meint Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Görlitzer Kaufhaus

Von Rita Hahn am 07.04.2010 - 19:36Uhr
Mit ziemlichem Entsetzen habe ich von der derzeitigen Lage des wunderschönen Görlitzer Kaufhauses Kenntnis erhalten.

Ich habe vor gut zwei Jahren aus Kassel kommend in Görlitz und der Oberlausitz Urlaub gemacht und war unter anderem begeistert von dem einmalig schönen Gebäude, das seinerzeit noch Karstadt beherbergte.

Alle Politiker und Bürger von Görlitz möchte ich bitten, sich für den Erhalt einzusetzen.

Görlitz-Boston

Von Sylvia am 14.03.2010 - 17:03Uhr
Liebe Frau Olsen,

wir sind Anfang Oktober 2010 in Boston, wenn Sie mögen, können wir uns gern auf einen Cafe treffen und uns ein bisschen über Görlitz-Boston austauschen.

Viele Grüße,

Fam. L. H.

Kontakt:
Über redaktion(at)goerlitzer-anzeiger.de (at)=@
wir leiten gern weiter.

Kaufhaus Görlitz

Von Renate Olsen am 13.03.2010 - 23:22Uhr
Ganz meiner Meinung!

Man darf doch Geschichte, Baukunst, Kultur, Denkmäler usw. nicht abreißen und zerstören; die Zukunft baut sich immer auf die Vergangenheit; das ist das Erbe, ein Hinterlassen.

Ich wohne in Boston, Massachusetts, reise manchmal nach Görlitz und schätze Eure Stadt.

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  • Quelle: red | Fritz Rudolph Stänker | Foto: BeierMedia.de | Erstveröffentlichung am11.03.2010 - 23:19 Uhr
  • Erstellt am 11.03.2010 - 22:59Uhr | Zuletzt geändert am 12.03.2010 - 08:08Uhr
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