Stadratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne zur "Kulisse"

Stadratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne zur "Kulisse"Görlitz, 16. Juli 2021. Von Mike Altmann. Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne im Stadtrat bedauert die eingetretene Situation um das Kunstwerk "Kulisse". Es wurde von einer Jury ausgewählt als Teil der Kunstausstellung im öffentlichen Raum "Görlitzer Art". Nach ihrem Aufbau vor der Stadthalle, direkt an der polnischen Grenze, forderte Kulturbürgermeister Michael Wieler den Rückbau und kündigte kurz darauf den Vertrag. Als Grund gab er an, dass das Werk nicht der eingereichten Skizze entspricht. Konkret stößt er sich daran, dass die "Kulisse" nunmehr auf Polen und die dortigen frauenfeindlichen Gesetze blickt, speziell das rigorose Abtreibungsverbot wird thematisiert.

Abb.: Hat gut lachen, die Lisa Maria Baier in ihrer "Kulisse", der sie die betuliche Unschuld genommen hat
Foto: Kristina Seifert
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Erklärung der Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne

Thema: Ausstellungen in Görlitz und Umgebung

Ausstellungen in Görlitz und Umgebung

Görlitz verfügt nicht nur über fast 4.000 Baudenkmale, sondern ist eine Stadt der Museen und Ausstellungen. Hier befinden sich beispielsweise das Kulturhistorische Museum, das Schlesische Museum zu Görlitz, das Museum der Fotografie und das Senckenberg Museum für Naturkunde, im polnischen Teil der Europastadt das Lausitz-Museum. Darüber hinaus gibt es häufig Sonderausstellungen an anderen Orten, auch im Umland der Stadt sowie in der Dreiländerregion von Sachsen, Tschechien und Polen.

Das Werk "Kulisse" der in Görlitz geborenen Künstlerin Lisa Maria Baier wurde von einer Jury gekürt. Entsprechend sollte dieses Gremium entscheiden, ob die durch die Künstlerin vorgenommenen Veränderungen der Installation den nachträglichen Ausschluss aus dem Wettbewerb rechtfertigen. Eine solche Entscheidung kann und sollte nicht allein in der Verantwortung des Kulturbürgermeisters Dr. Michael Wieler liegen.

Dr. Wieler hat direkt mit dem Rückbau gedroht, ohne vorher intensive Gespräche zu führen. Natürlich darf er der Künstlerin vorwerfen, dass sie ohne Rücksprache mit dem Veranstalter ihre Installation in der Aussage verändert hat. Möglicherweise hätte sich das durch eine bessere Betreuung der Künstlerinnen und Künstler vermeiden lassen. Für falsch halten wir die Auffassung Dr. Wielers, dass sich Kunst im öffentlichen Raum nicht an den Ort anpassen darf, an dem sie entsteht. Lisa Maria Baier hat den Standort für "Kulisse" erst erfahren, nachdem sie die Skizze entworfen hatte. Als Künstlerin baut sie natürlich eine Beziehung zwischen Werk und Standort auf. Dies ist geschehen, ohne das Grundmotiv "Kulisse" zu verändern.

Wir befürchten einen Schaden für den Ruf der Stadt, wenn die Eskalation weiterhin anhält. Dr. Wieler beruft sich auf einen Vertrag, den wir nicht kennen. Wir gehen aber davon aus, dass sich der Auftraggeber von "Görlitzer Art" mit den künstlerischen Eigenarten und auch Auffassungen der Künstlerinnen und Künstler beschäftigt, vor und auch nach Vertragsabschluss, denn es gibt immer eine Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung von Kunstwerken. Das "bestellte Werk" entstand in künstlerischer Eigenverantwortung von Lisa Maria Baier. Insofern wäre es klug, die Eskalation zu beenden und nicht den Gang vor ein Gericht zu suchen. Die "Kulisse" gehört bereits jetzt zur "Görlitzer Art" – selbst wenn sie zwangsweise abgebaut würde, bliebe sie ein zentrales Thema.

Wir begrüßen das Ansinnen des Kulturbürgermeisters, einen offenen Dialog mit der Künstlerin zu suchen, halten die bereits ausgesprochene Kündigung allerdings für eine ungeeignete Basis einer solchen Veranstaltung.

Mike Altmann ist Co-Vorsitzender der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne im Görlitzer Stadtrat.


Kommentar:

Das kennt jeder, der im Auftrag etwas schafft, das uno acto entsteht: Das Ergebnis lässt sich nicht beschreiben wie auf einer Konstruktionszeichnung – das ist in der Kunst nicht anders als in der Unternehmensberatung. Deshalb spielt in beiden Branchen Vertrauen eine große Rolle, nie aber darauf, dass der Anbieter genau die Erwartungen des Auftraggebers erfüllt, sondern vielmehr darauf, dass er seiner Art, wegen der er ausgewählt wurde, treu bleibt.

Zu Lisa Maria Baier bestand dieses Vertrauen wohl nicht. Auf der heutigen Eröffnungsveranstaltung der Görlitzer Art auf dem Lutherplatz sprach Oberbürgermeister Octavian Ursu nur noch von neun Teilnehmern, im Faltblatt zur Ausstellung ist das Feld für die "Kulisse" schwarz und mit dem Hinweis versehen, dass das Werk nicht im Einvernehmen zwischen Künstlerin und Veranstalter realisiert werden konnte.

Aufschlussreich für das Verhältnis zu Künstlern ist in dieser Hinsicht, was Helmut Kohl, als Bundeskanzler von Albrecht Gehse portraitiert, bei der Vorstellung des Bildes über den Maler sagte: "...ich habe wenige Stunden in diesen Jahren erlebt, in denen ich so gelacht habe wie mit Albrecht Gehse in seinem Atelier" –, obgleich, wie Kohl vorher betonte, Gehse einen völlig anderen Lebensweg – Leipzig statt beschaulicher Rhein – hatte.

Lachen befreit. Nun braucht man sich nicht gemeinsam vor die "Kulisse" in ihrer installierten Form zu stellen und zu lachen. Es hätte schon gereicht, zu grinsen und vor sich hin zu murmeln: Clever ist sie ja, die Lisa." Ist aber nicht passiert und jetzt läuft's anwaltlich. Gute PR für die Künstlerin, schlechte für die Stadt, meint Ihr

Thomas Beier

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  • Quelle: Mika Altmann / Kommentar: Thomas Beier | Foto: Kristina Seifert
  • Erstellt am 16.07.2021 - 14:25Uhr | Zuletzt geändert am 16.07.2021 - 20:43Uhr
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