Worcation 2018 beendet
Görlitz, 12. August 2018. Zwei Wochen lang haben im Juli junge Leute aus Deutschland, Polen, der Ukraine, aus Italien und Frankreich auf dem Gelände des Nazi-Kriegsgefangenenlagers StaLag VIIIa in Görlitz-Moys (heute Zgorzelec-Ujazd) gearbeitet und so geholfen, diesen Ort der Erinnerung lebendig zu halten. Dieses – zum elften Mal stattgefundene – Worcation genannte Camp wurde am 27. Juli 2018 mit einer Abschlussveranstaltung beendet.
Abbildung: Mit Engagement untersuchten die Teilnehmer des Worcation-Camps die Nachttoiletten einer Baracke. Von den Baracken stehen auf dem Lagergelände nur noch die Fundamente, alles Verwertbare wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom Lagergelände entfernt
Die europäische Perspektive verinnerlichen
Thema: Meetingpoint Music Messiaen
Der MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN e.V. will auf beiden Seiten der Lausitzer Neiße die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers Stalag VIIIa wieder bewusst machen. Bezugsperson ist der französische Komponisten Olivier Messiaen (1908-1992), der als Kriegsgefangener hier war. Der Meetingpoint organisiert internationale Jugendbegegnungen, musikpädagogische Projekte und erforscht die Geschichte des Lagers.
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- Deutsch-Polnisches Jugendwerk fördert mit höherem Budget [21.08.2018]
- Führung durch Görlitzer Kriegsgefangenenlager [27.06.2018]
Auf der Veranstaltung berichteten Camp-Teilnehmer über ihre Arbeit und die dabei gemachten Erfahrungen. Sie gedachten der Opfer des Kriegsgefangenenlagers STALAG VIIIa. Hier waren Kriegsgefangene mehrerer Nationen interniert, wobei die sowjetischen Gefangenen unter besonders schlechten Bedingungen zu leiden hatten. Terry Crandle, Sohn eines neuseeländischen Kriegsgefangenen, hatte im Jahr 2010 ein Exemplar des im Görlitzer Lager von Gefangenen geschriebenen und 1945 in London herausgegebene Buchs "Interlude" (dt. etwa "Zwischenspiel") auf Vermittlung des Görlitzer Anzeigers hin an das Görlitzer Ratsarchiv übergeben. Das Buch schildert in vielen Details und illustriert mit etlichen Zeichnungen das Leben im StaLag VIIIa.
Während der Abschlussveranstaltung übergab die Italienerin Giulia Morelli dem Görlitzer Landrat Bernd Lange, dem Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege und dem stellvertretenden Zgorzelecer Bürgermeister Radoslaw Baranowski Fundstücke und erklärte die Vorgehensweise der Worcation-Teilnehmer: Unter Anleitung des Archäologen Pawel Zawadzki hatten sie zwei Nachttoiletten einer Baracke untersucht und den gesamten archäologischen Prozess der Ausgrabung begleitet.
Die tägliche wissenschaftliche Arbeit am authentischen Ort und das Finden persönlicher Gegenstände war ein interessanter Aspekt für die Gruppe. "So konnten wir den Opfern des Lagers gedenken", erklärte Gwenn Fraser aus Amiens. Unter den Worcation-Teilnehmern waren auch fünf aus der Görlitzer Partnerstadt Amiens in Frankreich. Mit Amiens verbinden sich Schlachten: Im Deutsch-französischen Krieg haben sich 1870 mehr als 2.500 Soldaten gegenseitig umgebracht, im Ersten Weltkrieg leitete die Schlacht bei Amiens im August 1918 für die deutschen kaiserlichen Truppen endgültig die Niederlage ein. Am Ende der Schlacht waren allein auf deutscher Seite 29.000 Soldaten verreckt oder vermisst.
Direkt zwischen den beiden Ausgrabungsstätten befindet sich jetzt ein Stück Landart – Kunst im Freien aus Naturmaterial. Ein zweite Gruppe hatte sich mit Unterstützung von Eric Beier und Susanne Buchart mit dem Kunstbegriff auseinandergesetzt und entschieden, ihre Gedanken zu diesem Ort auf diese Weise darzustellen. "Das Material stammt direkt vom STALAG-Gelände – Äste, Blätter und Ziegel, die direkt von den Archäologen ausgegraben wurden", erläuterte Eric Beier dazu. Ein von der Gruppe verfasstes Gedicht wurde in allen fünf Sprachen der Herkunftsländer wiedergegeben und Hubert Grabowski aus Polen spielte dazu auf dem Horn.
Am Ende der Abschlussfeier legten die Teilnehmer am Denkmal Kränze nieder.
Worcation-Projektziele
Bei Worcation geht es vor allem um Teilhabe: Einerseits sollen junge Leute das Projekt mitgestalten, sich austauschen und die Verantwortung für den eigenen Alltag übernehmen. Anderseits sollen sie befähigt werden, Einfluss auf das eigene Umfeld zu auszuüben. Dazu gehört die Teilnahme am gesellschaftlichen und am politischen Leben.Das Worcation-Projekt ist basisdemokratisch konzipiert. So gestalten alle Teilnehmer das Rahmenprogramm und ihre Freizeit, nehmen an Plenum teil und wirken bei Entscheidungen mit. Erfahrene Teamer begleiten die Gruppe und bringen sich erst ein, wenn die Gruppe ihre Entscheidungen nicht selbstständig treffen können.
Außerdem fördert Worcation die Interkulturalität. Unabhängig von ihrem Hintergrund, ihren Kenntnissen und ihrem Wissen haben die jungen Leute aus fünf Ländern die Gelegenheit, sich kennenzulernen, als Individuen, aber auch als Vertreter ihrer Kultur. Sie leben in internationalen Wohngemeinschaften und verbringen ihren Alltag gemeinsam.
Nicht zuletzt wird verantwortungsvolles Handel gefördert, denn die Teilnehmer lernen einen Ort kennen, an dem sie europäische Geschichte aktiv begreifen können. Durch ihre Friedensarbeit finden sie einen Einstieg, ihr Leben im heutigen Europa zu thematisieren, zu verstehen und sich daraus selbst als Europäer zu begreifen, damit sie dieses bewusst mitgestalten können.
Das Zusammenleben, die Gruppenarbeiten, die Notwendigkeit, Entscheidungen für sich selbst und für die ganze Gruppe zu treffen, fördern die sogenannten soft skills.
Und wieder waren Fördermittel im Spiel: Gefördert wurde Worcation im Jahr 2018 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, von der Stadt Görlitz, von der Landgemeinde und von der Stadt Zgorzelec sowie von den Unternehmen Little John Bikes Görlitz, DM Drogeriemarkt am Demianiplatz, Bäckerei Wittig sowie von der Bäckerei Tschirch.
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- Quelle: red | Foto: Jakub Purej
- Erstellt am 12.08.2018 - 09:19Uhr | Zuletzt geändert am 12.08.2018 - 10:32Uhr
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