Was ist dran an der Flüchtlingsunterkunft in Zentendorf?

Was ist dran an der Flüchtlingsunterkunft in Zentendorf?Neißeaue OT Zentendorf / Kahle Meile, 5. Januar 2015. Aufmerksamen Bürgern ist es längst aufgefallen: Das "große Loch" das nördlich des Eingangs (dort in Anlehnung an die Goldene Pforte respektlos "Trollpforte" genannt) zur Kulturinsel Einsiedel. In Richtung Kahle Meile also haben einerseits umfangreiche Erdarbeiten im sandigen Boden stattgefunden, andererseits wurde zugleich ein vor allzu neugierigen Blicken bewahrender Erdwall mit einem kleinen Haus obendrauf, das offensichtlich Wachmannschaften als Schutz dienen soll, aufgeschüttet. Da die örtlichen Presseorgane das Geschehen weithin ignorierten (von einem Maulkorb soll nicht gesprochen werden), kochten die Vermutungen und Spekulationen in der Gerüchteküche schnell hoch.

Abbildung oben: Das offensichtlich zu Bewachungszwecken dienende Haus unmittelbar an der S122 in der Nähe des Haupteingangs zur Kulturinsel Einsiedel. Mit etwas Chuzpe kann man von hier einen Blick auf die Großbaustelle erhaschen. Zur Tarnung sind Informationstafeln aufgestellt
Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Ein Meinungsbild zu den Vorgängen an der Kulturinsel Einsiedel

Ein Meinungsbild zu den Vorgängen an der Kulturinsel Einsiedel
Groß ist der Mensch, größer sind seine Löcher: Teilansicht der rätselhaften Baugrube an der Kulturinsel Einsiedel. Wozu soll das hier entstehende unterirdische Zirkuszelt der Anlage mit dem Codenamen "Hochzeitslabyrinth" wirklich dienen?
Foto: © Görlitzer Anzeiger

Thema: Turisede

Turisede

Die frühere Kulturinsel Einsiedel ist inzwischen aufgegangen in der Geheimen Welt von Turisede, dem wenige Kilometer nördlich von Görlitz gelegenen Ferienresort für Abenteuer und Kultur für Kinder und Erwachsene. 

Der Görlitzer Anzeiger hat sich seit Mitte Dezember 2015 immer wieder vor Ort umgehört und zusammengetragen, was den Gesprächen an Informationen zu entnehmen war.

Es zeigte sich, dass vor allem die Liebhaber des traditionsreichen Folkfestivals "FOLKLORUM – Festival der Turisedischen Festspiele" entsetzt darüber sind, dass ihnen der bequeme Parkplatz in Eingangsnähe regelrecht abgegraben wurde. Allerdings wurde auch das Urvertrauen in die Trolle der Kulturinsel Einsiedel deutlich, die offenbar Regie führt bei der Riesenbuddelei, wie anhand der Baumaschinen im Loch sichtbar wird, die bemalt sind, als ob jemand ein Tässchen Neißewasser-Tee zuviel getrunken hätte. "Wenn die dahinter stecken, wird's seinen Grund haben und bestimmt was völlig Verrücktes werden", so die gängige Ansicht.

Decknamen und Phantasien

Für gesteigerte Verwirrung sorgt der Deckname des Projekts, der mit "Hochzeitslabyrinth" kaum hanebüchener hätte gewählt werden können. Als der spiritus rector der Kulturinsel Jürgen Bergmann auf einer hochkarätig besetzten Pressekonferenz am 12. Dezember 2015, an der die wichtigsten Medien aus dem Landkreis Görlitz teilnahmen, davon sprach, in seinem Loch ein Zirkuszelt verbuddeln zu wollen, wurden neue Zweifel am Sinn des Vorhabens und den Sinnen des Kulturinselobermachers genährt.

Es liegt in der menschlichen Natur, dass die Bürger und Bürgerinnen vor Ort begannen, die zur Verfügung stehenden Informationen einem Puzzle gleich zusammenzusetzen und die verbliebenen Lücken in diesem Bild mit ihrer mehr oder weniger ausgeprägten Phantasie zu füllen. Als kleinster gemeinsamer Nenner bliebt nur die Vermutung, dass hier eine Unterkunft für Asylbewerber und andere Flüchtlinge entstehen werde. Um so mehr diese Annahme sich verbreitete und aufgrund ihrer inneren Logik Zustimmung fand, wurde sie erst zur Gewissheit und dann in den Köpfen zur bewiesenen Tatsache.

Von welchen Argumenten lassen sich die Befürworter der Flüchtlingsunterkunft leiten?

    • Zentendorf / Kahle Meile ist abgelegen. Anti-Flüchtlingspolitik-Demonstrationen sind hier nicht zu erwarten. Die Fluchtsuchenden selbst hingegen werden auf natürliche Weise an ihrem Mobilitätsdrang gehindert: Die nördlich verlaufende Bahnlinie wurde vorsorglich schon vor Jahren eingestellt, die einzige Bushaltestelle soll zu "arrival only" (dt.: nur Ankunft) umgewidmet werden.

    • Heimatgefühle werden bedient und weiterentwickelt. Viele der fluchtbedingten Migrantinnen und Migranten kommen aus Ländern, deren malerische Landschaften von Wüstensand geprägt wurden. Da ist der unter dünnem Humus freigelegte märkisch anmutende Sand ein kleiner Trost, der ein wenig über den Verlust der Heimat hinweghilft. Auf populäre Aspekte setzende Politiker sehen den Landkreis Görlitz mit seinen ausgedehnten Kiefernwäldern und hier besonders Kahle Meile als geeignetes "human- and wildlife sanctuary" (dt.: Schutzgebiet für Menschen und Tiere), wo man sich intensiv mit dem deutschen Wald, seiner Romantik und seinem Abwechlungreichtum vertraut machen kann.

    • Hier wächst zusammen, was zusammen gehört. Die Kulturinsel Einsiedel zeigt sich oft und gern als Bewahrerin des kulturellen Lebens des turisedischen Volkes; die wiedererrichtete Krönungshalle KRÖNUM mit ihren Verzehr-Aufführungen heiterer und lehrreicher turisedischer Szenen (eine Verknüpfung, die an den Schulen Schule machen sollte!) und die Museum HISTORUM mit seiner Schau turisedischer Alltagsgegenständige, Dokumente und einer Muster-Schlafküche legen beredtes Zeugnis davon ab. Als die Turiseder vor mehr als tausend Jahren auswanderten, gelangten mehrerer Sippen bis in den Nahen Osten. Kein Wunder also, wenn nun der Ruf "Komm nach Haus ins Reiherland!" zum wahrhaft geflügelten Wort wird.

Dieser kleine Ausschnitt der Meinungsvielfalt rund um das "große Loch", das bereits als "the big hole of Einsiedel" weltweit an Bekanntheit gewinnt, zeigt, dass die Idee einer Flüchtlingsunterkunft nicht von der Hand zu weisen ist.

Was sagt der Whistleblower?

Ein junger Mann arabischen Einschlags, der auf der Kulturinsel Einsiedel beschäftigt ist und in der Öffentlichkeit nur "Chris" genannte werden möchte, liefert schließlich die entscheidenden Hinweise. Mit den Worten "Sind die Leute denn blind? Das Konzept der Flüchtlingsunterkunft ist doch längst sichtbar!" zeigt er auf die längst geschaffenen Tatsachen.

Auffällig ist in der Tat, wie verantwortliche Kulturinsel-Mitarbeiter in immer neuen Pressemitteilungen bemüht sind, die gegenwärtig noch als Tiefbau einzustufenden Baumaßnahmen zu erklären. "Alles Pustekuchen", weiß Whistleblower Chris und nennt Beispiele, wie mit Worten verschleiert werden soll, worum es wirklich geht:

    • Zirkuszeltmanufaktur:
      Eine halb unterirdische Arbeitsbeschaffungsstätte für Asylflüchtlinge mit angeschlossenen Wohnstätten. Dazu Chris: "Das sorgt für natürliche Erdwärme und immer etwas Sand vor den Augen." Der einzige Ausgang führt in den seit Jahren bestehenden schwarz-weißen sogenannten Zauberwald, der sich inzwischen als eine hervorragende Integrationslandschaft für Leute schwarzer und weißer Hautfarbe erwiesen hat.

    • Nebelfelseninseln:
      Tatsächlich sind an Rande des Lochs einige inselartige, sich durch die Ringsumabbagerung hoch erhebende, von großen Kiefern bewachsene Gebilde entstanden. Der Insider verrät: "Hier soll natürlicher Schattenwurf erzeugt werden. Und hier installierte Baumhäuser bieten den nötigen Überblick, das Areal lückenlos zu überwachen."

    • Narrentürme zum Nächtigen:
      Das hatten schon die Zoffjets drauf, unliebsame Mitbürger zu Narren zu erklären und in der Klappsmühle (nicht zu verwechseln mit dem Etablissement "Zur Klapsmühle") einzulochen. Allerdings will der Informant nicht so weit gehen, die verrückte Kulturinsel Einsiedel insgesamt zur Klapperanstalt zu erklären.

    • Wacheberg:
      "Der wehrhafte Wacheberg wird wie in alter Zeit trutzig über die Wiesen ragen", teilt die Propagandamaschine der Kulturinsel mit - und umschreibt damit den Wachposten über dem Lager.

    • Orakeltempel:
      Dieses höchstgelegene Tempelbaumhaus soll der Befriedigung, vor allem religiöser Bedürfnisse, dienen.

Die Beispiele aus dem codierten Kulturinsel-Neusprech ließen sich an dieser Stelle beliebig fortsetzen. Was der gesprächige Chris noch ergänzt ist der Hinweis, dass eine ausgestorben geglaubte Tierart angesiedelt werden soll, um das lokale Hirtenwesen zu stärken.

Das Orakel vom Neißetempel

Beim mechanisierten Aushub des Loches für die Flüchtlingsansiedlung wurde im Sommer 2015 angeblich eine verschüttete Kammer entdeckt, in der ein Pergament mit turisedischen Runen gefunden wurde. Dem engagierten Turisede-Forscher Dr. tur. Jurusch Gorlik ist die Transkription in die hochdeutsche Sprache gelungen, während er vor der Übersetzung in den Sachsenslang kapitulieren musste. "Vielleicht verstehen ja einige Bewohner des Freistaats auch Hochdeutsch", hofft er nun.

Die Übersetzung des von Gorlik als "Orakel vom Neißetempel" identifizierten Artefakts liegt dem Görlitzer Anzeiger vor, doch das Redaktionsteam beschäftigt sich noch intensiv mit der Frage, ob die ostdeutsche Öffentlichkeit samst übergeordneten Verwaltungen schon reif dafür ist. Keine Frage aber: Der Görlitzer Anzeiger bleibt am Thema!

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  • Quelle: TEB | Fotos: © www.goerlitzer-anzeiger.de
  • Erstellt am 05.01.2016 - 08:03Uhr | Zuletzt geändert am 05.07.2022 - 12:40Uhr
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