Folgen politischer Haft in der "DDR"
Cottbus / Chosebuz, 23. Mai 2015. Das hatten die SED und Stasi gut im Griff: Politische Gefangene aus dem öffentlichen Bewusstsein auszublenden. So sind noch heute viele Cottbusser der Meinung, im versteckt mitten in der Stadt gelegenen Zuchthaus seien von der "DDR"-Justiz nur Kleinkriminelle eingelocht gewesen. Im früheren Umfeld der Gefangenen wurden gezielt Gerüchte gestreut, mit denen diese kriminalisiert wurden: "Da muss schon was dran sein, wenn der verhaftet wurde" war die Schlussfolgerung derjenigen, die es nicht treffen würde. Die Wahrheit über die Schicksale der fast ausschließlich rein politischen Gefangenen in Cottbus ist für viele, die sich zu "DDR"-Zeiten wie noch heute die Augen zuhalten, eine zu unbequeme. Vielleicht wäre sie aus dem Alltag längst ausgelöscht, hätten Cottbusser Ex-Häftlinge nicht einen Verein, das Menschenrechtszentrum Cottbus, gegründet und kurzerhand - weltweit einmalig - ihren eigenen Knast gekauft und zu einem lebendigen, gegenwartsorientierten Museum entwickelt.
"Verborgene Wunden - Spätfolgen politischer Traumatisierung in der DDR" – Gespräch mit Betroffenen in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
Thema: Menschenrechte
Menschenrechte sind weltweit Thema. Die Erinnerung an die "sozialistische Rechtsprechung" und das SED-Unrecht sowie die vorangegangene Nazi-Diktatur mahnen, auch in Deutschland Menschenrechte und Demokratie nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern immer wieder dafür einzutreten.
Wer ist mit einem angemessenen Umgang mit den Folgeschäden der SED-Diktatur interessiert? Die ehemals mehr als zwei Millionen SED-Mitglieder? Die heutige Linke, in direkter Linie SED Nachfolgepartei? Jene, die es sich in der "DDR" eingerichtet hatten, hinter vorgehaltener Hand witzelten, meckerten und sich an ein "Doppeldenk" gewöhnt hatten? Nein, die Mehrheit hat kein Interesse, in den "alten Sachen" zu rühren oder gar Lehren daraus abzuleiten. Das war schon nach der ersten deutschen Diktatur so, nach der zweiten ist es nicht besser.
Es bleibt nur den in der "DDR" politisch - oft mit hanebüchenen Anschuldigungen - Verfolgten, sich zu artikulieren und für ihre angemessenen Interessen einzutreten. Mit den sogenannten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen wurde ein erster Schritt zur formalen Aufarbeitung vollzogen. Dennoch: Zahlreiche Opferverbände üben Kritik an zu geringen Rentenzahlungen, an Defiziten in den Anerkennungsverfahren von haft- und verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden sowie an den gesellschaftlichen Verharmlosungstendenzen und fordern Nachbesserungen.
Die Opferrenten und die mögliche gesellschaftliche Würdigung dieser Menschen sind für sie eine kleine, aber wichtige Form der Anerkennung des erlittenen Leids. Die verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden, vor allem auch seelische Schäden, die noch heute fortwirken, sind damit jedoch nicht wiedergutzumachen. können und jahrzehntelang tief in den Seelen festsitzen.
Was ist zu tun?
Welche Wege gibt es, damit den ehemaligen Gefangenen geholfen werden kann? Ist eine Therapie der einzige Weg oder wäre auch ein Dialog mit der anderen Seite, mit den Erzieher genannten Wärtern, mit Funktionären, Stasimitarbeitern, Staatsanwälten und Richtern der "DDR" ebenfalls ein gangbarer Weg? Gibt es Bedingungen, die zuu Versöhnung und Vergebung führen können?
Solche Fragen sollen auf der Veranstaltung "Verborgene Wunden" mit dem Zeitzeugen, Arzt, Autor und Liedermacher Dr. Karl-Heinz Bomberg sowie dem ehemaligen politischen Häftling in Cottbus Burkhardt Aulich und Prof. Martin Neumann von der Karl-Hamann-Stiftung diskutiert werden.
Buch zum Thema
Zu Veranstaltungsbeginn wird Dr. Bomberg in das Thema einführen, indem er seinen Anfang 2015 zusammen mit dem Psychoanalytiker Dr. Stefan Trobisch-Lütge veröffentlichten Sammelband "Verborgene Wunden" vorstellt. Im Buch werden die Spätfolgen politischer Traumatisierung in der "DDR" aus unterschiedlichen therapeutischen Perspektiven diskutiert.
Auch in seinen Liedern verarbeitet der selbst drei Monate lang inhaftierte Bomberg die Erfahrung von Freiheitsentzug, Angst und Hoffnung im "DDR"-Knast. Für Burkhardt Aulich, der unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet, wird es ein bewegender Weg sein, in der Öffentlichkeit über sein Trauma zu sprechen.
Die Diskussionsveranstaltung findet in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit statt. Anlass ist die Einweihung des Büros von Pfarrer Christoph Polster in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus. Polster war langjähriger Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde St. Nikolai in Cottbus. Er ist Vorstandsmitglied des Menschenrechtszentrums Cottbus e.V. und jetzt, als Pensionär, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gedenkstätte. "Mit den aufgeworfenen Fragen in Zusammenhang mit den Spätfolgen politischer Traumatisierung sprechen wir ein Thema an, das das solidarische Zusammenleben in unserer Gesellschaft in einer ganz bestimmten Stelle herausfordert. Diese Fragen verursachen Schmerzen und geraten sehr oft in den Hintergrund und werden verdrängt. Meine Aufgabe sehe ich darin, genau solche Themen in das Bewusstsein der Bürger in meiner Arbeit in dieser Gedenkstätte zu bringen“, umreißt er seine Arbeit.
Interessierte Bürger sind eingeladen, sich diesem Thema zu nähern und über Musik und Lektüre miteinander ins Gespräch zu kommen.
Prädikat: Hingehen!
Donnerstag, 28. Mai 2015, 18:30 Uhr,
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus,
Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus.
Bitte anmelden!
anmeldung.potsdam@freiheit.org
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- Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 22.05.2015 - 16:16Uhr | Zuletzt geändert am 23.06.2020 - 08:46Uhr
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