Wie wohnt man als Flüchtling?
Görlitz, 26. November 2014. Von Ulrike Wünsche und Joachim Trauboth. "Luxus ist was anderes..." oder "Als wir angefangen haben, ging es uns nicht so gut..." - zwischen diesen beiden Extremen schwankten die Reaktionen der meisten Besucherinnen und Besucher. Sie hatten die Einladung zu einem Tag der offenen Tür in die James-von-Moltke-Straße angenommen, bei dem sie sich ein Bild der zukünftigen Wohnsituation von Flüchtlingsfamilien in Görlitz machen konnten.
Verantwortliche zeigen Wohnung für Asylsuchende
Thema: Asyl in Görlitz und Umgebung
Flüchtlinge aufzunehmen gebietet nicht nur das Grundgesetz, sondern muss gerade für Deutsche, von denen viele im Zuge des Zweiten Weltkriegs Flucht und Vertreibung selbst erlebten, eine Selbstverständlichkeit sein. Dennoch: Unproblematisch ist das Zusammenleben mit jenen, die Asyl begehren, nicht immer. Doch wer will unterscheiden zwischen "guter Flüchtling" und "schlechter Flüchtling"? Im Zweifel für den Angeklagten, dieser Rechtsgrundsatz muss auch gegenüber dem einzelnen Flüchtling gelten.
Eingeladen hatten die Institutionen, die sich in Görlitz für die Unterbringung und Betreuung der "Bürger auf Zeit" verantwortlich fühlen: Vertreter des Landkreises, der Stadt Görlitz, des Deutschen Roten Kreuz, der KommWohnen und des Willkommensbündnis Görlitz beantworteten am vergangenen Freitag die Fragen von gut 200 Menschen, die wissen wollten, wo und wie ihre zukünftigen Nachbarn und Mitbürger untergebracht werden.
Bei Besichtigung der spärlichen Ausstattung und des vergleichsweise geringen Wohnraums waren Neidgefühle eher selten. Für die Familie, die mit vier Kindern hier einziehen kann, stehen auf knapp 55 Quadratmetern ein Wohnraum zur Verfügung, in dem die Elternbetten, ein Esstisch mit sechs Stühlen und ein kleiner Kleiderschrank stehen sowie ein weiterer Raum mit vier Schlafgelegenheiten für die Kinder und ein Schrank. Die schmale Küche bietet einen neuen Herd, einen Kühlschrank sowie ein einfaches Schrankelement. Im Bad findet man eine Dusche und eine Waschmaschine.
Bei diesem Tag der offenen Tür ging es um mehr als die Besichtigung einfacher Wohnverhältnisse. Die Besucher sollten vor allem die Gelegenheit haben, Antworten auf die Fragen zu bekommen, die im Zusammenhang mit den zu erwartenden Flüchtlingen aufkommen.
Den Organisatoren aus dem Kreis des Willkommensbündnis Görlitz war es besonders wichtig, den Besuchern einen Eindruck von der Lebenssituation flüchtender Menschen zu geben. Dazu hatten Studentinnen und Studenten der Hochschule Zittau/Görlitz Poster vorbereitet, die über die Fluchtländer informierten. Andere Poster sollten durch Fragen Denkanstöße und Empfindungen provozieren, um Verständnis für die Flüchtlinge und ihr Schicksal zu wecken.
Birgit Mertins und Daniela Dückers aus dem Willkommensbündnis setzen in ihrem Arbeitskreis "Patenschaften" auf ca. 25 Kommilitoninnen und Kommilitonen, die sich in diesem Projekt einsetzen. Zusammen mit den rund 45 Mitgliedern der anderen Arbeitskreise im Willkommensbündnis ist das eine Bürgerbeteiligung, die die Vertreterinnen des Landkreises und der Stadt als vorbildlich bezeichneten. Romy Wiesner, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Görlitz und Koordinatorin des Willkommensbündnisses: "Bei der Herausforderung, den Flüchtlingen hier ein menschenwürdiges Unterkommen und ein Ankommen in der Stadt Görlitz zu bieten, sind wir auf einem guten Weg."
Frage
Von Sibylle am 08.12.2014 - 20:11Uhr
Mich würde interessieren, wie sich die DDR-Flüchtlinge damals in den Aufnahmelagern so benommen haben. Haben die auch die Einrichtung angebrannt, Hungerstreiks veranstaltet, die Nachbarschaft belästigt, lautstark gefeiert, Alkohol ohne Maß konsumiert?
Antwort der Redaktion:
Eine ärgerliche Frage,weil ein Stück Hasspropaganda daraus hervorlugt, denn es wird unterstellt, dass Asylbewerber dazu neigen, ihre Unterkünfte anzuzünden, in den Hungerstreik zu gehen, Nachbar zu belästigen, lautstark zu feiern und Alkohol ohne Maß zu konsumieren.
Um auf den ersten Teil einzugehen: Zumindest unter den "DDR"-Flüchtlingen in der Prager Botschaft hatten kriminelle Elemente zeitweise eine Art Terrorherrschaft übernommen, so dass ein nächtlicher Besuch der GSG9 notwendig wurde.
Wie peinlich Deutsche - zum Glück wohl eine Minderheit - sich im Ausland benehmen können, auch ohne Flüchtlinge zu sein, kann man wunderschön am Ballermann auf Mallorca studieren. Und es würde wohl jedermann ärgern, wenn daraus Schlussfolgerungen auf "die Deutschen" gezogen würden. Benehmen in der Gruppendynamik ist kein nationales Phänomen.
Wer hat als Zeitzeuge eigene Erinnerungen?
Vorurteile und Gerüchte
Von Frank am 03.12.2014 - 23:55Uhr
Sehr geehrte Luna Sol,
hier mal ein paar Impressionen vom Verhalten Ihrer Klientel, weder Vorurteile noch Gerüchte, einfach Tatsachen:
11.07.2012
Niesky, Fichtestraße
Zwei Inder bei Messerstecherei verletzt
Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien
Kurz vor Mitternacht wurde gestern die Polizei zum Nieskyer Asylbewerberheim gerufen. Dort waren zwei Inder (20 und 36 Jahre alt) mit Stichwaffen aufeinander losgegangen, hatten sich dabei verletzt. Beide mussten notärztlich versorgt werden, kamen dann zur weiteren medizinischen Betreuung in eine Klinik
Gegen drei tunesische Asylbewerber der Erstaufnahmeeinrichtung Chemnitz sind am Mittwoch Haftbefehle wegen Körperverletzung mit Todesfolge erlassen worden.
01.12.2014 - 16:23 Uhr | Lausitz
Nach Brand in Asylbewerberheim Niesky - Haftbefehl gegen Asylbewerber aus Irak
Der 20-jährige soll das Feuer am vergangenen Donnerstag im Heim in Niesky absichtlich gelegt haben. Das Amtsgericht Görlitz erließ jetzt Haftbefehl. Wie die Staatsanwaltschaft heute mitteilte, habe er in seinem Zimmer leicht brennbare Sachen angezündet.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article113882481/Mit-Zuzug-der-Roma-prallen-Welten-aufeinander.html
MfG Frank
Ein paar Fakten und: "Was bedeutet eigentlich Flucht?"
Von Luna Sol am 01.12.2014 - 22:31Uhr
Tagtäglich sind Menschen auf der Flucht, sie fliehen vor Terror, Unterdrückung und Kriegen. Sie verlassen ihre Heimat, damit ihre Kinder nicht verhungern. Viele Mitteleuropäer kennen den Begriff "Flucht" heute nur noch aus Erzählungen oder aus den Nachrichten. Was es wirklich bedeutet, fliehen zu müssen, in eine ungewisse Zukunft, in ein fremdes Land, ist eine Erfahrung, die den meisten von uns erspart bleibt.
Diese Menschen benötigen unseren Schutz, nicht unsere Ablehnung – dennoch werden Asylsuchende deutschlandweit zur Zielscheibe rassistischer Hetze. Angesichts neuer Konkurrenz durch rechte Kleinparteien ließen sich im Vorfeld der vergangenen Wahlen viele Politiker dazu hinreißen, ausländerfeindliche Klischees zu bedienen.
Leider ist dieses Selbstverständnis durch immer wieder aufkommende Neiddebatten ganz unverhohlen einer Politik der "Abschreckung" von Schutzsuchenden (z.B. durch schlechte Lebensbedingungen in Deutschland) gewichen. Diese Strategie ist jedoch nicht nur unmenschlich, sondern auch wirkungslos, da Menschen aus Verhältnissen zu uns fliehen, die so schlimm sind, dass sie sich viele von uns offenbar gar nicht mehr vorstellen können – denn wer sich die Zustände vor Augen hält, denen Sinti und Roma oder Menschen in Syrien und den Bürgerkriegsländern Afrikas ausgesetzt sind, der kann eine öffentliche Neiddebatte überhaupt nicht führen.
Ein zur Zeit stark diskutiertes Thema in Görlitz, sind die ankommenden Flüchtlinge aus verschiedenen Krisengebieten. Gerade in den sozialen Medien wird das Thema heiß diskutiert. Allerdings oftmals weniger im positiven Sinne: Vorurteile und Gerüchte beherrschen hier das Bild.
Um mit Gerüchten und Falschdarstellungen aufzuräumen, hat sich der Görlitzer Journalist Markus Kremser die Mühe gemacht und die unterschiedlichsten Informationen zum Flüchtlingsthema zusammengesammelt:
http://drk-goerlitz.de/aktuelles/news/newsdetails/archiv/2014/november/05/meldung/366-drk-goerlitz-stadt-und-land-ev-uebernimmt-soziale-betreuung-von-fluechtlingen.html
Auszüge daraus:
8. Und wie sind die Wohnungen eingerichtet?
Die Wohnungen sind nur mit dem Allernötigsten eingerichtet, mit dem, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Für jeden gibt es ein Bett, eine Hälfte in einem einfachen Kleiderschrank, einen Stuhl pro Person, einen Tisch, einen Küchenschrank pro Wohnung, einen Küchenherd und eine Waschmaschine. Außerdem gibt es Kochtöpfe, Geschirr und Besteck. Kein Luxus.
14. Stimmt es, dass jeder Flüchtling 4.000 Euro vom Staat geschenkt bekommt?
Nein, das stimmt nicht. Entsprechende Informationen, die im Internet kursieren sind gefälscht. Die dort genannten "Eingliederungshilfen" bekommen nur behinderte Menschen. (...) Noch einmal zusammengefasst: Es gibt keine Bonuszahlungen an Asylbewerber, mit denen diese besser gestellt werden als Hartz-IV-Empfänger"
Thema Flüchtlinge
Von Frank am 30.11.2014 - 13:22Uhr
Sehr geehrte Frau Lisa,
drehen Sie uns bitte nicht das Wort im Mund um und lesen sie die Kommentare richtig durch, bevor Sie hier Ihre Wut ausschütten.
Kein Kommentator hat die Meinung vertreten, dass diese Leute nicht für gewisse Zeit hier unterkommen sollen, es ging hier lediglich um die Bedingungen, welche ich als wesentlich besser dargestellt habe als meine Mutter sie nach dem Krieg und die Botschaftsflüchtlinge 1989 hatten. Die Wohnungen der Flüchtlinge sind wesentlich besser ausgestattet als die Wohnsituation in der DDR für die Görlitzer Bürger in der Altstadt oder der Innenstadt war, als es das unbeheizte Außenklo gab und nach jedem Regen mussten die Wannen auf dem Boden ausgeschüttet werden, sonst lief Wasser in die Wohnung. Da hat sich keine Wohnungsverwaltung drum gekümmert.
Das Zitat "Luxus ist was anderes..." kann ich deshalb nicht teilen und empfinde es als unbegründetes Gejammere, eine Wohnung mit Esstisch für sechs Personen, Heizung und Warmwasser, Bad mit Dusche und Waschmaschine als spartanische Einrichtung zu bezeichnen. In dem Kulturkreis, aus dem die Flüchtlinge kommen, ist so eine Wohnsituation sicher auch ein Luxus.
MfG Frank
"Heiliger St. Florian, verschon' mein Haus, zünd' andre an!"
Von Lisa am 28.11.2014 - 13:32Uhr
"Heiliger St. Florian – schütz’ unser Haus – zünd’ andre an!"
Ist das wahrhaftig unser Ernst? Wollen wir wirklich ernsthaft nach diesem Prinzip hier leben?
Geht uns das Leben unbekannter Menschen wirklich nichts an? Lässt uns ihr Schmerz, ihr Leid, ihre Todesangst völlig kalt?
Gilt hier nur das Motto: Lasst mich in Ruhe? Die sollen mich doch nicht stören? Hauptsache, es geht mir gut? Der Rest soll sehen, wo er bleibt? Sind wir so brutal?
Nein, das will ich nicht! Denn:
Egal, woher diese Menschen kommen – von tausende Kilometer weit weg oder auch nur wenige Kilometer von hier, bloß weil eine Grenze dazwischen liegt.
So wie uns geholfen wurde, müssen wir ihnen helfen anzukommen, inne zu halten, zu verschnaufen. Weil wir alle Menschen sind!
Auch Flüchtlinge sind Menschen: Große, kleine, junge, alte, Frauen, Männer. Sie alle sind Menschen so wie wir! Egal woher sie kommen. Ihre Not braucht unsere Hilfe! Wenn wir menschlich sein wollen, rücken wir zusammen und helfen und handeln. Sofort und umfassend! Jetzt ohne Wenn und Aber! Wir Alle!
Zur Ergänzung meines Beitrags verweise ich hier auf einen Beitrag des MDR mit folgendem Link:
http://www.mdr.de/mdr-info/kommentar-asyl100.html
(Bitte in die Befehlszeile des Browsers kopieren.)
Wie wohnt man als Flüchtling?
Von Kühn am 27.11.2014 - 02:26Uhr
Ich muss Herrn Frank in jeder Beziehung recht geben. Meine Eltern wurden 1945 von den Polen aus Schönbrunn vertrieben. Mein Vater hatte ein Bein und vom anderen den Fuß im Krieg verloren. Er und meine Mutter mußten alleine sehen wie sie " durchkamen". Im Gegenteil, er wurde noch als Kriegsverbrecher von Kommunisten, die Kriegsgefangene in Görlitzer Firmen beaufsichtigt hatten, beschimpft.
Wir selbst sind 1989 vor den Kommunisten der DDR nach Westdeutschland geflohen. Wir wurden freundlich in der Panzerkaserne in Hessisch Lichtenau aufgenommen, haben dort mit einer anderen Familie in einem Zimmer mit Drei-Stock-Betten für drei Tage gewohnt und waren dankbar an die Bundeswehr für ihre Fürsorge.
Das Zimmer haben wir selbst geputzt und die Betten selbst bezogen,was für uns selbstverständlich war. Nach vier Tagen hatte ich eine Arbeit, die nicht meinem Beruf entsprach, aber ich hatte eine. Da bin ich der Deutschen Regierung heute noch dankbar, für alles, was sie für uns gemacht hat!
Flüchtlinge leben im Luxus
Von Frank am 26.11.2014 - 21:05Uhr
Liebe Leser/innen,
aufgrund meines fortgeschrittenen Alters empfinde ich die Wohnsituation der so genannten Flüchtlinge schon mal als Luxus.
Als meine Mutter 1945 aus der Flucht über mehrere Wochen aus Ostpreussen (Königsberg) hier in Görlitz ankam, gab es nur das verlauste und verwanzte "Reichertlager". Dort vegetierten tausende Menschen (Flüchtlinge) auf Strohmatten, das waren wirklich noch Flüchtlinge, welche dann nach vielen Monaten Reichertlager mit vier Kindern eine Stube mit Küche zur Mitbenutzung und noch mit anderen Flüchtlingen teilen mussten, kein Vergleich zu den heute mit unseren Steuergeldern bereitgestellten Appartements, die Flüchtlinge zahlen selber nicht einen Cent dafür, haben nie in unsere Kassen gezahlt und jammern noch rum.
Die Wohnsituation hat sich ja erst ab den 70er Jahren geringfügig verbessert. Für mich jammern die jetzigen Flüchtlinge auf sehr, sehr hohem Niveau, kein Vergleich zu den damaligen Zuständen als die Deutschen im eigenen Land Flüchtlinge waren. Ach, das Gejammere der jetzigen Flüchtlinge, dass die Küche nicht in der gewünschten Farbe ist und dasTelefon nicht die Wunschnummer hat und die Farbe der Bettwäsche passt auch nicht... da fehlen mir die Worte. Sollen sie dann einfach bleiben, wo sie waren oder sich unauffällig integrieren, auch wenn sich der Bürgermeister über die Flüchtlinge freut.
Denkt mal nur paar Jahre zurück, liebe Leser, wie haben die Ex-DDR Bürger unter schlimmen Umständen in den Botschaften gehaust oder danach in den Aufnahmelagern z.B. Gießen, da hatte keine Familie 55 Quadratmeter, von einem Esstisch mit 6 Stühlen ganz zu schweigen. Niemand hat sich darüber beschwert.
Jetzt jammert auch noch das DRK mit, die haben natürlich den Auftrag des Jahres bekommen. Die Firma will immer Blutspenden für lau vom Spender und verkauft diese für teuer Geld an die Krankenkassen. Mein Mitleid hält sich da sehr in Grenzen.
MfG Frank
Kommentar:
Ganz unkommentiert kann man das nicht lassen, lieber Frank Bihan, weil Vergleiche eben auch hinken können. Das Deutschland des Jahres 2014 ist nicht das zerstörte Deutschland von 1945, als im Grunde alle nichts hatten. Und die "DDR"-Flüchtlinge im Durchgangslager Gießen hatten die Integration in den damals alten Bundesländern unmittelbar vor Augen, davon kann bei den jetzigen Asylbewerbern in Deutschland keine Rede sein.
Ich denke, das beste, was man tun kann, ist diesen Leuten die Integration zu ermöglichen, ganz gleich ob und wann sie in ihre alte Heimat zurück können oder wollen.
Beste Grüße,
Thomas Beier
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- Quelle: red | Grafik: Bev, pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 26.11.2014 - 13:44Uhr | Zuletzt geändert am 23.04.2021 - 06:32Uhr
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