Schweizer werden: für Unternehmen einfacher als für Personen
Görlitz, 3. Februar 2022. Von Thomas Beier. Wofür steht die Schweiz? Da hat wohl jeder eine lange Liste im Kopf: Schweizer Käse, Schweizer Präzision, vor allem Schweizer Uhren, Schweizer Taschenmesser, nicht zuletzt ein Konto in der Schweiz. Gibt es da noch mehr?
Die Schweiz ist auch fernab aller Klischees ein bemerkenswerter Standort

Thema: Woanders

"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.
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Selbstverständlich verbindet sich mit der Schweiz weit mehr, die Liste lässt sich fortsetzen, Zuverlässigkeit und Organisationsfähigkeit "mit der Präzision eines Uhrwerks", Emil Steinberger, hohe Berge, ein deutschsprachiger Teil mit seinem Schwiizerdütsch und ein frankophoner Landesteil, aus deutscher Angestelltensicht teure Sozialversicherungsbeiträge, zugleich aber ein hoher Lebensstandard.
Der hohe Lebensstandard macht die Schweiz attraktiv als Arbeitsort für Ausländer, die hier gutes Geld verdienen. Auch viele Sachsen haben sich dem deutschen Arbeitsmarkt entzogen und arbeiten in der Schweiz etwa in der Gastronomie und der Hotellerie oder im Handwerk.
Die Hürden für eine Einbürgerung allerdings sind hoch und im erfolgreichsten schweizerischen Film aller Zeiten "Die Schweizermacher" (1978) aufs Korn genommen worden. Er zeigt auf nur scheinbar groteske Weise, was Einwanderungswillige alles unternehmen, um den Anforderungen eines spießigen Einwanderungsbeamten gerecht zu werden. Natürlich ist auch die Liebe im Spiel und es zeigt sich, wer sich verbiegen lässt und wer nicht. Eine der Rollen ist übrigens mit dem erwähnten und einst auch in der "DDR" beliebten Emil Steinbach, bekannt als Emil, besetzt.
Schweizer Unternehmen in Sachsen
In Sachsen freut man sich über die Ansiedlung von Unternehmen aus der Schweiz. In Chemnitz etwa war man heilfroh, als 1998 die Starrfräsmaschinen AG – die heutige Starrag Group mit Sitz in Rohrschacherberg – die Heckert Werkzeugmaschinen GmbH übernahm. Vorgeschichte: Zum Ende der "DDR" war das VEB Werkzeugmaschinenkombinat Fritz Heckert mit 4.300 Mitarbeitern einer der weltweit größten Werkzeugmaschinenhersteller. Heckert, wie man den Betrieb mit seinen elf riesigen Werkhallen – damals verbunden durch ein fahrerloses Transportsystem – kurz nannte, hatte 1971 das erste Flexible Fertigungssystem (FMS) der Welt in Betrieb genommen.Allerdings war das Werk am Standort zum Zeitpunkt der Übernahme und nach der Insolvenz des vorhergehenden Investors, der Traub AG, sowie nach einer Neugründung 200 Mitarbeiter geschrumpft. Dennoch: Die Geschichte des aus den Wandererwerken und der Auto-Union – der Wiege der Audi AG Ingolstadt – wird am Standort in Chemnitz-Siegmar dank Starrag weitergeschrieben. Den Namen des an der Kremlmauer beigesetzten Kommunisten Fritz Heckert, geboren 1884 in Chemnitz, gestorben 1936 in Moskau, als Marke weiterzuführen, damit haben die pragmatischen Schweizer offenbar keine Probleme.
Ein anderes Beispiel für die erfolgreiche Absiedlung eines Schweizer Unternehmens in Sachsen ist die SKAN AG, die ihren Sitz in Allschwil hat. Die SKAN AG in Görlitz hat seit dem Jahr 2013 vier Produktionshallen mit 8.000 Quadratmetern Produktionsfläche errichtet hat. Rund 220 Mitarbeiter sind hier in der Edelstahlverarbeitung, in der Montage und im Schaltschrankbau tätig und sorgen für Abnahmen nach pharmazeutischen Standards, sprich Reinraumbedingungen.
Die ganz großen Unternehmen aus der Schweiz haben allerdings allesamt ihren Sitz in Westdeutschland, um nur einige wenige Beispiele bekannter Marken zu nennen: Liebherr Kräne, AVIA Mineralöl, Novartis Pharma, ABB, Degussa oder Nestlé.
Die Schweiz: Lockstoff für deutsche Unternehmen
Auch wenn die Schweizer aus deutscher Sicht manchmal ein wenig starrsinnig und verbohrt daherkommen, bei Wirtschaftsansiedlungen zeigen sie sich außerordentlich phantasievoll und flexibel. So werden Forschung und Entwicklung auf Trab gehalten, weil Gewinne aus Patenten besonders günstig versteuert werden. Heute wird die Schweiz laut dem Global Innovation Index 2020 (GII 2020) als weltweiter Innovationsstandort Nummer Eins angesehen.Im Vergleich dazu liegt Deutschland abgeschlagen auf Platz Neun – und das, obwohl hier die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu den höchsten weltweit gehören. Zu den Ursachen dafür zählt der GII das Verbesserungspotential bei Unternehmensgründungen und neuen Geschäftsmodellen. Generell orientiert der GII 2020 darauf, dass bei der Innovationsförderung für kleinere Unternehmen und Neugründungen nachgelegt werden muss. Wer praktische Erfahrungen mit für Unternehmen interessanten Förderprogrammen in Deutschland hat, bei dem entsteht schnell ein Bild von einem großen Getriebe, in dem der eigentliche Leistungserbringer, für den die Förderung gedacht ist, sich wie das kleinste Zahnrad vorkommt.
Anders in der Schweiz: Die Gründungsformalitäten, etwa für eine Tochtergesellschaft, sind eher gering und oft binnen eine Monats vollständig erledigt. Zudem bieten Dienstleister ihre Unterstützung bei der Firmengründung in der Schweiz an, ob nun als Personen- oder Kapitalgesellschaft oder als Joint Venture. Ein anderer Weg ist es, ein Schweizer Unternehmen, etwa ein erfolgversprechendes Startup, zu kaufen. Unternehmenstransaktionen sind in der Schweiz übrigens nicht so detailversessen geregelt wie in Deutschland.
Vieles passt in der Schweiz für Unternehmer einfach besser: Trotz hohen Lohnniveaus sind die Arbeitskosten geringer, vor allem sind die Lohnnebenkosten günstiger, die Arbeitnehmer sind sehr gut ausgebildet und Streiks kommen praktisch nicht vor. Stabil günstige Steuern und die verbindliche Vorab-Auskunft der Finanzämter darüber, wie sich Investitionen auswirken, sind neben der auch sonst sehr hohen Planungssicherheit und serviceorientierten Behörden weitere Pluspunkte. Bei Investitionen können Steuern über Jahre hinweg gegebenenfalls vollständig erlassen werden..
Neben diesen formalen Aspekten und dem positiven Innovationsklima lockt noch etwas ganz anderes deutsche Unternehmen in die Schweiz: Hier herrscht im Wesentlichen die gleiche Kultur wie in Deutschland. Wer das nicht als Vorzug sieht, sollte sich einmal mit Investoren austauschen, die sich in osteuropäischen Staaten engagieren oder sich engagiert haben. Dabei geht es keinesfalls um Vorurteile, sondern um Erfahrungen im Umgang mit Unternehmen und Personen. Wie sich die Politik der deutschen Ampelkoalition auf den Umzug deutscher Unternehmen in die Schweiz auswirken wird, bleibt abzuwarten; das Informationsinteresse jedenfalls scheint dem Vernehmen nach zu steigen.



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- Quelle: Thomas Beier | Foto See: TeeFarm, Pixabay License, Foto Stadt: ramboldheiner / Heiner, Pixabay License
- Erstellt am 03.02.2022 - 10:41Uhr | Zuletzt geändert am 03.02.2022 - 12:34Uhr
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