Neue Anforderungen an Unternehmensgründungen
Görlitz, 18. Oktober 2021. Von Thomas Beier. Sind die Weichen falsch gestellt, kommt man nicht ans Ziel oder muss große Umwege in Kauf nehmen. Schaut man sich die aktuelle Existenzgründerszene an, entsteht schnell der Eindruck, dass Gründungsinteressenten gelegentlich von unterschiedlichen Akteuren mit alten Methoden in ein Rennen mit geringen Erfolgsaussichten geschickt werden. Folge: Unternehmensgründer sehen sich nach dem Start in die Selbständigkeit mit Herausforderungen konfrontiert, von denen sie vorher nichts geahnt haben.
Wachstum statt Förderung spinnerter Gründungsideen
Einer der grundlegenden Fehler ist es, eine "Gründungsidee" oder "Geschäftsidee" in den Mittelpunkt zu stellen. Mit Argumenten wie "Da gibt es kaum Wettbewerber!" oder "Weshalb sollte das nicht gekauft werden?" werden dann Unternehmen detailliert geplant. Im vorangegangenen Satz finden sich gleich drei Fehler:
- Wettbewerber gibt es immer, denn im Wettbewerb geht es darum, auf welche Weise und welchen Produkten sich Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen. Selbst wenn jemand eine sogenannte "Marktlücke" findet, sind die unmittelbaren Wettbewerber in Form von Nachahmern schnell da. Die meisten Wettbewerbsbetrachtungen in Gründungskonzepten sind deshalb wertlos. Es geht – als eine der produktiveren Überlegungen – vielmehr darum, seinen Markt so schnell zu besetzen, dass er für Wettbewerber nicht oder nicht mehr attraktiv ist.
- Die Annahme, dass etwas nur wegen seiner Nützlichkeit – beispielsweise wegen besserer technischer Parameter oder Anwendungsmöglichkeiten – gekauft würde, ist schlichtweg falsch. Kaufpräferenzen unterliegen einer Vielzahl von Einflüssen, unter denen rationale Argumente sich in vielen Fällen immer wieder als die schwächeren erweisen.
- Viele Geschäftspläne sind übertrieben genau geplant, vor allem, was die erwarteten Kosten betrifft. Der eigentliche Knackpunkt aber, das Marketing, bleibt meist völlig unterbelichtet. Ein Geschäftsplan sollte sich eher als eine Landkarte verstehen, die in konkreten und oft unvorhersehbaren Situationen Orientierung für unternehmerische Entscheidungen bietet.
Ein Unternehmer, der diese Bezeichnung verdient, stellt nicht eine Idee in den Mittelpunkt seines Geschäftes, sondern schaut sich Rahmenbedingungen an und gleicht diese mit seinen Möglichkeiten ab. In vielen Fällen ist es regelrecht verantwortungslos, wenn unerfahrene Gründungswillige von Akteuren, die selbst noch nie selbständig waren und deren Sicht auf die Geschäftswelt lediglich von einem Studium der Betriebswirtschaftslehre geprägt ist, mit ihren Gründungsideen zur Gründung ermutigt werden, ohne die Idee erst einmal einem professionellen Plausibilitätscheck zu unterziehen. Zeigt der Check nämlich, dass eine Idee aus rechtlichen Gründen oder etwa, weil der Markteinstieg zu lange dauern würde, nicht realisiert werden kann oder sollte, kann sich der Gründer viel Aufwand und vielleicht sogar eine Pleite sparen. Für unseriöse Projektträger und Anbieter ist es jedoch lukrativer, selbst einen aussichtslosen Gründer bei Laune zu halten, solange Fördermittel fließen.
Schwerpunkte werden falsch gesetzt
Vor diesem Hintergrund wird in Bildungsprojekten für Existenzgründer zuweilen viel zu langwierig weil viel zu tiefgründig geschult. Typische Beispiele sind das Steuerrecht und die Buchführung. Sicher muss jeder Gründer die ihn betreffenden Grundzüge kennen, andererseits sind das Gebiete, die tunlichst an Experten ausgelagert werden sollten. Wer Mitarbeiter einstellt, wird ein Lohnbüro beauftragen, weil die Lohnrechnung ebenso wie das Steuerrecht längst viel zu komplex sind, um da neben seinem eigenen Geschäft noch durchzusteigen. Bei der Buchführung ist zu fragen, ob für das angestrebte Geschäft überhaupt die Pflicht zur Buchführung – bekannt als doppelte Buchführung – besteht.Die zur Führung eines eigenen Unternehmens nötigen "harten Fakten" muss man wissen, die erfolgskritischen "weichen Faktoren" wie beispielsweise Kenntnisse und Erfahrungen aus der Strategielehre, der Kundenpsychologie und der Servicepsychologie werden jedoch nur selten vermittelt.
Es geht um Wachstum
Das oben verlinkte Lohnbüro – ein Dienstleister, der die Lohnabrechnung vornimmt – zeigt einen modernen Ansatz für wachstumsorientierte Unternehmen. Das muss erläutert werden. In Ostdeutschland besteht der Gründungsansatz anstelle der Gestaltung echter Startups mit Wachstumspotentialen oftmals in der "Selbstrettung", etwa um der Arbeitslosigkeit oder den Qualen der Lohnarbeit zu entkommen. In dem Maße, wie sich die Lebensverhältnisse in Ost und West angleichen, veraltet diese Herangehensweise jedoch.Heute sind Gründungsansätze gefragt, die qualitative und quantitative Aussichten vereinen. Der qualitative Ansatz fragt als inzwischen nicht mehr neuer Ansatz nach smarten Unternehmen und Work-Life-Balance, im Kern aber danach, wie man die Ebene des selbst Arbeitens verlassen kann und den Weg auf die beiden darüberliegenden Ebenen findet. Interessant im Strukturwandel ist jedoch der quantitative Ansatz, der Unternehmen zu schnellem Wachstum bringen soll.
- Schnelles Wachstum ist in einer ersten Phase wichtig, um ein Unternehmen schnell tragfähig zu machen – viele scheitern, weil diese Phase für sie unerwartet zu lange dauert. Schließlich will man in ein eingespieltes Wirtschaftssystem eindringen und unerfahrene Neuunternehmer sind da nicht überall willkommen. Mancher Geschäftskunde sagt höflich: "Interessant, was Sie machen, jetzt ist es aber ungünstig, kommen Sie doch bitte in einem Jahr noch einmal vorbei!" – und fügt in Gedanken hinzu: "Wenn es dich dann noch gibt..." Merke: Neulinge gelten im Geschäftleben als unsichere Kandidaten, zu viele müssen in den ersten Jahren wieder aufgeben, wobei eins das andere bedingt.
- Eine zweite Wachstumsphase wird heute gern mit Skalieren beschrieben. Dieses "Vergrößern" steht für ein Umsatzwachstum bei unterproportional steigenden Kosten. Beim genannten Beispiel des Lohnbüros liegt das auf der Hand: Ist erst einmal in die Software und die nötige IT-Hardware investiert kostet es wenig Aufwand, wenn neue Kunden hinzukommen. Es entsteht die sogenannte win/win-Situation: Für die Kunden sind günstige Preise möglich, während das Unternehmen dank Multiplikationseffekt mehr Gewinn macht und dadurch stetig in Kundennutzen investieren kann. Das ist die Grundlage für mehr Anziehungskraft auf Kunden und Vorsprung im Wettbewerb. Wer jetzt an die Energokybernetische oder Engpasskonzentrierte Strategie, kurz die EKS von Wolfgang Mewes, die noch immer Grundlagen für eine erfolgversprechende Unternehmensentwicklung liefert, denken muss: Bingo!
Natürlich ist nicht jedes Unternehmen skalierfähig. Produktion und Handwerk geraten schnell an Wachstumsgrenzen, wenn etwa das Auslastungsrisiko mitwächst – und dennoch sollten auch solche Betriebe auf skalierbare Bereiche durchforstet werden, anders gesagt: Welche bislang allein innerbetrieblichen Prozesse können extern vermarktet und skaliert werden?
Eine enorme Rolle bei der Skalierung spielt die Digitalisierung und damit das, was heute gern als "Künstliche Intelligenz" beschrieben wird. Skalierbarkeit setzt voraus, innerbetriebliche Prozesse zu automatisieren und Geschäftsmodelle entsprechend auszurichten. Statt bei jedem Auftrag immer wieder hohen Einmalaufwand zu haben, können Standardisierung und Automatisierung bis hin zur automatischen Rechnungserstellung und zum automatischen Lastschrifteinzug den Aufwand pro neuem Kunden im Verhältnis zu den Umsatzerwartungen relativ sinken lassen. Clever sind auch Online Plattformen für Akteure, die gegenseitig Geschäfte machen, an denen der Plattformbetreiber über Provisionen mitverdient; hier ist die Skalierung quasi eingebaut.
Resümee
Werden erfolgsorientierte Gründungsansätze verfolgt, entstehen im besten Fall zukunftsrobuste Unternehmen, die Arbeitsplätze mitbringen – und darum geht es im Strukturwandel. Typische skalierte Unternehmen kennt jeder, von Amazon über eBay und Facebook bis Zalando. Von wem das Zitat stammt, ist nicht bekannt, es hat aber viel Wahres: "Lieber 14 Tage lang nachdenken, als sein Ganzes leben lang zu arbeiten" – wobei es nicht darum geht, nicht zu arbeiten, sondern seine Arbeit in Qualität, Umfang und Belohnung so zu gestalten, dass sie Spaß macht.Tipp:
Im erweiterten Sinne können auch der Aufbau eines Franchisesystems oder die Vergabe von Lizenzen als Skalierungen betrachtet werden.
Der Autor Thomas Beier hat 1994 die Unternehmensberatung Beier Consulting gegründet und 2005 zusätzlich das Digitalunternehmen BeierMedia.de.



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- Erstellt am 18.10.2021 - 09:44Uhr | Zuletzt geändert am 18.10.2021 - 18:24Uhr
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