Die Bahn: Dumme Kunden müssen bestraft werden?
Görlitz | Hannover, 22. April 2015. TEB. Als noch die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn durchs geteilte Deutschland zuckelten, drehten sich die Rädchen im Apparat zwar langsam, doch zuverlässig. Und heute? Aus Sicht des gemeinen Fahrgastes, der doch nur auf dem Schienenstrang von A nach B möchte, wird vieles schlechter: Eine Stadt wie Görlitz versinkt in die bahntechnische Bedeutungsarmut (Stichwort: Einstellung der Strecke Dresden – Breslau), eine Lokführergewerkschaft streikt munter drauflos, als ob vom Bahnverkehr nichts weiter abhinge als die eigene Arbeitszeit und das Gehalt – und was so richtig stört, sind die Fahrgäste. Diesen Eindruck hat jedenfalls ein junger Mann aus dem Görlitzer Umland gewonnen, für den jetzt die Servicementalität des Unternehmens insgesamt in Frage steht.
Besser: An der Bahnsteigkante zurücktreten!

Dem wohlerzogenen Bahnreisenden steckt das tief in Fleisch und Blut: Erst die Fahrkarte kaufen, dann einsteigen – wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das Billet im Zug zu lösen sei.
Trotz Fahrkarte: Erwischt!
So auch der junge Mann, als er am 27. Februar diesen Jahres gegen vier Uhr morgens mit einem Zug als Kunde der Deutschen Bahn von Hannover Hauptbahnhof zum dortigen Flughafen fahren wollte. Fahrkarte gekauft, eingestiegen, kontrolliert – und erwischt!Hintergrund: Hier fährt die Deutsche Bahn in einem Verkehrsverbund. Da gelten andere Spielregeln: Die Fahrkarte muss der Fahrgast vor Betreten des Zuges selbst entwerten. Das erwartet man bei der Deutschen Bahn allerdings nicht und: Wer schon stellt vier Uhr morgens derartige Überlegungen an?
Ist das nicht eine paradoxe Situation? Um einen gültigen Fahrausweis zu haben, muss dieser vor Betreten des Zuges entwertet sein. Nicht etwa wie bei der Straßenbahn, wo im Waggon entwertet wird, nein, wer im Zug der Bahn mitfährt, sitzt in der Falle.
So mit dem Geruch des vorsätzlichen Verbrechers versehen konnte die erwischende Kontrolleurin zu dem einen korrekt wertigen Fahrschein besitzenden Übeltäter nicht freundlich sein. Der Hinweis, dass der Fahrschein dank Weiterflug ja gar nicht missbraucht werden könne, zog nicht.
Zahlen!
So flatterte dem jungen Mann Tage später ein Schreiben der Fahrpreisnacherhebungsstelle der DB Vertrieb GmbH ins Haus, worin diese ein "Erhöhtes Beförderungsentgelt" von 40 Euro verlangte, das summiert mit dem "Fahrpreis für die Weiterfahrt" in Höhe von null Euro und der Position "Bereits geleistete Zahlungen" in Höhe von null Euro einen Gesamtbetrag von 42,90 Euro ausweist (siehe Abbildung ganz oben).Wie bitte? 40 plus null plus null ist gleich 42,90? Zeit für einen Anruf bei der Fahrpreisnacherhebungsstelle mit der Erkenntnisfolge, dass die 2,90 Euro für die Adressermittlung erhoben wurden. Toll, hier wurde also die Adressangabe des Fahrgastes auf dessen Kosten nachgeprüft?
Einmal an der Strippe auch die Frage nach Kulanz an die Fahrpreiserhebungsstelle. Immerhin: Der junge Mann hatte den richtigen Fahrschein gekauft, eine Missbrauchs- oder Betrugsgefahr gab es nicht, ein Schaden war für die Bahn nicht eingetreten - Umstände, in denen sich Unternehmen gewöhnlich kulant zeigen. Doch die offensichtlich auf Deeskalation geschulte Dame am Fahrpreisnacherhebungsstelletelefon blieb hart: Kulanz sei ja freiwillig, man müsse also nicht.
Der junge Mann, Student, hat die 42,90 Euro gezahlt und etwas gelernt: Auch Bahnfahren ist freiwillig, man muss ja nicht.
Kommentar:
Klar arbeiten bei der Bahn viele gute Leute, die zuverlässig und freundlich ihren Job machen. Und einen schlechten Tag hat jeder mal.
Dennoch tut sich für den Bahnnutzer auf die Dauer oftmals eine Diskrepanz auf zwischen den sogenannten künstlichen Signalen der Werbung, mit denen die Bahn von sich selbst das Bild eines modernen und serviceorientierten Unternehmens vermitteln möchte, und seinem realen Erleben.
Oft genug reift die Erkenntnis: So richtig Spaß macht das Bahnfahren nicht. Beispielsweise ist es teuer - und in bestimmten Situationen fühlt man sich zusätzlich übervorteilt, nämlich dann, wenn der Schaffner die Fahrkarte freundlich kommentiert: Hatten Sie mal besser bis da und da gelöst und dann dieses und jenes Ticket gekauft, da wären Sie billiger gekommen.
Klar, hätte er ihn vorschriftsgemäß entwertet, hätte auch der junge Mann nicht mehr als das Zehnfache des Preises des bereits gekauften Fahrscheins nachlöhnen müssen.
Merke: Vor Antritt der Bahnreise die Beförderungsbedingungen lesen. Auf der Webseite der Fahrpreisnacherhebungsstelle finden sich dazu sage und schreibe 15(!) Links und Download-Angebote. Wo eigentlich kann man den "Bachelor of deutsche Bahnreise" erwerben?
Die wiederauferstandene bahntechnische Kleinstaaterei ist nervig. Hinzu kommen die unterschiedlichen Ticket- und Aktionsangebote, die so manchen Bahnreisenden den Überblick völlig verlieren lassen. Da hilft auch die freundlichste Auskunft nichts, sofern es die überhaupt noch gibt.
Was ist an einem nachvollziehbaren kilometerbezogenen Entgeltsystem mit eindeutigen Zuschlägen oder Rabatten so schwierig?
Würde die Bahn das einführen, hätten es die Reisenden einfacher und die Bahn könnte sie auf die Hälfte ihrer Marketingfuzzis verzichten,
meint Ihr Fritz R. Stänker.



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- Quelle: TEB | Kommentar: Fritz Rudolf Stänker | Dokument: Görlitzer Anzeiger, Foto Maschsee: Rudy2006, Pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 22.04.2015 - 09:49Uhr | Zuletzt geändert am 25.03.2022 - 09:12Uhr
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