ALG II - jetzt eigener Anspruch

Kassel | Zittau. Kaum hat sich nach Einführung des neuen SGB II der Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ eingebürgert, muss dieses Konstrukt durch einen Urteilsspruch des Bundessozialgerichtes in Kassel nun detaillierter betrachtet werden. „Diese Entscheidung wird von der Abteilung Leistungsrechnung im Fachdienst Beschäftigung und Arbeit (BeA) zukünftig bei der Bearbeitung und dem Versand von Bescheiden an die Bürger mit berücksichtigt“, kündigte Anja Ackermann, Leiterin der Rechtsabteilung bei BeA, an.

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Jeder Hilfeempfänger hat eigenen Anspruch auf ALG II

Das Bundessozialgericht in Kassel hat in einem richtungsweisenden Urteil (B 7 b AS 8 / 06 R vom 07.11.2006) festgestellt, dass jedes hilfebedürftige Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat. Selbst minderjährige Kinder haben nach dieser Rechtsauffassung Ansprüche, die aufgrund der Geschäftsunfähigkeit durch die Eltern als gesetzliche Vertreter geltend gemacht werden. Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren, die zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern gehören, aber voll geschäftsfähig sind, haben ebenfalls einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

„Bisher war es dem Vertreter der Bedarfsgemeinschaft möglich, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für sich und die übrigen Mitglieder zu beantragen und die gewährten Leistungen stellvertretend für sie in Empfang zu nehmen. Dies darf zwar auch in Zukunft so bleiben, aber die Einzelansprüche werden künftig berücksichtigt“, sagte Frau Ackermann.

Den größten Arbeitsaufwand erfordern derzeit die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide in der Abteilung Leistungsrechnung. Unter Beachtung des Kassler Urteils müssen die Voraussetzungen für die Aufhebung für jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geprüft werden. Zudem müssen die individuellen Überzahlungen und die daraus resultierenden Rückforderungen per Hand aufgeschlüsselt werden, weil die dafür notwendige Software noch fehlt.

Deshalb werden die Einzelansprüche der Bürger vorerst überwiegend nur bei belastenden Bescheiden, wie Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden, Sanktionsbescheiden und im Widerspruchsverfahren berücksichtigt. Später ist geplant, die einzelnen Ansprüche der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder bereits bei der Erstbewilligung auszuweisen.

Das Urteil des Bundessozialgerichtes hat auch Auswirkungen auf die zulässigen Rechtsmittel: Durch den Einzelanspruch kann jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch gegen seinen Bescheidanteil einlegen. Sofern nur ein Widerspruch von einem Bedarfsgemeinschaftsmitglied eingeht, dürfte der Bescheid im Widerspruchsverfahren nur für dieses Mitglied der Bedarfsgemeinschaft überprüft werden.

BeA hat einen bürgerfreundlichen Weg gewählt. Um die Umsetzung des Urteils zu beschleunigen, geht der Fachdienst von der Vermutung aus, dass der Widerspruch für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingelegt wurde. „Der Widerspruchsführer erhält ein entsprechendes Hinweisschreiben. Sollte er die Überprüfung des gesamten Bescheides nicht wünschen, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis“, so Anja Ackermann.

Gleiches gilt für den Weg zum Sozialgericht. Hier wird der zuständige Richter beim Kläger oder Antragsteller nachfragen, ob das Gerichtsverfahren auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ausgeweitet werden soll.

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  • Quelle: /red
  • Erstellt am 15.11.2007 - 00:45Uhr | Zuletzt geändert am 15.11.2007 - 00:45Uhr
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