Was in der "DDR" wirklich funktionierte, war die Wertstofferfassung

Bild zu Was in der "DDR" wirklich funktionierte, war die WertstofferfassungGörlitz, 16. November 2020. "“Lumpen, Gläser, Altpapier, das alles sammeln wir" – unter diesem Schlachtruf klappte die Wertstoffentsorgung aus den "DDR"-Haushalten ziemlich perfekt. Hintergrund: Die Wertstoffe konnten im dichten Netz der Aufkaufstellen des VEB Kombinat Sekundär-Rohstofferfassung, deren lukrativer Betrieb oft von Kleinstunternehmern übernommen wurde, gegen bare Münze – wenn auch nur aus Aluminium – abgegeben werden.

Symbolfoto: Franz W., Pixabay License
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Moderne Zeiten im Papierrecycling sind bessere Zeiten?

Neben den organisierten Sammlungen der sozialistischen Kinder- und Jugendorganisationen wurden die Kinder und Jugendlichen jedoch vor allem gern auf eigene Rechnung aktiv und finanzierten sich so beispielsweise Zigaretten oder den Sprit für Moped. Die Vergütung jedenfalls war attraktiv, so gab es für Zeitungen, Zeitschriften und Wellpappe immerhin 30 Pfennige pro Kilo, für bestimmte Flaschen 20 und für einiger Gläser-Sorten sogar 30 Pfennige das Stück. Zum Vergleich: Eine Zwanzigerpackung der Zigaretten-Billigmarke Jubilar kostete zwei Mark – Ostmark, versteht sich – und eine Doppelsemmel zehn Pfennige. Angenommen und vergütet wurden auch Metalle, Thermoplastverpackungen, Knochen und sogar Fotofilme.

Anzumerken ist allerdings, dass Abfälle, die nicht verwertet werden konnten, in der "DDR" oft genug in der Natur landeten. Für den Umweltschutz fehlten in der Wirtschaft das Geld und bei den SED-Funktionären das Interesse. Der Phenolgestank aus Leipziger Gewässern – insofern sie nicht gleich ins Unterirdische verlegt wurden – hat noch heute so mancher in Erinnerung, ebenso die Schwefelschwaden, die bei Espenhain über die Fernverkehrsstraße zogen. In Lauta / Łuty bei Hoyerswerda / Wojerecy mussten nach 1990 die Teerseen als Überbleibsel des Aluminiumwerkes höchst aufwendig entsorgt werden. Die Reihe der Beipiele allein für große Umweltsünden ließe sich schier endlos fortsetzen.

Wie sich die Zeiten geändert haben! Umweltschutz wird heute großgeschrieben und mehrere Entsorgungs- und Recyclingsysteme existieren parallel. Manche Wertstoffe bekommen die Bürger noch immer vergütet, wenn sie diese abgeben, bei anderen müssen sie froh sein, wenn sie diese loswerden, ohne zuzuzahlen. Aber die Entsorgung funktioniert und für in den meisten Fällen noch immer kleines Geld kann jedweder Abfall einer ordentlichen Verwertung zugeführt werden.

Sorgenkind Altpapier

Neue Entwicklungen sind in jüngerer Zeit bei Altpapier und gebrauchten Kartonagen eingetreten. So berichtete der Görlitzer Anzeiger darüber, dass einst wegen der Aufkaufpreise begehrtes Altpapier und Kartonagen heute eher widerwillig und nur noch streng im Rahmen des öffentlichen Entsorgungsauftrages oder auf Basis vertraglicher Vereinbarungen abgeholt werden. Kleinstunternehmer, die sich von Betrieben Altpapier und Kartonagen zwecks Weiterverkauf holten, dürften wegen des Preisverfalls ihre Existenzgrundlage verloren haben.

Warum Altpapier von Privathaushalten nur in der Menge entsorgt wird, wie es die Blaue Tonne zulässt, ist für Otto Normalverbraucher allerdings nur schwer nachvollziehbar. Sicher ist es logistisch schwieriger geworden, die dank boomenden Online Handels wachsenden Kartonberge abzuholen, andererseits haben die Online Händler dafür bereits gezahlt, weil sie sich sogar als Minianbieter einem Entsorgungssystem anschließen müssen, wenn sie neue Transportverpackungen in den Verkehr bringen. Bei anderen Verpackungen aus Papier oder Karton wiederum ist die Entsorgung bereits über den Grünen Punkt – das Duale System Deutschland – vom Verbraucher bezahlt. Dass die Kapazitäten der Entsorgungslogistik eines Tages nicht ausreichen würden, daran hat bei der Einführung dieser Systeme und des neuen, seit 2019 geltenden Verpackungsgesetzes wohl niemand gedacht. Dabei verweist der Landkreis Görlitz doch selbst darauf, dass die Herstellung von Recyclingpapier Wasser einspart und den CO2-Ausstoß reduziert, auch wenn auf der Website von CO2 die Rede ist.

Gerade die Recycelbarkeit macht Karton – letztlich nichts andere als mehrlagiges Papier – zu einem hochinteressanten Verpackungswerkstoff mit vielen Vor- und nur wenigen Nachteilen. Leicht, bedruckbar, dämpfende Eigenschaften bei Schwingungen oder Sturz und eine Recyclingquote um die 70 Prozent sind geschätzte Eigenheiten. Demgegenüber stehen die Empfindlichkeit gegen Feuchte und eventuell notwendige Beschichtungen, wenn Lebensmittel direkt verpackt werden sollen.

Bevor Kartons im Recycling landen sollte man bedenken: Stabile Kartons sind durchaus mehrfach verwendbar. Gerade für Online Händler ist das interessant, entbindet sie die ausschließliche Verwendung gebrauchter Verpackungen doch von den Gebühren für die Entsorgungssysteme. Möglicherweise wäre das sogar ein dankbares Geschäftsfeld, gebrauchte Kartonagen auf diese Weise wieder in den Verkehr zu bringen und damit zugleich die Umwelt ein Stück weit zu entlasten.

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  • Quelle: red | Foto: Franz W., Pixabay License
  • Erstellt am 16.11.2020 - 04:43Uhr | Zuletzt geändert am 01.04.2021 - 16:41Uhr
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