Millionen für sächsich-polnische Zusammenarbeit
Breslau (Wrocław), 30. Dezember 2018. Für Vorhaben, die der Begleitausschuss des Kooperationsprogramms "INTERREG Polen-Sachsen 2014-2020" im Mai 2018 genehmigt hatte, ist nun auch der letzte Zuwendungsvertrag von insgesamt sieben abgeschlossen worden. Die Verträge beziehen sich auf sächsisch-polnische Kooperationen im Themenbereich "Gemeinsames Natur- und Kulturerbe" und umfassen einen Gesamtförderwert in Höhe von 6,66 Millionen Euro, die aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kommen.
Fördermittel bis zum letzten Hinweisschild
Freuen dürfte das insbesondere die Werbebranche und die Tourismuswirtschaft, enthalten die letztlich aus Steuergeldern bezuschussten Projekte doch Maßnahmen
- "zur touristischen Bewerbung" historischer Stadtzentren in Bautzen/Budyšin, Bunzlau (Bolesławiec), in der Europastadt Görlitz-Zgorzelec, in Greiffenberg (Gryfów Śląski), Landeshut in Schlesien (Kamienna Góra), Liebau in Schlesien (Lubawka), Liebenthal (Lubomierz), Reichenbach/O.L., Sorau (Żary) und Zittau (hier das Projekt Revival!),
- "zur touristischen Bewirtschaftung des Grenzlandes" mit den Projekten
- Abenteuer Neisse – 5. Etappe,
- Abenteuer im Gebirge,
- Aus der Lausitz - in die Heide, mit dem Fahrrad durch das Kultur- und Naturerbe im Grenzgebiet sowie
- zur "Förderung und Popularisierung des touristischen und kulturellen Angebots" im Fördergebiet mit den Vorhaben
- Und in der Mitte fließt die Neiße – grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur und des kulturellen Angebots in Bad Muskau und Triebel (Trzebiel),
- Entdecke geologischen Schätze der Oberlausitz und Niederschlesiens! und
- Tourismus ohne Grenzen.
Topf zu Dreiviertel leer
Der gesamte Förderwert für alle Projekte, die mit dem Kooperationsprogramm INTERREG Polen-Sachsen 2014-2020 bislang umngesetzt werden, beläuft sich auf 51,41 Millionen Euro. Das sind knapp über 78 Prozent der im Programm verfügbaren Gelder.Das Kooperationsprogramm INTERREG Polen-Sachsen 2014-2020 wird auf der polnischen Seite innerhalb der Unterregion Hirschberg (Jelenia Góra) in der Woiwodschaft Niederschlesien (Dolnośląskie) und im Landkreis Sorau (Żarski) in der Woiwodschaft Lebuser Land (Lubuskie), auf der deutschen Seite in den Landkreisen Görlitz und Bautzen (einem NUTS 3-Gebiet) im Freistaat Sachsen umgesetzt. Zur Programmumsetzung stehen 70 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zur Verfügung. Das Programmziel ist die "Vertiefung der Zusammenarbeit zur Überwindung von Entwicklungsbarrieren im polnisch-sächsischen Grenzraum".
Kommentar:
Da kann man sich schon freuen, wenn Geld von der Europäischen Union in die Region beiderseits der Lausitzer Neiße fließt. In dieser Union zählt Deutschland zu den Geberländern, es bezahlt also mehr als zurückfließt. Das Geld, was an die Europäische Union gezahlt wird, sind im Wesentlichen Steuern, die Bürger und Wirtschaft entrichten. Da ist es schon interessant, wofür die abgeknapsten Steuergroschen nun verwendet werden. Den Kurzbeschreibungen der in der zweiten Jahreshälfte geschlossenen Zuwendungsverträge für die klangvollen Projekte ist beipielsweise zu entnehmen:
- ein Geocaching-Spiel
- eine wissenschaftliche Studie zur Lebensqualität und Urbanität
- eine studentische Herbstschule
- die Erarbeitung einer polnisch-deutschen Idee für die touristische Bewirtschaftung der Wälder
- ein gemeinsames Bildungs- und Vermarktungsangebot
- Radweg
- Imagekampagne für die Marke "Abenteuer mit der Neiße"
- "gleichzeitige Nutzung verschiedener Marketingkanäle, die zeitlich, inhaltlich, visuell und formell miteinander verbunden sind"
- "Schaffung und Entwicklung disziplinübergreifender Ausstellungen bzgl. der Neiße"
- Bewirtschaftung eines Stausees
- Zentrum für Tourismusinformation
- Radwege-Kennzeichnung und Errichtung von Tourismus- und Freizeit-Infrastruktur in der Nähe bestehender Radwege
- Aktivitäten zur Steigerung der Erreichbarkeit und Förderung des Kultur- und Naturguts
- Stellplätze mit dazu erforderlicher Infrastruktur
- Publizitäts- und Informationsmaßnahmen
- Erstellung und Herausgabe einer Karte der Ostlausitz in Polnisch, Deutsch und Englisch, die die lokalen Attraktionen und die regionale Infrastruktur für Wohnmobiltourismus popularisiert
- Teilnahme an Touristikmessen
- Durchführung von integrativen Laufveranstaltungen
- bessere touristische Nutzung der geologischen Attraktionen
- gemeinsame Marketingmaßnahmen
- multimediale Dauerausstellungen zur Präsentation des geologischen Erbes
- zweisprachige Informationstafeln, Übersetzung der Internetseite und Entwicklung einer mobilen App mit Audioguide
- deutsch-polnische Ausrichtung von Veranstaltungen
- Revitalisierung der bestehenden und Schaffung neuer touristischer und kultureller Infrastruktur
- Touristeninformation
- überdachter Grillstand
- Fahrradständer
- Lehrpfad
- Ladestationen für E-Bikes und Elektroautos
- thematische Spielwelt und Spielplatz
- Hinweistafeln zu den Touristenwegen
- Töpferwerkstatt
- Töpferkurse
- Tandemtreffen
- Fahrrad- und Wandertouren
- Familienpicknick
- Mehlfest
Lesen die Liste ruhig noch einmal, weil das für den Steuerzahler die Freude über die Verwendung seines Geldes vedoppelt. Fragen Sie nicht danach, wem die Förderung von Marketingmaßnahmen und Vermarktungsangeboten zugute kommt, fragen Sie nicht danach, warum Töpferkurse und ein überdachter Grillstand oder ein Familienpicknick bezuschusst werden, natürlich nicht ohne die zugehörige teure Fördermittelbürokratie zu beschäftigen.
Eigentlich sagt der letzte Satz der erwähnten Zusammenstellung alles: "Die Organisation grenzüberschreitender Veranstaltungen ermöglicht eine engere deutsch-polnische Zusammenarbeit und die Integration der Bevölkerung des Grenzlandes." Davon abgesehen, dass man eine Bevölkerung wohl nur schwerlich in sich selbst integieren kann, ist es die ständige Betonung der Grenze, die doch eigentlich überwunden werden soll, die auffällt. Ein zusätzliches G'schmäckle liefert der von den Nazis gepuschte "Grenzland"-Begriff, der auf die Expansionsbestrebungen vorbereitete.
Abgesehen von solchen Unsensibilitäten zeigt sich, dass die gefühlte oder tatsächliche Abhängigkeit der Kommunen und Vereine (und der Wirtschaft) von EU-Fördermitteln weiter steigt. Wer ein wirtschaftliches Interesse an Touristen hat, sollte bitt' schön Hinweistafeln, Fahrradständer und sein Marketing selber bezahlen oder sich für diesen Zweck mit anderen Interessierten zusammentun, aber nicht die Allgemeinheit belasten. Voraussetzung: Man nimmt nicht Kommunen und Steuerzahlern erst einmal möglichst viel Geld weg,
meint Ihr Thomas Beier


Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

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- Quelle: red | Kommentar: Thomas Beier | Foto: Bildquelle: Gemeinsames Sekretariat / Zentrum für Europäische Projekte, Breslau
- Erstellt am 30.12.2018 - 08:03Uhr | Zuletzt geändert am 30.12.2018 - 10:01Uhr
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