Selbstdisziplin statt Selbstbedienung
Landkreis Görlitz. Aus Sicht der Stadt Görlitz ist die Situation paradox: Da schnallt man den Gürtel enger und bringt seinen Haushalt in Ordnung - und dann erweist sich der Landkreis Görlitz als Fass ohne Boden, das - anstatt seine Löcher zu flicken - mittels erhöhter Kreisumlage seine Kommunen plündert. Am 15. November 2011 sind die Umlagebescheide des Landkreises Görlitz bei den Städten und Gemeinden eingetroffen. Wie erwartet enthalten sie den ankündigten Umlagesatz von 31,5 Prozent, den die Landesdirektion Dresden im Wege der Ersatzvornahme für das laufende Jahr im Landkreis Görlitz festgesetzt hatte.
Auch andere Geldquellen denkbar
In absoluten Zahlen bedeutet das für die Stadt Görlitz eine zu zahlende Kreisumlage 2011 von endgültig rund 15 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 hatte die Stadt Görlitz bei einem Hebesatz von 28 Prozent ungefähr anderthalb Millionen Euro weniger per Kreisumlage an den Landkreis Görlitz abzuführen.
Begründet wird der Bescheid mit Bezug auf § 26 Abs. 1 Satz 1 Finanzausgleichsgesetz (FAG): "Die Landkreise erheben, soweit ihre sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, um ihren Finanzbedarf zu decken, von den kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage." Weiter heißt es, dass die sonstigen Einnahmen des Landkreises Görlitz nicht ausreichen würden, um den Finanzbedarf im Haushaltsjahr 2011 abzudecken.
Aus Sicht der Stadtverwaltung Görlitz gibt es andere Möglichkeiten, als diesen Bedarf durch den Griff in die kommunalen Geldsäckel zu decken. Im Grunde müsste sich der Landkreis Görlitz wie ein Unternehmen mit Liquiditätsschwierigkeiten verhalten: So könnte er Vermögen verkaufen, um an frisches Geld zu kommen. Denkbar wäre auch, Kredite aufzunehmen oder den Freistaat Sachen in die Pflicht zu nehmen, dessen "Leuchtturmpolitik" die Grenzregionen in der Finsternis verschwinden lassen hat. Nichtzuletzt jedoch muss sich der Landkreis Görlitz an die eigene Nase fassen und seine Einnahmen und Ausgaben überdenken, sprich: Selber Sparen.
In einer Mitteilung stellt die Stadtverwaltung Görlitz fest, dass es "der Landkreis Görlitz nicht vermochte, die Probleme dort zu lösen, wo sie ihren Ursprung nahmen" - ist er doch in einer vom Gesetzgeber so gewollten vergleichsweise komfortablen Situation: Zur Bewältigung seiner Finanzstrukturprobleme nimmt der Landkreis Görlitz auf Anordnung und mit dem Segen der Landesdirektion Dresden die zu seinen Gunsten einseitig geschaffene kommunale Haftungsgemeinschaft bis an ihre wirtschaftlichen Grenzen und darüber hinaus in Anspruch.
Damit legt er den ihm anvertrauten Kommunen eine Last auf, unter der sie kaum mehr atmen können. Praktisch heißt das, dass den Städten und Gemeinden im Landkreis Görlitz immer weniger frei verfügbare Geldmittel verbleiben, die sie zur Ausgestaltung ihrer kommunalen Selbstverwaltung benötigen.
Auch nach der Ersatzvornahme durch die Landesdirektion Dresden hielten weder der Görlitzer Landrat noch die Mehrheit der Kreisräte eine außerordentliche Sitzung zur Erörterung der Lage für nötig - ein Fall klassischen Politikversagens.
Wo ist das Einsparpotential geblieben?
Nun hat es der Landjkreis Görlitz als Hartz-IV-Region freilich nicht leicht. Bereits anlässlich der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2010 war ihm wegen seiner schwierigen finanziellen Situation von der Landesdirektion Dresden - als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde - ein Haushaltssicherungskonzept auferlegt worden, das dann auch genehmigt wurde. Im Beschluss zu diesem Haushaltssicherungskonzept 2010 wurde für die Jahre 2010 bis 2013 ein Konsolidierungspotenzial von insgesamt sage und schreibe 64 Millionen Euro ausgewiesen.
Der unlängst vom Görlitzer Kreistag - letztlich nicht einmal beschlossene - Entwurf der Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes sah für die Zeitspanne von 2011 bis 2014 insgesamt sogar ein Potential von 72 Millionen Euro zur Einsparung vor. Wer das beschlossene Haushaltssicherungskonzept 2010 mit dem Entwurf der Fortschreibung für 2011 vergleicht, dem wird allerdings deutlich, dass das Konsolidierungsvolumen des Landkreises Görlitz für die gemeinsame Schnittmenge der Jahre von 2011 bis 2013 in der Fortschreibung um zirka zehn Millionen Euro niedriger ausfällt. "Im Interesse der Gemeinden wäre allerdings eine Intensivierung anstelle eines Nachlassens in den Konsolidierungsbemühungen gewesen", legt die Stadt Görlitz den Finger in die Wunde.
Währenddessen das Finanzproblem des Landkreises Görlitz nun vorerst gelöst scheint, steigt die finanzielle Belastung der Gemeinden im Landkreis Görlitz im Vergleich zu 2010 auf das Doppelte. Die Erhöhung der Kreisumlage auf 31,5 Prozent wird für den Landkreis Görlitz neben den ohnehin geplanten 22 Millionen Euro rund neun Millionen Euro zusätzliche Einnahmen bringen. Klar ist: Diese Mittel stehen den Gemeinden damit nicht mehr zur Verfügung.
Der Landkreis Görlitz hätte das Ruder herumreißen können
Die Stadt Görlitz verweist darauf, dass nach den Rechts- und Haushaltsgrundsätzen eine Hebesatzerhöhung nur dann infrage kommt, wenn der Haushaltsausgleich nicht durch andere geeignete Maßnahmen erreicht werden kann. Diese Chance hat der Landkreis Görlitz vertan: In seinem beschlossenen und von der landesdirektionalen Rechtsaufsicht genehmigten Haushattssicherungskonzept 2010 hatte der Landkreis Görlitz Möglichkeiten des Haushaltsausgleichs aus eigener Kraft aufgezeigt. Und es funktionierte, denn mit dem Jahresergebnis 2010 wurde das Konsolidierungsziel des Landkreises sogar deutlich übererfüllt. Das bedeutet zugleich, dass zur Erhöhung des Kreisumlagehebesatzes keine tatsächliche Notwendigkeit bestand - diese resultiert einzig "aus dem nachlassenden eigenen Bestreben des Kreises für seinen Haushaltsausgleich", stellt die Stadt Görlitz fest.
Die Städte und Gemeinden im Landkreis Görlitz bekommen neben der höheren Kreisumlagebelastung zudem auch das schwindende finanzielle Engagement des Kreises im freiwilligen Aufgabenbereich deutlich zu spüren. Sie müssen eine ungerechte Doppelbelastung aus höherer Kreisumlage einerseits und Kompensation des Rückzuges des Landkreises aus Aufgabenträgerschaften andererseits abfangen, wenn sie ihren Bürgern keine weiteren Einschnitte zumuten wollen.
Das Problem an der Wurzell packen
Die Ursachen für die Finanzprobleme des Landkreises Görlitz liegen sicherlich nur bedingt in den im Zuge der Verwaltungsreform nicht genügend berücksichtigten Risiken sowie im gern zur Begründung genannten weiteren Rückzug des Bundes aus der Erstattung von Sozialleistungen.
Für die Kommunen besteht die Gefahr, dass die vom Landkreis Görlitz erhobene Kreisumlage auch in den Folgejahren auf überhöhtem Niveau bleibt oder gar weiter ansteigt. Deshalb gibt es von der Stadt Görlitz eine klare Ansage: Neben zu führenden Verhandlungen mit dem Freistaat Sachsen ist das konsequente Festhalten an den eigenen Sparmaßnahmen aus dem Haushaltskonsolidierungskonzept des Haushaltsjahres 2010 und darüber hinaus für den Kreis unabdingbar. Dieses momentane Umlageniveau darf sich mit den kommenden Haushalten des Kreises - ohne Anpassung des Sächsischen Finanzausgleichsgesetzes - keinesfalls normalisieren, verstetigen oder gar weiter erhöhen.
Ungeachtet dessen besitzt die Landkreisverwaltung selbst immer noch enormes Einsparpotential. "Wenn sich der Landkreis auf das Solidarprinzip beruft und von den unter seiner Aufsicht stehenden Gebietskörperschaften eine höhere Kreisumlage einfordert, so sollte er zumindest solidarisch die eigene Bereitschaft zur Konsolidierung glaubwürdig unter Beweis stellen. Dabei muss er an sich selbst gleiche Maßstäbe anlegen wie an andere", ist aus Görlitz zu vernehmen.
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- Quelle: red
- Erstellt am 15.11.2011 - 23:09Uhr | Zuletzt geändert am 16.11.2011 - 08:38Uhr
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