Deutsche Einheit im 21. Jahr

Bild zu Deutsche Einheit im 21. Jahr Deutschland, 3. Oktober 2011. „Keinem wird es schlechter gehen!“, hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die DDR-Deutschen motiviert, dem Gebiet und System der alten Bundesrepublik beizutreten. Und allem Gejammer zum Trotze heißt die Bilanz des Jahres 2011: Was den wirtschaftlichen Wohlstand und die Freiheit betrifft, hat der Einheitskanzler Recht behalten.

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Was wäre, wenn ... die deutsch-deutsche Geschichte war nicht alternativlos

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Grenzen fallen - innerdeutsch wie europaweit. Kommen die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen bei den Menschen an? Archivbilder: BeierMedia.de
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Viel Gutes, viel Ungewohntes und auch Unangenehmes hat die Deutsche Einheit den Bewohnern der dann „Fünf Neue Länder“ genannten Zone gebracht, so auch den Titel „Jammer-Ossi“ - doch der trifft den Kern der Sache nicht. Die Umstellung der persönlichen Lebensumstände der Bürger eines ganzen Staates, vom Arbeitsplatz über die soziale Absicherung bis in den engsten Privatbereich hinein, ist in ihrer Komplexität und Alternativlosigkeit einzigartig in der Geschichte.

Doch anstelle daraus das Selbstbewusstsein der Erfahrung zweier Systeme zu schöpfen und die erlangte Freiheit zu nutzen, fühlten sich große Teile der Ex-DDR-Bevölkerung schlichtweg überfordert. Wie war es vordem doch so bequem... Anstelle den eigenen Fortschritt wertzuschätzen wurde schnell der Vergleich zu jenen jetzt gesamtdeutschen Regionen gezogen, die sich vierzig Jahre lang nicht mit angezogener Handbremse entwickelt hatten, was das Gefühl des „Bürgers zweiter Klasse“ stärkte.

Die Sieger der Geschichte?

Paradoxer Weise sahen sich die Bürger des alten Westdeutschlands, dem die Wiedervereinigung einen 16-Millionen-Menschen-Markt geschenkt hatte, als Sieger der Geschichte. Im bundesdeutschen System aufgewachsen, ohne jemals eine andere Sozialisierung erlebt zu haben, zog man sich auf die Position „Wir haben es richtig gemacht!“ zurück und verdrängte damit jeden Gedanken daran, dass einzelne Entwicklungsansätze in der früheren Sowjetischen Besatzungszone – trotz aller Widersprüchlichkeit – zukunftsweisender waren.

Das sind vermutlich zugleich jene gesellschaftlichen Bereiche, die in den Neuen Ländern am Stärksten als „verloren“ empfunden werden: Einen Arbeitsplatz zu haben als Basis für gesellschaftliche Anerkennung (aber Verbunden mit der Pflicht zur Arbeit, auch unter ungesunden Bedingungen), ein einheitliches Bildungssystem, das für Kinder Chancen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern (jedoch abhängig von sozialer Herkunft und politischer Einstellung) eröffnete, eine garantierte soziale Absicherung (wenn auch auf unterem Niveau).

Die politische Unterdrückung durch die DDR-Oberen bekamen jene Bürger zu spüren, die mit dem System kollidierten - und das war eben nicht die Masse. Die Masse hat Witze erzählt, sich über die Nichtverfügbarkeit von Waren, über Sonderschichten, gesellschaftliche Organisationen und politische Gängelei in den Betrieben mokiert, sich aber systemkonform verhalten und keinen Widerstand geleistet. Immerhin gab es mehr als zwei Millionen SED-Genossen, jeder achte DDR-Bürger, Kinder und Greise eingeschlossen...

Auch wird die Rolle der Kirche - die sich selbst als „Kirche im Sozialismus“ definierte - gern überschätzt. Die abgeschotteten Umweltbibliotheken waren nicht im öffentlichen Bewusstsein. Wer aktiv politisch gegen das DDR-System auftrat, landete über kurz oder lang im Stasiknast und wurde als Regimegegner ausgeschaltet, indem er – wie so oft - vom Westen freigekauft wurde.

Die friedliche Revolution, die das DDR-Regime von der Bühne der Zeitgeschichte wischte und die Voraussetzung für die deutsche Wiedervereinigung schaffte, war vielmehr motiviert vom Drang nach Wohlstand, Reisefreiheit und Freiheit von der Gängelei des Staates. Die DDR implodierte an ihrem Anspruch, alles für das Volk zu tun und Friedensmacht zu sein - in diesem Geiste erzogen konnten die „bewaffneten Organe“ nicht gegen die demonstrierenden Werktätigen vorgehen.

Wirtschaftlich am Ende?

Wirtschaftlich hingegen war die DDR noch lange nicht am Ende. „Die Staatsverschuldung der DDR zum Ende 1990 betrug nach Angaben der Deutschen Bank 86,3 Mrd. DM. Davon waren 38 Mrd. DM Schulden für die Kreditfinanzierung des Wohnungsbaus der DDR, 28 Mrd. DM Schulden des Staatshaushalts zu Lasten des Kreditsystems und 20,3 Mrd. DM Netto-Auslandsschulden im Westhandel. Bezogen auf das BIP von 313 Mrd. DM/160 Mrd. EUR für das letzte Jahr der DDR (1989) entsprach die Staatsverschuldung 27,6 %, die der BRD 41,8 % bei einem BIP von 929 Mrd./475 Mrd. EUR (1990).

Damit lag die Staatsverschuldung der DDR-Bevölkerung Ende 1990 pro Kopf bei 5.384,- DM/2753,- EUR (bei einer Wohnbevölkerung der DDR von 16,028 Mio. Personen).

Die alte BRD hatte 1990 je Einwohner etwa 15.000,- DM/7669,- EUR öffentliche Schulden. Damit entsprachen die tatsächlichen öffentlichen Schulden im Vereinigungsjahr je Einwohner der DDR 35,9 % derjenigen westdeutschen Bürger.“, ist unter dem Stichwort „Staatsverschuldung“ bei Wikipedia zu erfahren.

Nicht alternativlos

Wer die deutsch-deutsche Einheit des Jahres 2011 beleuchtet sollte dabei bedenken, dass die erlebte Entwicklung nicht alternativlos war. Die wirtschaftlich erstarkenden Staaten der ehemals sowjetischen Hemisphäre sind dafür ebenso ein Beispiel wie die in viel stärkerem Maße offenen Gesellschaften Skandinaviens, vor allem Norwegens,

meint Ihr alter Schwede Fritz R. Stänker

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  • Quelle: Fritz Rudolph Stänker | Archivbilder: BeierMedia.de
  • Erstellt am 03.10.2011 - 15:34Uhr | Zuletzt geändert am 17.12.2021 - 21:28Uhr
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