Görlitz erst an dritter Stelle?
Görlitz, 4. April 2010. Die aktuelle Leserumfrage im Görlitzer Anzeiger fragt nach dem beliebtesten Ort für Einkäufe und listet dazu Städte aus der Lausitz und aus Niederschlesien auf. Görlitz liegt zurzeit an dritter Stelle - ein Ergebnis, das nicht unkommentiert bleiben darf.
Das Handelswort zum Ostersonntag
Mit aktuell etwas mehr als 27 Prozent der Stimmen liegt Bautzen unangefochten an der Spitze jener Städte, in denen das Einkaufen offensichlich besonders viel Spaß macht oder zumindest besonders angenehm ist. Auf den Plätzen folgen Zgorzelec mit knapp 24 Prozent und - abgeschlagen - Görlitz mit fast 16 Prozent. Nennenswert ist noch Dresden, das als (ost)sächsische Landesmetropole in den Kreis der Einkaufsstädte aufgenommen wurde und es auf reichlich 10 Prozent bringt.
Versuch einer Wertung
Nun haben die Zahlen allein wenig Aussagekraft. Hinzu kommt, dass die Befragung nicht repräsentatiiv ist. Das bedeutet, das nur der seine Stimme abgeben kann, der auch auf die Seite des Bautzner, Görlitzer, Weißwasseraner oder Zittauer Anzeigers gelangt ist. Diese Zielgruppe dürfte aber nicht repräsentativ sein für jene, die in ein größeres oder kleineres Ballungszentrum zum Shoppen fahren. Im Gegenteil: Internetnutzer werden auch den überregionalen Online-Einkauf nicht verachten.
Dennoch soll das bisherige Befragungsergebnis Grundlage sein, die drei bislang erstplatzierten Einzelhandels-Standorte zu dikutieren.
Bautzen
In der quicklebendigen Kreisstadt konzentriert sich alles, was der komsumfreudige Bürger wünscht. Attraktiv ist zweifellos das Kornmarkt-Center als großzügige Shopping Mall - zentrumsnah gelegen, mit Parkhaus und vor allem einem ausgesuchtem Branchen- und Anbietermix. Rundherum finden sich etliche Geschäfte, die das Kornmarkt-Center als Leuchtturm für den Bautzener Einzelhandel begreifen. Das Kornmarkt-Center wie auch die Altstadt insgesamt sind mit dem Pkw von der Bundesstraße 6 aus, die Bautzen quert, ebenso sehr gut erreichbar wie aus Richtung Zittau und Hoyerswerda (je B 96) sowie aus Weißwasser über die B 156. Rund um die Stadt ziehen sich die Einkaufsmärkte wie beispielsweise Marktkauf, Roller, Praktiker und Obi.
Görlitz-Zgorzelec
Wäre die Europastadt als Ganzes angetreten, so könnte sie mathematisch annähend 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Wenn und wäre - der deutsche und der polnische Teil der Europastadt sehen sich in praxi eher als Wettbewerber.
Vor allem, seit Zgorzelec das Ziel ausgerufen hat, das größte Einkaufszentrum zwischen Dresden und Breslau (Wrocław) zu werden. Für das strukturarme Zgorzelec ist das eine nachvollziehbare Entscheidung, die den Standortvorteil der Grenznähe und der Autobahnanbindung an die A 4 ausreizt. Und so wächst in Zgorzelec rund um den großen Kreisverkehr ein Einkaufsstadtteil aus dem Boden, der eine Vielzahl von Märkten konzentriert: Real, Carréfour, Merlin, Castorama und das neue Zgorzelec Plaza sind Beispiele dafür, dass hier nicht gekleckert, sondern geklotzt wird.
Görlitz mit seiner gewachenen Einzelhandelsstruktur in der Altbausubstanz des Stadtzentrums tut sich da naturgemäß schwerer, was sich auch im Ergebnis der Umfrage wiederspiegelt. Vermutlich unter dem Eindruck des Bautzener Kornmarkt-Centers sollte auch hier ein Einkaufsmagnet in Form des City-Centers installiert werden. Dafür wurde - für Görlitz ein unerhörter Vorgang - das historische Wilhelms-Theater abgerissen. Jedoch erst in jüngerer Zeit jedoch macht das City-Center seinem Namen Ehre. Der Einbau von Rolltreppen und attraktive Mieter machen einen Besuch interessant. Der Zugang direkt über ein Parkhaus möglich. Das momentan geschlossene Jugenstil-Kaufhaus ist ein Manko für diie Attraktivität der Stadt. Rund um Görlitz finden sich mehrere Märkte, die einst auf der grünen Wiese errichtet wurden, beispielsweise Hornbach, Praktiker, Roller, Marktkauf und Toom.
Der Görlitzer Innenstadt steht ein City-Manager ins Haus, der Einzelhandels-Aktionen koordinieren soll. Das kann nur gut sein, wird aber nicht ausreichen: Freundlichkeit und Engagement im Görlitzer Einzelhandel und in der Gastronomie haben, wie auch die Leserzuschriften im Görlitzer Anzeiger zeigen, durchaus Reserven. Allerdings sollten die kritischen Kunden keine Scheu haben, ebenfalls die guten Beispiele öffentlich zu würdigen.
Woanders
Mehr als neun Prozent der Leser geben an, "woanders" am liebsten einzukaufen. Hier darf geraten werden: Cottbus? Berlin? Frankfurt am Main? New York? Am liebsten heißt ja nicht am häufigsten.
Interessant ist eher, dass die anderen zur Auswahl gestelllten Städte Breslau (Wrocław), Hirschberg (Jelenia Góra), Reichenberg (Liberec), Weißwasser und Zittau zusammen gerade mal auf knapp 15 Prozent der Stimmen kommen. Hier dürften sich zukünftig Verschiebungen ergeben. So setzt auch Reichenberg ganz massiv auf den EInzelhandel. Zittau hingegen ist gerade deshalb attraktiv, weil es ein innerstädtisches Einkaufszentrum, in dem sich die üblichen Handelsketten präsentieren, nicht gibt - dafür aber viele inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte, die zu Entdeckungen einladen.
Es geht weiter
Die Befragung geht weiter bis Ende Juni 2010. Man darf durchaus gespannt sein, welches Bild sich dann ergibt - nicht, um zu sagen: "So ist es°!", sondern um weiter nach Verbesserungen zu suchen.
Als bisheriges Fazit bleibt anzumerken: Gerade im schwierigen Umfeld sind innovative Ideen im Einzelhandel gefragt. Erfolgversprechende Modelle sind anderenorts in Europa realisiert, abgucken ist erlaubt. Aber bitte nicht stupide abkupfern, sondern aus Sicht der Kunden handeln, über den Kirchturm hinaus denken und regionale Besonderheiten beachten.
Es gibt viel zu tun, ist doch schön,
Ihr Ostersonntagskunde Fritz R. Stänker
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- Quelle: Fritz Rudolph Stänker
- Erstellt am 04.04.2010 - 10:17Uhr | Zuletzt geändert am 01.10.2019 - 19:36Uhr
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