Störe meine (großen) Kreise nicht!
Dresden. Der Legende nach soll Archimedes einem Soldaten, der ihn festnehmen sollte und ihn beim Zeichnen geometrischer Figuren im Sand störte, zugerufen haben: "Noli turbare circulos meos!" (Störe meine Kreise nicht!), worauf dieser dermaßen ausrastete, dass er Archimedes erschlug. Möge es dem spiritus rektor der Sächsischen Kreisgebietsreform nicht so ergehen, wenn er einem erbosten Bürger begegnet.
Verwaltungs- und Kreisgebietsreform im Sächsischen Landtag verabschiedet - neue Umfrage - Kommentar
Nach Verabschiedung des Verwaltungsneuordnungsgesetzes am 22. Januar ist am 23. Januar 2008 im Sächsischen Landtag eine Kreisgebietsreform zum 1. August 2008 beschlossen worden. Sachsen Ministerpräsident Milbradt dankte vor allem seinem Innenminister Buttolo, "der mit großem Engagement und enormen Geschick die Reform vorangetrieben hat".
Für die Kreisfreie Stadt Görlitz, den Landkreis Löbau-Zittau und den Niederschlesischen Oberlausitzkreis steht nun die Hochzeit als "flotter Dreier" an.
Während viele Bürger die bevorstehenden Veränderungen in einer Stimmung zwischen gelassen und desinteressiert-abgstumpft erwarten, wächst die Unruhe unter den Verwaltungsangestellten der Landratsämter und der Stadtverwaltung.
Neue Umfrage
Mit der neuen Umfrage wollen der Görlitzer Anzeiger und der Zittauer Anzeiger erhellen, wohin die politische Wetterfahne zeigt, wenn nach der Person des neuen Landrats oder der neuen Landrätin gefragt wird. Schließlich wird allzu gern unterstellt, dass, wenn einer der jetzigen beiden Landräte oder der Görlitzer Oberbürgermeister den Job mit dem Segen der Wähler übernimmt, die Mitarbeiter seiner Verwaltung eher auf der sicheren Seite sein könnten - wohlgemerkt, eine glatte Unterstellung. Ebenso sei unterstellt, dass sich die regierenden Drei tatsächliche alle der Wahl - und nicht der Frage, ob sie sich das weiterhin antun wollen - stellen.
Schau´n wir mal, bei wem die Sympathie der Leser liegt. Selbstverständlich gelten die Bezeichnungen auch für mögliche Kandidatinnen, lediglich aus Platzgründen ist auf die feminisierte Form verzichtet worden.
Und wer sich nicht entscheiden kann, dem hilft nur: Täglich neu seine Stimme abgeben!
Kreisgebietsreform
Die Kreise im Freistaat Sachsen werden neu gegliedert aus 22 Landkreisen werden auf zehn, die derzeit sieben kreisfreien Städte werden auf drei reduziert.
Neben Einsetzung einer Expertenkommission waren etwa 580 Verbände und Träger der kommunalen Selbstverwaltung und öffentlicher Belange im Rahmen der Entstehung des Reformwerkes gehört worden. 242 Stellungnahmen der Angehörten und mehr als 400 Bürgerschreiben wurden im Innenministerium ausgewertet.
Die neu zu bildenden Landkreise wurden nach einer Vielzahl Kriterien abgegrenzt, dazu zählen:
- die Einwohnermindestgröße (200.000 Einwohner im Jahre 2020 als Regelmindestgröße für Landkreise und Kreisfreie Städte),
- die Bürger- und Problemnähe (keine Großkreisbildung),
- die Flächengröße (max. 3.000 km²) und gemeindliche Struktur,
- raumordnerische, landesentwicklungspolitische und wirtschafts- und infrastrukturelle Aspekte,
- das System der zentralen Orte,
- die Zusammenfassung von Landkreisen mit unterschiedlicher Finanz- und Leistungskraft,
- die Verkehrsanbindung, die landschaftliche und topografische Situation,
- kulturelle, historische und religiöse Bindungen und Beziehungen sowie die Berücksichtigung der Stadt-Umland-Verhältnisse.
Rund 300 Mio. Euro werden als Anschubfinanzierung für die Neugliederung der Kreise und zur Unterstützung der Städte, die den Sitz des Landratsamtes verlieren, bereitgestellt.
Mit dem Beschluss der Kreisgebietsreform wird zugleich die zuvor beschlossene Verwaltungsreform zum 1. August 2008 in Kraft treten.
Funktionalreform
Bereits am 22. Januar 2008 war die sächsische Funktionalreform im Landtag beschlossen worden. Damit werden umfangreiche Aufgaben des Staates werden auf die Landkreise und kreisfreien Städte sowie auf den Kommunalen Sozialverband übertragen. Die verbleibenden staatlichen Aufgaben werden in weniger Behörden gebündelt.
Vor dem Hintergrund des erheblichen Bevölkerungsrückganges, des steigenden Altersdurchschnitts der Bevölkerung und der rückläufigen Mittelzuweisungen an den Freistaat Sachsen hatten sich die Koalitionspartner nach der Landtagswahl 2004 verständigt, eine noch effizientere und transparentere Verwaltung zu schaffen. Diese soll durch ortnahe Verwaltung bürger- und unternehmensorientiert sein. Das Innenministerium geht nach einer wissenschaftlichen Studie davon aus, dass bei voller Wirksamkeit der Reform jährlich rund 160 Mio. Euro eingespart werden können. Rund 4100 Stellen werden kommunalisiert. Betroffene Beschäftigte erhalten einen dreijährigen Kündigungsschutz.
Zu kommunalisierende Aufgaben
Übertragung von Aufgaben und Aufgabenteilen auf die künftigen Landkreise und Kreisfreien Städte:
- Alle Aufgaben der Vermessungsämter
- Teilaufgaben der bisherigen Regierungspräsidien u. a. in den Bereichen Umweltvollzugs- und Umweltfachaufgaben, Denkmalschutz,
- Teilaufgaben der bisherigen Straßenbauämter
- Teilaufgaben der Verwaltung für Familie und Soziales
- Teilaufgaben der Sächsischen Bildungsagentur
- Teilaufgaben der Staatlichen Ämter für Landwirtschaft
- Alle Aufgaben der Ämter für ländliche Entwicklung
- Teilaufgaben des Staatsbetriebs Sachsenforst
- Aus- und Fortbildungsaufgaben in verschiedenen Bereichen
Übertragung von Teilaufgaben des Landesamtes für Familie und Soziales auf den Kommunalen Sozialverband Sachsen, wie z. B. Vollzug des sozialen Entschädigungsrechts, der Hilfen für schwer behinderte Menschen und Förderaufgaben der Jugendhilfe.
Verlagerung von Aufgaben auf kreisangehörige Städte und Gemeinden:
- Im Bereich Ordnungswidrigkeiten, soweit sie für den Vollzug der Gesetze zuständig sind
- Verkehrsrechtliche Anordnungen bezogen auf Gemeinde- und sonstige öffentliche Straßen
- Darüber hinaus können Landkreise Aufgaben auf kreisangehörige Städte und Gemeinden zur Erprobung einer ortsnahen Aufgabenerfüllung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen.
Ein weiterer bedeutender Teil des Gesetzes ist die Funktionalreform im staatlichen Bereich:
-ie Anzahl der Behörden wird um 42 reduziert werden.
-ie Aufgaben, die auch weiterhin staatlich wahrgenommen werden sollen, wurden bei wenigen Behörden zusammengefasst:
Charakteristisch hierfür ist die grundsätzliche Konzentration:
- bei den Landesdirektionen und
- wenigen staatlichen Sonderverwaltungen.
Behörde neuen Typus - Regierungspräsidien neu gewandet
Die neuen Landesdirektionen (ehemals Regierungspräsidien) sind inhaltlich ein neuer Behördentyp der mittleren allgemeinen Verwaltungsebene und Mittler zwischen den Staatsministerien und der kommunalen Ebene - aufgrund der umfangreichen Kommunalisierung vorrangig mit Aufsichtsaufgaben betraut und zudem mit Bündelungsaufgaben versehen:
- bei Aufgaben, die einen hohen Spezialisierungsgrad erfordern
- räumlich über das Gebiet eines Landkreises hinaus Geltung beanspruchen
- oder zentral landeseinheitlich wahrgenommen werden müssen
Nur in hoch spezialisierten Aufgabenbereichen und auch bei Aufgaben mit besonderer Bedeutung wurden besondere Staatsbehörden und Staatsbetriebe vorgesehen, zu nennen sind u. a.:
- der Bereich Straßenbau,
- das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und
- der Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen
Kommentar:
Konzentrationsprozesse mögen auf den ersten Blick Kosten sparen.
Bei genauerem Hinsehen allerdings muss das Bild differenziert werden: Den Hauptanteil der erwarteten Kosteneinsparung dürfte der mittelfristige Wegfall von Arbeitsplätzen und Gebäudeflächen bringen.
Andererseits kommt eine Verwaltung um eine gewisse räumliche Bürgernähe nicht herum. Was ist also zu erwarten? Zunächst Konzentration der Verwaltung an einigen Standorten, dann das Schaffen von Außenstellen für die Bürgernähe. Folge: Neue Anmietungen, neue Einstellungen, mehr Koordinierungsaufwand, mehr Reisekosten. Vom Schrumpf- zum Wasserkopf.
Außerdem: Für Unternehmen, die für die Verwaltung als Dienstleister arbeiten, reduziert sich die Zahl der Ansprechpartner. Tendenziell kommen nur noch größere (weil leistungsfähigere) Anbieter zum Zuge. Kleine Unternehmen aus der Region könnten das Nachsehen haben.
Nicht alles, was von oben kommt ist gut.
Das haben wir hier schon immer gewusst,
weiß Ihr Fritz Stänker
Umfrage am 7. März 2008 eingefroren
Wir möchten keinen Einfluss auf die bevorstehenden Wahlen nehmen, zumal weitere Landratskandidaten auf der Bildfläche erscheinen. Deshalb ist ein weiteres Abstimmen nicht mehr möglich. Danke allen fürs Mitmachen!
Denjenigen, die für die Auf- und Überholjagd des NOL-Landrats Bernd Lange geklickt haben, wünschen wir, dass der vom Klicken wunde Zeigefinger schnell verheilt. Über die Motive - Zutrauen, Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes, Solidarität oder anderes kann nur spekuliert werden.
Machen wir aber nicht.
Ihr Fritz Stänker
Ergebnis: Wer soll Landrat/ Landrätin im Landkreis Görlitz werden?
Umfrage seit dem 23.01.2008
Teilnahme: 300 Stimmen
Wunsch-Landrat/rätin
Von Ronny am 04.02.2008 - 08:26Uhr
Die Umfrage ist informativ, deckt sie doch Erstaunliches auf! Anscheinend ist es völlig egal, ob ein Ossi oder ein Wessi (was sich ja wohl hinter dem verschämten "ein Zugezogener" verbirgt) Landrat wird, Hauptsache, er oder sie versteht was von Wirtschaft! Zudem scheint die Frauenfraktion stark mitzupunkten. Paradox, dass der CDU-nominierte Landratskandidat auf den hinteren Plätzen dümpelt, während der Zittauer Vallentin, der angeblich nicht mehr kandidieren will, vorn liegt. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt!
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- Quelle: /red | Ergänzung der Erstveröffentlichung vom 23.01.2008 - 21:35 Uhr
- Erstellt am 23.01.2008 - 19:44Uhr | Zuletzt geändert am 07.03.2008 - 21:09Uhr
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