Was bringt das Strukturstärkungsgesetz der Lausitz?
Görlitz, 23. Mai 2019. Gestern hat das Bundeskabinett mit dem Beschluss der Eckpunkte für ein "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" die Basis für die Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" geschaffen. Die Ministerpräsidenten der Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt haben diesen Schritt ausdrücklich begrüßt. Doch nicht alle sehen das so.
Abbildung oben: Ob Garzweiler (Foto) oder die Lausitz, die Braunkohlekumpel sitzen in einem Boot. Der Ruhrpott wie die Lausitz sind schon jetzt vom Strukturwandel gezeichnet: Die einen vom Ende des Steinkohlebergbaus, die anderen vom Zusammenbruch der "DDR"-Industrie
Es geht um die Kohle nach der Kohle
Für die industriepolitischen, wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Veränderungen in den braunkohleabhängigen Regionen werden bis zum Jahr 2038 ungefähr etwa 40 Milliarden Euro bereitgestellt. Von den jährlich rund zwei Milliarden Euro sollen 65 Prozent über die jeweils fachlich zuständigen Bundesministerien zur Verfügung gestellt werden. 700 Millionen Euro sollen die Länder direkt erhalten, um über eigene Förderprogramme die Strukturentwicklung zu finanzieren und voranzubringen. Die Mittel für die Länder sollen entsprechend der Kommissionsempfehlungen aufgeteilt werden: Brandenburg 25,8 Prozent, Nordrhein-Westfalen 37 Prozent, Sachsen 25,2 Prozent und Sachsen-Anhalt 12 Prozent.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zum neuen Gesetz: "Wichtige Infrastrukturprojekte konnten wir im Gesetz unterbringen. Durch die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken und den Neu- und Ausbau von Straßenverbindungen schaffen wir die Voraussetzungen, dass sich neue Unternehmen ansiedeln und gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Auch bei der Finanzierung und den Themen Bildung und Forschung haben wir Fortschritte gemacht. Wir werden das Gesetzgebungsverfahren eng begleiten und in Gesprächen mit der Bundesregierung und dem Parlament weitere Vorschläge machen." Sein fazit: "Für die Lausitz und Mitteldeutschland wurde heute die Grundlage für eine gute Strukturentwicklung geschaffen."
Holger Zastrow, Landeschef der Freien Demokraten in Sachsen und FDP-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, vertritt eine andere Sichtweise: "Leider ist dem Bund und den Braunkohle-Ländern seit ihrem Gipfel nichts wirklich Neues eingefallen. So wie der Strukturwandel jetzt geplant ist, muss er scheitern: Rezepte, die schon nach der Wende untauglich waren, werden jetzt nicht plötzlich funktionieren. Hier irgendeine Behördenansiedlung, dort eine ohnehin überfällige Straße – so entsteht kein nachhaltiger, selbsttragender Aufschwung." Das geeignete Instrument für neue Wirtschaftsstrukturen verortet Zastrow in einer Sonderwirtschaftsregion: "Offenbar hat man aus dem Strukturwandel nach der Wende nichts gelernt, vor allem nicht, wie man es nicht macht. Wenn Ministerpräsident Kretschmer – wie jüngst in der Lausitzer Rundschau – Behördenansiedlungen für das Merkmal einer Sonderwirtschaftszone hält, muss das schiefgehen. Wir brauchen keine Behörden-Zone, sondern eine Sonderwirtschaftsregion: Wir müssen Gesetze so weit lockern, dass Firmengründungen und Investitionen hier so attraktiv werden wie nirgendwo sonst. Die Lausitz muss die Region werden, in der geht, was anderswo längst nicht mehr geht."
"Innovation – Fehlanzeige", konstatiert der Sachse Stephan Kühn, der für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sitzt, die Vorgehensweise zum Strukturwandel in der Lausitz und wird konkret: "Viele Strukturprojekte für die Kohle-Regionen sind alter Wein in neuen Schläuchen. Den Nutzen von Verkehrsprojekten, wie die Nordverlängerung der B178 in Sachsen oder die MiLau, eine Straßenverbindung von Mitteldeutschland in die Lausitz, muss bezweifelt werden. Alte Ortsumfahrungsprojekte, die man nie vorne im Bundesverkehrswegeplan unterkriegen konnte, werden aus der Schublade gezogen. Notwendig wäre eine ehrliche Debatte, was strukturschwache Regionen voranbringt, bevor man Planungskapazitäten und Geld in solche Projekte versenkt. Strukturstärkung gelingt eher durch Erhöhung der Innovationskraft der Unternehmen vor Ort und durch mehr Forschungs- und Entwicklungskapazitäten." Seine Kritik geht weiter: "Wer Bürgerbeteiligung beim Strukturwandel ernst meint, gibt nicht die Ansätze und Ziele regionaler Entwicklung vor. Genau dies macht der Kabinettsbeschluss. Die Menschen bleiben die größte Ressource der Lausitz. Mit über 1.500 Projektideen innerhalb von vier Wochen beim Mitmachfonds der Staatsregierung haben sie gezeigt, was sie wollen: sich einbringen und mitbestimmen. Dafür Strukturen zu schaffen, wäre innovativ und das Gebot der Stunde. Eine Zukunftsstiftung Lausitz könnte als tragende Struktur für einen dezentral organisierten Beteiligungsprozess stehen und Projekte im Bereich von Bildung, Wissenschaft und Kultur fördern."
Gewohnt blumig fällt das Statement der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WR.Lausitz) zum Beschluss der Bunderegierung zu den Eckpunkten für ein Strukturstärkungsgesetz aus: "Für die Lausitz soll endlich das neue Morgen beginnen – lassen Sie uns diese große Chance beherzt ergreifen und die Lausitz tatsächlich in eine moderne europäische Zukunfts- und Modellregion verwandeln. Erste Schritte sind getan: nach Ausstiegsbeschluss und Kommissionsempfehlungen gibt es nun auch eine erste rechtliche Basis – das Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Strukturstärkungsgesetz. Das ist ein guter Tag für die Lausitz und die anderen Reviere. Bei allen offenen Wünschen und weiterhin berechtigten Forderungen - er bringt mehr Verbindlichkeit und zeigt so auch die in Deutschland gelebte Solidarität. Wir alle haben damit Glaubwürdigkeit zurückgewonnen. Lassen Sie uns nun die solide Umsetzung begleiten und die Ausgestaltung anpacken. Die mutigen Menschen in der Lausitz warten darauf, endlich ihre neue Zukunft verlässlich gestalten und in die eigenen Hände nehmen zu können." Das Wirken der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH ist im Weißwasseraner Anzeiger vom 8. März 2019 kommentiert worden.
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- Quelle: red Foto Abraum: RoDobby / Rolf Dobberstein, Foto Bagger: Tama66 / Peter H, beide Pixabay und Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 22.05.2019 - 18:17Uhr | Zuletzt geändert am 18.10.2019 - 13:17Uhr
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