Hartz IV für Kinder?
Landkreis Görlitz, 24. Juli 2016. Rund jedes sechste Kind in Sachsen ist für seinen Lebensunterhalt darauf angewiesen, dass seine Erziehungberechtigten Hartz IV - das Arbeitslosengeld 2 - erhalten. Für diese Erkenntnis hat die Zwickauer Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewertet. Jens Hentschel-Thöricht sitzt für die Linkspartei im Sozialausschuss des Landkreises Görlitz und hat nachgefragt, wie sich die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren in den Bedarfsgemeinschaften im östlichsten und ärmsten Landkreis Deutschlands entwickelt hat.
Weniger Kinder im Landkreis Görlitz im Sog von Hartz IV
"Festzustellen ist", so Hentschel-Thöricht, "dass die Zahl der Kinder, die leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch II sind, im Zeitraum 2013 bis 2015 von 8.406 auf 7.921 Kinder gesunken ist. Dies entspricht einem Rückgang von 5,77 Prozent." Im Vergleich der Jahre 2015 zu 2014 war der Rückgang mit 3,74 Prozent geringer.
"Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften, in denen maximal zwei leistungsberechtigte Kinder leben, sinkt. Ein leichter Anstieg ist bei den Bedarfsgemeinschaften mit drei und mehr Kindern unter 18 Jahren zu sehen", machte Hentschel-Thöricht eine divergierende Entwicklung deutlich.
Was bedeutet das?
Sachsen gehört mit Brandenburg zu den Ländern, in denen die Zahl der Hartz IV-Kinder im Vergleich zum Vorjahr am deutlichsten zurückgeht. Die Zahlen im Landkreis Görlitz passen in dieses Bild.
Weil bundesweit aber noch immer jedes siebte Kind auf staatliche Hilfen angewiesen ist, weil das Einkommen seiner Eltern für den Lebensunterhalt nicht ausreicht, unterstützt Hentschel-Thöricht die Forderungen von Zimmermann, die Regelsätze für Kinder zu erhöhen. Zudem müsse perspektivisch eine Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung entwickelt werden.
Kommentar:
Kinderarmut ist ein Reizwort: Klar soll allen eine glückliche und sorgenfreie Kindheit vergönnt sein. Allerdings unterscheiden sich die Ansätze, wie die Wurzel des Übels Kindertarmut, vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit, also der Bezug der verschämt Arbeitslosengeld 2 genannten Hartz IV Leistungen, angepackt werden soll.
Wer wie Sabine Zimmermann als Lösung zwölf Euro pro Stunde als Mindestlohn fordert, hat sicherlich selbst noch nie als Unternehmer Verantwortung dafür getragen, dass Mitarbeiter ihren Lohn pünktlich ausgezahlt bekommen. Nein, hier spielen wohl die Berufserfahrungen in der volkseigenen Industrie, im öffentlichen Dienst und einer Gewerkschaft, die sich grundlegend aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, die führende Rolle.
In der Realität außerhalb der linksverklärten Vision sieht das Leben anders aus: Wo ist die Statistik, wieviel Prozent der Hartz IV-Bezieher überhaupt noch beschäftigungsfähig sind? Den Lackmustest durfte ich oft genug machen: Hartz IV-Empfängern konkrete Jobs anbieten und mir dann anhören, warum genau diese Arbeit nicht angenommen werden kann - und ehe der Aufschrei kommt: Nein, das ist kein Pauschalurteil, betrift aber die Mehrzahl der Fälle, die mir in meinem Berufsleben begegnet sind.
Komischerweise sind jene Leute, die einen hohen Mindestlohn fordern, oft zugleich jene, die sich für "Verbraucherschutz" und preiswerte Angebote einsetzen (keine Ahnung, ob Frau Zimmermann das macht). Doch die Milchmädchenrechnung kann wohl jeder: Sind die direkten und risikobedingten Kosten plus Steuern für den Unternehmer höher als das, was reinkommt, macht man den Laden lieber dicht oder setzt auf Technologien, für die man keine Mitarbeiter braucht.
Wäre es nicht ehrlicher und einfacher, ein an die Steuererklärung gekoppeltes bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen? Die Verwaltungsbürokratie, die die Grundsicherungsuchenden nicht nur betreut, sondern auch entwürdigt, wäre damit obsolet. Sogar aus Sicht der Gesamtkosten scheint das Gedankenexperiment interessant. Darüber wird man doch wohl noch nachdenken dürfen.
Ist das nicht eine linke Welt? Das fragt sich
Ihr Thomas Beier
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- Quelle: red | Abbildung: geralt / Gerd Altmann, pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
- Erstellt am 24.07.2016 - 00:50Uhr | Zuletzt geändert am 24.07.2016 - 10:57Uhr
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