Schulranzen zu schwer?
Görlitz, 10. Februar 2023. Von Thomas Beier. Das nächste Enkelkind kommt in diesem Jahr zur Schule und wieder steht die Frage nach dem richtigen Schulranzen - schließlich ist man sensibilisiert dafür, dass bei falscher Wahl Kinder Haltungsschäden davontragen können.
Abb.: Wo will der Schulranzen mit dem Jungen hin? Vielen erscheint es zu viel, was Schulkinder täglich transportieren müssen
Symbolfoto: Alicja, Pixabay License
Der proppevolle Schulranzen ist nicht das Problem
Ob der Schulranzen die Wirbelsäule zu stark belastet, hängt jedoch weniger von seinem Gesamtgewicht ab als vielmehr vom richtigen Tragen. Vor diesem Hintergrund wurde die Faustregel, wonach der gefüllte Ranzen nicht schwerer sein sollte als zehn Prozent des Körpergewichts des Kindes, bereits im Jahr 2010 aus der “Schulranzen-Norm” DIN 58124 gestrichen. Hintergrund: Die unter der Leitung des Humanbiologen Oliver Ludwig an der Universität des Saarlandes erstellte “Kidcheck” Studie kam im Jahr 2008 zu dem Schluss, dass in der durch langes und ununterbrochenes Sitzen auf den gängigen, aber oft nicht wirklich altersgerechten Schulmöbeln orthopädisch stärker belastet werden als durch schwere Ranzen. "Selbst bei schlaffer Muskulatur wirkt ein Ranzen zu kurz auf den Rücken ein, um die passiven Strukturen wie Wirbelbogen-Gelenke, Bänder und Bandscheiben schädigen zu können", erläuterte der Studienleiter Oliver damals. Andererseits kamen amerikanische Forscher im Jahr 2010 zu dem Schluss, dass ein zu schwerer Schulranzen sehr wohl die Bandscheiben übermäßig zusammenpresse.
Vom Tornister zum Schulranzen und Schulrucksack
Bei ihren Recherchen entdeckten die Forscher auch, woher die Zehn-Prozent-Regel stammte: Nämlich aus dem Militärwesen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Damals ging es darum, wie schwer der Tornister samt Inhalt eines Rekruten sein darf, um nach einem 20-Kilometer-Marsch keine Muskelermüdungen herbeizuführen. "Diesen Wert auf Ranzen und Schulkinder anzuwenden, ist völlig unrealistisch", so die Einschätzung von Professor Dr. Fritz-Uwe Niethard, Direktor der Orthopädischen Klinik am Uniklinikum Aachen, der auch einen Ranzenhersteller berät. Wobei: Der klassische Schulranzen ist heute nur eine Variante, wie Schüler ihren bildungsbehilflichen Krimskrams zur Schule und wieder zurück tragen. Empfohlen werden Schulranzen für Schulanfänger und Grundschüler. Erst bei den höheren Klassenstufen kommen Schulrucksäcke ins Spiel. Diese ähneln eher den Trekkingrucksäcken für Erwachsene, die es den Backpackern erlauben, ihre gesamten Reiseutensilien im Rucksack mitzuführen, ohne ihren Stützapparat zu überlasten. Hier ist wie beim Schulrucksack der Beckengurt und seine richtige Anwendung entscheidend. Über die zweckmäßige Gestaltung und die Nachhaltigkeit kann man sich etwa bei Satch Schulrucksäcke informieren. Ebenso wie beim Ranzen für den Schulanfänger wird wohl auch der Schulrucksack von den Eltern oder Großeltern gekauft. Ein Tipp ist es, neben der Ergonomie und den Umweltaspekten auf die Individualisierbarkeit zu achten – am besten, man sucht den neuen Ranzen oder Rucksack gemeinsam mit dem lieben Schüler oder der lieben Schülerin aus.
Problematisch sind unpassende Schulmöbel und zu vieles Herumsitzen
Ein wesentliche Ursache für Haltungsschäden bei Kindern ist zu langes Sitzen, in der Schule und dann auch noch zu Hause vor irgendeinem Bildschirm. Neben Schulmöbeln, die nur unzureichend dem Alter angepasst sind, wirken zu wenig Sport und zu wenig Aufenthalt im Freien. "Ihr Haltungs- und Bewegungsapparat ist daher völlig unzureichend trainiert", macht Professor Eduard Schmitt, ärztlicher Leiter des Kid-Check, klar. Diese Schwäche könne die Stabilität der Wirbelsäule beeinträchtigen, nachhaltig geschädigt werde sie jedoch durch stundenlanges Sitzen. Hintergrund: Bei Kindern wachsen die Wirbelkörper noch und reagieren sehr empfindlich auf einseitige Belastung. "Sitzt ein Kind dauerhaft nach vorn gebeugt, werden vorwiegend die vorderen Abschnitte der Wirbelkörper belastet. Dadurch wird ihr Wachstum an dieser Stelle frühzeitig gestoppt, hinten wachsen die Wirbel jedoch weiter. Dadurch entwickelt sich zunehmend eine Rundrückenform”, so Prof. Schmitt. Diese Haltungsschwäche werde schließlich zu einem Haltungsschaden, der nicht mehr zu beheben sei. Über die Risiken der Wirbelsäulenverkrümmung – Skoliose genannt – informiert auch das Deutsche Skoliose Netzwerk. Demnach haben bereits 60 Prozent der Schulkinder einen Haltungsfehler.
Unter dem Strich
In einer längst veralteten pädagogischen Welt war es für Lehrer freilich einfacher: Stillsitzen war angesagt und in der Pause mussten die Kinder in Zweierreihen ihre Runden auf dem Schulhof spazieren. Heute sind Schulhöfe viel besser auf körperliche Aktivitäten eingerichtet und Pausengymnastik nicht außergewöhnlich. Zudem engagieren sich etwa die Görlitzer Lions im Zuge des Projekts “Klasse 2002” für die Entwicklung grundlegender Kompetenzen bei Grundschülern, zu denen auch Wissen über Ernährung und Bewegung gehört. Ob jedoch die Zeiten, als Kinder am Wochenende morgens aus dem Haus stürmten, um sich mit Kumpels und Kumpelinen zu treffen, sich vielleicht zu Mittag noch einmal sehen ließen, um die Nachmittagsabenteuer wieder selbst in Hand zu nehmen, jemals wiederkommen? Jedenfalls sind besorgte Eltern nicht in jedem Fall das beste fürs Kind. Tipp: Ob Schulranzen oder Schulrucksack, schwere Sachen wie etwa Bücher gehören dicht an den Rücken, damit sie nicht wie ein Hebel wirken und die Kinder zu einer Ausgleichshaltung zwingen.
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- Quelle: Thomas Beier | Foto: _Alicja_ / Alicja, Pixabay License
- Erstellt am 10.02.2023 - 10:38Uhr | Zuletzt geändert am 11.02.2023 - 00:15Uhr
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