Mit dem Mikroskop Krankheitserregern auf der Spur

Mit dem Mikroskop Krankheitserregern auf der Spur Görlitz, 20. April 2021. Von Thomas Beier. Ausgerechnet die Corona-Pandemie bietet den Anlass für einen Ausflug in die Geschichte von Wissenschaft und Technik. Wenn heute das Robert-Koch-Institut, das ist das frühere Bundesgesundheitsamt, und das Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in aller Munde sind, dann muss auch an die namensgebenden Wissenschaftler erinnert werden, deren wissenschaftliche Forschungen ganz maßgeblich erst vom technischen Fortschritt, vor allem in der Mikroskopie, ermöglicht wurden.

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Mit Technikgeschichte und dem Vorbild großer Forscher für MINT-Fächer begeistern

Mit Technikgeschichte und dem Vorbild großer Forscher für MINT-Fächer begeistern
Mikroskope aus den Optisch-mechanischen Sammlungen Beier, rechts ein Instrument von W. & H. Seibert, Wetzlar, ca. 1910; im Objektivrevolver ein Immersionsobjektiv. Die Firma belieferte auch Robert Koch, dem durch eines der neuartigen Mikroskope die Entdeckung des Milzbrand-Erregers und des Tuberkulose-Erregers gelangen. Das linke Mikroskop stammt vermutlich aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.
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Die Entdeckung der Viren

Tatsächlich war Robert Koch (1843-1910) schon als Kind mit der Mikroskopie vertraut gemacht worden. Die von ihm entwickelten Technik des hängenden Tropfens, bei der ein an einem Objektträger hängender Tropfen mikroskopisch untersucht wurde, trug maßgeblich dazu bei, dass er als Erster den Lebenszyklus des Milzbranderregers, eines Bakteriums, vollständig beschreiben konnte. Die Anwendung der ersten seriengefertigten Immersionsobjektive, die Färbung zur Sichtbarmachung transparenter Mikroorganismen, die Anwendung der Plattenschalentechnik zur Untersuchung von Bakterien und der erste Bakterien-Brutschrank halfen bei der Entdeckung und Erforschung des Tuberkel-Bazillus.

Friedrich Loeffler (1852-1915) war ein Schüler Kochs, gemeinsam mit Paul Frosch (1860-1928) schreibt er 1898 über die Maul- und Klauenseuche und über winzigste Lebewesen, damals auch unter dem Mikroskop nicht erkennbar, die jedoch die Erreger vieler weiterer Krankheiten, etwa der Pocken, sein könnten – die Viren. Wegen der Ansteckungsgefahren durch Viren verlegte Loeffler seine Forschungen auf die Insel Riems, heute Sitz des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tierseuchen.

Sehen konnte man man die Viren erstmals unter dem Elektronenmikroskop, das in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts seinen Durchbruch erlebte. Bei der Rasterelektronenmikroskopie müssen biologische Objekte mit einer sehr dünnen Schicht leitfähigen Materials überzogen werden. Neue Optionen eröffnet hier das Heliumionen-Mikroskop, das in den Nanometer-Bereich vordringt. SARS-Cov-2-Viren sind um die 100 Nanometer groß und werden damit auf der Zelloberfläche sichtbar. Ein anderes jüngst entwickeltes mikroskopisches Verfahren nutzt die im Mikrometer-Bereich liegende Resonanzantwort der Viren, um diese nachzuweisen.

Anwendungen der modernen Mikroskopie

Bei den vielfältigen Anwendungen in der Industrie ist heute vor allem die Rasterelektronenmikroskopie von Bedeutung. Mitte der 1920er Jahre entdeckte der deutsche Physiker Hans Busch (1884-1973) die Grundlagen der Elektronenmikroskopie, das erste Elektronenmikroskop der Welt bauten die Techniker Ernst Ruska und Max Knoll im Jahr 1931. Das Rasterelektronenmikroskop erfand Manfred von Ardenne (1907-1997) im Jahr 1937. Damit konnte der den Vorgängern eigene chromatische Abbildungsfehler ausgemerzt werden. Eine Literaturquelle zum Wirken von Ardennes in Berlin-Lichterfelde und auf dem Weißen Hirsch in Dresden hat der Görlitzer Anzeiger im Beitrag "Faszinierende Welt der Technikgeschichte" genannt.

Rasterelektronenmikroskope, bei denen ein feiner Elektronenstrahl eine Oberfläche abtastet und die Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Untersuchungsobjekt zur Bilderzeugung nutzt – vergleichbar einem Durchlichtmikroskop sind auch Transmissionsuntersuchungen möglich – gelangen in weiten Bereichen der Schadensanalytik zum Einsatz. Kommt es etwa bei einem Maschinenwerkzeug wie einem Bohrer oder einem Fräser zu einem Bruch, kann so ermittelt werden, ob es sich um eine Materialermüdung handelte oder der Bruch von einem Maschinenfehler oder dem bearbeiteten Werkstück, etwa einem harten Materialeinschluss, ausging. Der Verlauf der Bruchfläche zeigt zudem, ob es im Werkzeug selbst oder an seiner Oberfläche Fehler gab. Der Aufwand ist nötig, weil bei hochproduktiven Fertigungszentren gewährleistet werden muss, dass Werkzeuge ihre prospektierten Standzeiten erreichen, um Stillstandszeiten für die Umrüstung zu vermeiden.

Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der Rasterelektronenmikroskopie (REM) ist die Halbleiterproduktion. Die Sachsen sind stolz auf die Halbleiterfertigung in Dresden, die ihre Wurzeln im “DDR”-Zentralinstitut für Mikroelektronik Dresden (ZMD) hat. Gleich bei mehreren namhaften Unternehmen werden in Dresden Siliziumwafer in Reinsträumen hergestellt. Höchste Alarmstufe gilt allerdings, wenn sich auf den Waferoberflächen Partikel finden. Die modernsten Wafer haben einen Durchmesser von 300 Millimetern, genug Fläche für mehr als 30.000 Chips. Winzigste Verunreinigungen würden unverweigerlich zu teurem Ausschuss führen, immerhin dauert die Herstellung eines Wafers bis zu mehreren Wochen. Hier wird die REM Analyse angewendet, um die Verunreinigungen zu identifizieren und so ihrer Herkunft auf die Spur zu kommen. Unter Ausnutzung des Röntgeneffekts (EDX) kann so die elementare Zusammensetzung der Partikel bestimmt werden oder es können bei organischen Unreinheiten weitere Analysen zur Identifikation durchgeführt werden.

Für die Wissenschaft muss man brennen

Wer heute für seine Kinder die Option einer Karriere in den MINT-Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik offenhalten möchte, sollte möglichst frühzeitig versuchen, ihre Begabungen und Neigungen herauszufinden. Schaut man sich die Lebensläufe großer Wissenschaftler und erfolgreicher Ingenieure an, dann fallen häufig zwei Merkmale auf: Erstens wuchsen sie in einer anregenden Umgebung auf und erhielten schon als Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, sich aus eigenem Drang auf den Weg der Erkenntnis zu begeben. Wer diese Aufgabe der Schule überlassen möchte, verspielt Zeit und damit die Potentiale begabter Kinder, im Gegenzug erscheint hier ein aufgeschlossenes und förderndes Elternhaus von großem Vorteil.

Zweitens haben viele große Wissenschaftler stets auch den Nutzen ihrer Erfindungen und Entwicklungen im Blick. Das ist keine Abwertung der Grundlagenforschung, wer aber seine Forschungsergebnisse wirtschaftlich verwerten kann, erreicht am ehesten die Freiheit, seine Arbeit selbstbestimmt weiterzuführen. Was hier für den Entwicklungsweg in der Welt der Technik angeführt ist, gilt freilich auch im Bereich der Künste: Vielfältige Einflüsse in der Kindheit können später im Grunde nicht nachgeholt werden.

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 20.04.2021 - 10:26Uhr | Zuletzt geändert am 20.04.2021 - 12:17Uhr
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