Enttäuschende Beteiligung an der Bürgerumfrage zum Postplatz

Görlitz. Das hätte ein schönes Beispiel für Bürgerbeteiligung geben können - wenn sich die Bürger stärker beteiligt hätten. Immerhin hatte die Stadtverwaltung Görlitz mehr als 30.000 Umfragezettel verteilt, um die Bürgermeinung zur vorgesehenen Sanierung und damit möglichen Umgestaltung des Görlitzer Postplatzes zu erforschen. Der Rücklauf betrug allerdings nur runde sieben Prozent und das Ergebnis ist nicht sonderlich eindeutig ausgefallen. "Ich hatte mit deutlich mehr Beteiligung der Görlitzer Bevölkerung bei der Frage der Gestaltung eines der wesentlichen Innenstadtplätze gerechnet", musste der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick feststellen.

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Die Antwort auf die Gestaltungsfrage wird spannend

55% der Stimmen haben sich für die Sanierung im Stil der heutigen Gestaltung des Postplatzes ausgesprochen und das oftmals auch begründet: In vielen Randnotizen und Briefen wird Vandalismus befürchtet, wenn die Bürger direkt bis an den Muschelminna-Brunnen gehen können.
Für den Zugang zum Brunnen hingegen plädierten die restlichen 45% - sie befürworten die Erneuerung mit diagonalem Wegekreuz.

Eine zweiten Frage zielte auf die Verkehrsberuhigung. Hier begrüßten 57% der Befragungsteilnehmer solche Maßnahmen, aber runde 43% sahen keinen Handlungsbedarf.

Die knappe Mehrheit für die Beibehaltung der bisherigen Platzgestaltung erscheint aufgrund der geringen Beteiligung keineswegs repräsentativ. "Die knappe Mehrheit für diese Lösung relativiert sich auf 3,1 % der möglichen Stimmen", zieht Oberbürgermeister Paulick die Bilanz der Befragung und bedauert: "Schade, leider ist eine gute Möglichkeit der Teilhabe an städtischen Entscheidungsprozessen kaum genutzt worden. Danken möchte ich aber allen, die sich mit ihrer Stimme positioniert haben.“

Zur Wahl standen die ursprüngliche Platzgestaltung von 1887 und die jetzige, die aus dem Jahr 1937 stammt. Beide Gestaltungen würden in etwa mit den gleichen Kosten verbunden denkmalrechtlich genehmigungsfähig sein. Der Versuch, die Bürgermeinung in die Entscheidung einzubeziehen, war für Görlitz eine Novum.

Weniger Verkehr auf dem Postplatz?

Da sie keinen logistischen Mehraufwand erforderte, wurde die Frage nach Veränderungen der Verkehrssituation gleich mit gestellt. Bewohner und Händler des Postplatzes hatten im Vorfeld neue Regelungen für Autos und weniger Fahrverkehr im Umkreis des Muschelminna-Brunnens verlangt. Im Gespräch ist ein Verkehrsversuch nach der Ende der Bauarbeiten. Damit sollen die Möglichkeiten für mehr "Aufenthaltsqualität" über mehrere Monate getestet werden.

Der Görlitzer Stadtrat entscheidet wahrscheinlich Ende März 2012 mit dem Planungsbeschluss über die grundsätzliche Gestaltung der Platzfläche rund um den Brunnen. Die Detailplanung soll bis Juni 2012 fertig sein. Im Frühherbst, wenn die Generalüberholung des Muschelminna-Brunnens der Fertigstellung entgegen geht, soll die Erneuerung der Freiflächen und Wege beginnen.


Kommentar:

Die Befragung ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen: Viele Umfragezettel verpulvert, wenige Rückmeldungen, keine klare Tendenz in den Bürgermeinungen. Ein der Grundregeln schriftlicher Befragungen wurde missachtet, wonach man, um möglichst viele Meinungen zu erfassen, die Teilnahme an einer solchen Befragung belohnen sollte, und sei es durch ein Gewinnspiel. Sonst machen nur die "Extremisten" mit, jene, die am schärfsten "dafür" oder "dagegen" sind.

Stellt man den tiefsitzenden menschlichen Hang zur Veränderungsunwilligkeit in Rechnung, liefert das Befragungsergebnis eine Patt-Situation. Der Wert der Aussage ist wegen des geringen Rücklaufs zudem gering.

Es zeigt sich: Bürgermeinung ist schön und gut, aber Experten haben die besseren Entscheidungsgrundlagen, den größeren Blickwinkel und können Erfahrungen von anderenorts einfließen lassen. Vielleicht bekommt die sympathische Idee, seine stadtstaubgeplagten Füße gemeinsam mit der Muschelminna zu kühlen, damit doch noch eine Chance.

Diese Freiheit erlaubt es natürlich auch depperten vandalismusanfälligen Zeitgenossen, sich der bislang in ihrer Keuschheit unberührten Minna und den vier Typen, die das Weib schultern, zu nähern. Ja, so ist es. Andererseits könnte man bei der jetzigen Platzgestaltungsversion alle, die die Rasenfläche für ein Sonnenstündchen in der Öffentlichkeit betreten, unter Vandalismus-Generalverdacht stellen. Folge: Das Betreten der Rasenfläche verbieten. Weil das missachtet werden könnte, am besten einzäunen, hoch genug, damit potentielle Brunnensünder gleich hinterm Zaun gefangen sind...

Ehe weiter solch wirres Gedankengut verbreitet wird, sollte man die Leute lieber ans Wasser lassen.

Die eigentliche Gefahr ist doch nicht der Vandalismus, sondern dass eines Nachts ein Kranauto kommt und die Muschelminna von Ganoven zum Schrottwert in den Schmelzofen geschickt wird. Und denen ist die Wegeführung egal.

Kannste glauben,

meint Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Zur Minna hin

Von Görzelec am 07.03.2012 - 11:37Uhr
Schließe mich Herrn Stänker an.

Das Vandalismus-Argument erschließt sich mir darüber hinaus eh nicht so recht. Wer unbedingt der Skulptur zu Leibe rücken möchte, der kann das jetzt auch schon. Natürlich gäbe es beim Diagonal-Verkehr über den Platz mehr Publikum für Tags, Graffiti und Co - da muss man sich nix vormachen. Der Pflegeaufwand am Brunnen wird also sicherlich höher als jetzt.

Aber ist der derzeitige Zustand wirklich eine dauerhaft schöne Alternative? Soll der Postplatz weitere Jahrzehnte eine Art Hindernis für den Flaneur zwischen Altstadt und Berliner Straße bleiben, um das man sich gemeinsam mit der Straßenbahn in gebührendem Abstand herumquetscht? Dieser Platz ist dafür entworfen worden, dass man ihn zu Fuß überqueren kann. Der Brunnen soll von den Menschen der Stadt erreicht werden können.

Wir "verdanken" dem Jahr 1937 die Verwandlung des Postplatz-Inneren in eine fußgängerbefreite Zone. Und die Umwandlung des größten und schönsten Platzes der Altstadt in eine Durchgangsstraße mit angeschlossenem Parkplatz. Meiner Meinung nach ist es höchste Zeit, die beiden Plätze denen zurückzugeben, für die sie gedacht sind: Den Fußgängern.

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  • Quelle: red | Fotos: BeierMedia.de
  • Erstellt am 06.03.2012 - 09:16Uhr | Zuletzt geändert am 06.03.2012 - 09:59Uhr
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